Montag, 16. Dezember 2013

THC und moderne entzündungshemmende Biologika

Autor: Dr. med. Franjo Grotenhermen

Dr. med. Franjo Grotenhermen Mitarbeiter des nova Institutes, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM)
Mitarbeiter des nova Institutes in Hürth bei Köln und Geschäftsführender Vorstand der Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Cannabinoidmedikamente (IACM), Foto: Archiv

Seit einigen Jahren werden bei der Therapie von chronischen Entzündungen, wie beispielsweise rheumatoide Arthritis, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und Psoriasis (Schuppenflechte) so genannte Biologika eingesetzt. Im Arzneimittelreport 2010 belegten die beiden Biologika Adalimumab (Markenname: Humira) und Etanercept (Markenname: Embrel) die beiden ersten Plätze unter den umsatzstärksten Arzneimitteln. An diesen Medikamenten verdient die pharmazeutische Industrie mehrere Milliarden Euro jährlich.

Es gibt Gemeinsamkeiten von THC mit diesen neuen Medikamenten und Unterschiede. Biologika oder Biopharmazeutika sind keine natürlichen Substanzen, sondern man hat sich einen schönen Namen für eine neue Gruppe chemischer Substanzen einfallen lassen. Es sind Arzneistoffe, die mit Mitteln der Biotechnologie in gentechnisch veränderten Organismen hergestellt werden. Bei der Therapie von chronisch-entzündlichen Erkrankungen kommen Biologika zum Einsatz, die in die Funktionsweise des Immunsystems eingreifen, indem sie die Wirkung entzündungsfördernder Botenstoffe hemmen.

In einem Artikel auf doccheck.com für Ärzte heißt es unter dem Titel “Biologika: schwache Abwehr, teuer bezahlt”:

“Experten loben die neuen Wirkstoffe für die Rheumabehandlung, Pharmafirmen sind wegen der Umsätze begeistert. Dass es aber bei Biologika immer wieder zu schweren Nebenwirkungen kommt, verunsichert Ärzte und Patienten. (…) Wir konnten in den letzten 15 Jahren auch durch klinische Studien sehen, dass diese Medikamente deutlich effektiver sind und häufig sehr schnell zu einer Wirkung führen“, lobte Andrea Rubbert-Roth von der Uniklinik Köln in einem DocCheck-Video 2009 die neuen Wirkstoffe. „Wir können damit Patienten helfen, denen wir vorher nicht mehr viel anbieten konnten.“ Wundermittel?”

Wer die Aktivität des Immunsystems unterdrückt, der muss damit rechnen, dass die Infektionsgefahr steigt. So bestätigte etwa die amerikanische Arzneimittel-Zulassungsbehörde FDA schon 2008, dass die Hersteller Warnungen vor Pilzinfektionen im Beipackzettel von Inhibitoren des Tumornekrosefaktors Alpha (TNF-Alpha), ein wichtiger entzündungsfördernder Botenstoff aufnehmen mussten, nachdem einige Patienten daran gestorben waren.

Beispiel Adalimumab (Humira) ist ein so genannter monoklonaler Antikörper, ein Protein, das gegen den Tumornekrosefaktor-Alpha wirkt, und daher auch als TNF-Alpha-Blocker bezeichnet wird. Es wird zur Behandlung von rheumatoider Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Morbus Bechterew und der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa eingesetzt. Es gilt mit knapp 1.000 Euro pro Dosis als eines der teuersten Medikamente auf dem deutschen Markt. Als Nebenwirkungen können Kopfschmerzen, Schmerzen in Muskeln und Knochen, Übelkeit und Erbrechen und Hautausschläge, Appetitlosigkeit, Veränderungen im Blutbild und erhöhte Leberenzymwerte auftreten. Da Adalimumab die Immunabwehr unterdrückt, ist das Risiko erhöht, an Infektionen zu erkranken, die unter Umständen einen schweren Verlauf bis hin zur Blutvergiftung nehmen können. Es können bösartige Tumore (maligne Lymphome) auftreten.

Auch THC hat Wirkungen auf Entzündungsbotenstoffe. THC reduziert die Produktion von TNF-Alpha und anderen entzündungsfördernden Botenstoffen wie Interleukin-6. Bei bestimmten Erkrankungen, wie multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis und Morbus Crohn werden solche Botenstoffe vermehrt gebildet. Beispielsweise fanden spanischer Wissenschaftler im Jahr 2009 heraus, dass die Aktivierung des Cannabinoid-2-Rezeptors durch Cannabinoide die Produktion von Tumornekrosefaktor-Alpha durch Immunzellen im Gehirn sowie die Wanderung dieser Zellen im Nervensystem hemmte, was darauf schließen lässt, dass THC und ähnlich wirkende Cannabinoide Entzündungen im Gehirn hemmen können. Gleichzeitig fördert THC die Aktivität von entzündungshemmenden Botenstoffen, was sich ebenfalls günstig auf Entzündungen auswirken kann.

Der größte Unterschied zu den modernen Biologika ist die gute Verträglichkeit von Cannabis bzw. THC sowie der Preis. Wäre der politische Wille vorhanden, so könnten Cannabisprodukte häufig eine sehr preiswerte und gut verträgliche Alternative für solche Medikamente darstellen. Ich habe in meiner Praxis zwei Patienten mit Schuppenflechte. Sie möchten gern einen Antrag auf eine Ausnahmeerlaubnis für die Verwendung von Cannabis aus der Apotheke stellen, weil sie unter Cannabis völlig beschwerdefrei sind, ohne relevante Nebenwirkungen. Alle konventionellen Therapieverfahren, außer denen der Behandlung mit Biologika, waren zuvor erfolglos. Jetzt müssen sie aber diese Biologika, ausprobieren, was sie eigentlich vermeiden wollten. Nur für den Fall, dass sie diese Substanzen akut nicht vertragen, haben sie eine Chance auf eine solche Erlaubnis.

Aus ärztlicher Sicht sind dieses Vorgehen und diese Anforderung der Behörden nicht zumutbar und in jeder Hinsicht unvernünftig. Wieso sollte ein Patient eine Therapie, die sehr wirksam ist, akut gut vertragen wird und auch auf lange Sicht kaum Nebenwirkungen verursacht, zu Gunsten einer Therapie mit größeren Risiken ändern? Es gibt darauf nur eine Antwort: Es ist die deutsche Rechtslage zu Cannabis als Medizin. Und die ist alles andere als vernünftig.

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