Mittwoch, 14. August 2013

Gefahrenabwehr 2.0

Wenn Beamte Patienten besuchen

Autor & Interview: Kimo

Ex-Grow Fotos: Arno Nühm

Ich treffe Sebastian* in einem Café irgendwo in Norddeutschland. Sebastian ist Cannabis-Patient, weil er an einem sehr komplizierten Lendenwirbel-Syndrom leidet, zudem unterstützt sein Hausarzt die sublimierende Cannabis-Therapie im Rahmen von Sebastians Substitutionsbehandlung . Eigentlich wollten wir uns über den letzten „Medical Grow“ meines Gegenübers unterhalten, doch ersten kommt es anders und zweitens als man denkt.
Statt ein paar fetter Blüten bekomme ich einige Details einer Hausdurchsuchung geschildert, die ich unseren Lesenden an dieser Stelle ersparen möchte. Pflichtbewusste Beamte hatten sich nur zwei Tage vor Ende des Zyklus als grobmotorische Erntehelfer betätigt und die Medizin sowie einen Teil des Equipments von Sebastian eingesackt. Eine Person aus dem nahen sozialen Umfeld, die die Cannabis-Therapie trotz ärztlicher Begleitung nicht akzeptiert hatte, hat den gelernten Krankenpfleger angezinkt.

Hallo Sebastian

Hi Kimo

Bevor wir uns über Deine gestohlene Medizin unterhalten, möchte ich ein wenig mehr über Deine Behandlung mit Cannabis wissen. Seit wann und auf welche Art nutzt Du Cannabis als Medizin?

Gegen meine Schmerzen, die auf eine Asymmetrische Assimilationsstörung zurückzuführen sind, verwende ich Hanfblüten seit dem vergangenen Jahr. Bei mir ist der fünfte Lendenwirbelkörper teilweise mit dem Kreuzbein verbunden, was starke Schmerzen im Lendenbereich verursacht.
Opiate kommen ja aufgrund meiner Vorgeschichte sowieso nicht in Frage und andere Schmerzmittel helfen schlecht bis gar nicht, ich bin diesbezüglich bereits austherapiert. Nur eine Kombination aus THC, CBD und anderen Cannabinoiden hilft. Seit Februar 2012 hilft Gras mir auch, erst immer weniger und schließlich so gut wie gar kein Subotex mehr zu nehmen. Ich habe fast zehn Jahre am Substitutionsprogramm teilgenommen und bin seit September 2012 fast komplett „clean”. Ich hatte irgendwann gemerkt, dass hoch dosiertes Cannabis nicht nur meine Schmerzen lindert, sondern auch das Verlangen nach Subotex so gut wie ganz verschwinden lässt. Das geschieht alles unter Aufsicht und mit Absprache meines Hausarztes, mit dem ich gerade einen Antrag für eine Ausnahmegenehmigung der Bundesopiumstelle zum Import von Hanfblüten aus niederländischen Apotheken vorbereite. Bis das durch ist, bin ich auf den Schwarzmarkt angewiesen, da mir der Königsweg der Selbstversorgung nach dem Homebox-Besuch der Staatsmacht leider verwehrt ist.

Wie sind die Nebenwirkungen?

Gering, so lange ich eine Sorte mit höherem CBD Gehalt konsumiere. Das macht nicht so breit wie Gras, das nur auf THC-Gehalt gezüchtet wurde. Am Anfang der Therapie war ich manchmal ein wenig müde oder unkonzentriert, aber das hat mit der Toleranz gegenüber dem Wirkstoff nachgelassen.
Zurzeit spüre ich kaum unangenehme Nebenwirkungen, die einzige ist die Entspanntheit der Muskeln, aber die ist nicht unangenehm.

Wie hoch ist Deine Dosis?

Fünf Gramm über den Tag verteilt. Morgens gegessen, mittags und abends geraucht oder vaporisiert. Ich habe die Dosis seit dem Beginn der Therapie weder gesenkt noch erhöht. Zudem habe ich glücklicherweise einen Arbeitgeber, der kein Problem mit meiner eher ungewöhnlichen Medikation hat.
Er misst mich an meiner Leistung, nicht an der Dosis meiner Medikamente. Ich hatte also bis vor dem Besuch keinerlei Probleme, meinen Alltag sowie mein Arbeits- und Sozialleben zu bewältigen. Mir ging es eigentlich gut.
Gibt es Sorten, die Du bevorzugst?
Ganz klar ja. Je höher der CBD Gehalt ist, umso besser lindert es die Symptome. Aber ich will das THC dadurch nicht schlecht reden, das ist genau so wichtig. Allerdings haben alle Sorten ausreichend THC, während ein hoher CBD Gehalt nur bei bestimmten Strains garantiert ist. Deshalb habe ich ja auch meine Medizin selbst angebaut.

Um welche Sorten hat es sich da genau gehandelt?

Naja, aufgrund des Samenverbots konnte ich bei der Sortenwahl leider nicht „Wünsch Dir was!“ spielen. Aber mit meinen neun „Autobombs“, zwei „Original Ingemar White Widdows“, zwei „Cheese“, zwei „BugBud“ sowie zwei unbekannten Schönheiten aus „Bag-Seeds” hatte ich schon eine schöne Aussicht auf eine weiterhin erfolgreiche THC/CBD Therapie. Ich habe aber trotzdem immer weiter versucht, mit meinen begrenzten Mitteln den ultimativen Strain für meine Bedürfnisse zu finden. Deshalb und aufgrund des in Europa einmaligen Samenverbots hatte ich auch eine ganz kleine Mutterbox.

Die ist jetzt wohl auch, genau wie der Rest, Geschichte. Was für Equipment hast Du genutzt?

Für die Muttibox ein 60x60cm Greenlab Zelt, bei offener Tür, ohne Belüftung. Beleuchtet habe ich mit 4×18 Watt Leuchtstoffröhren (6400k). Bewohnt wurde sie von einer Mutterpflanze Big Bud, ein paar kleinen WhiteWiddow-Muttis, ein paar Master Kush Sämlingen, einem Pure Power Plant Sämling, einem Sensi Star Steckling und diversen, unbewurzelten Stecklingen verschiedener Sorten.
Für die Blüte hatte ich mir eine gebrauchte Home-Light XL (120x120cm) besorgt und mit einem 600 Watt Lumatek Vorschaltgerät und einem Adjust-a-Wings beleuchtet.
Für den Luftaustausch haben eine 240m³/h Filter/Lüfter mit Klimasteuerung sowie ein Honeywell Standventilator gesorgt. Die Ladys standen in 6,5 Liter Teku-Containern auf
Plagron Light-Mix und wurden mit Plagron Terra Vega (Wuchs) Guanokalong Fledermausdünger (Blüte), ein paar Zusätzen von Advanced Nutrients und Mineral Magic von GHE versorgt. Ich hatte während des gesamten Durchgangs weder Mangelerscheinungen noch Schädlinge und die neun fast fertigen Autobombs sahen vor dem Zwischenfall sehr viel versprechend aus. Ich habe zum ersten Mal Automatics angebaut, weil ich so gleichzeitig eine Hälfte des Zeltes blühen lassen konnte, während ich in der andern Hälfte meine Stecklinge und feminisierte Sämlinge vorwachsen lassen konnte.
Die anderen Pflanzen waren gerade am Ende der vegetativen Phase und sobald die Autobombs fertig gewesen wären, hätte ich den Rest der Ladys in größere Töpfe gestellt, die Beleuchtung auf 12 Stunden reduziert und die die anderen acht Damen ausblühen lassen. Eigentlich ist das ja eine Super Sache mit den Automatic-Sorten, weil man gleichzeitig in einer Box ein paar Pflanzen bei 18 Stunden Licht blühen lassen kann, während die anderen noch wachsen.

Wie hoch waren denn die Autobombs am Ende?

Leider hatten die Autobombs fast so viele Phänotypen wie Seeds. Die neun aufgegangenen Samen des 10er Pakets haben sechs unterschiedliche Wuchsformen aufgewiesen. Die Größe lag zwischen 60 und 110 cm, einige waren eher Sativa-lastig, einige eher Indica-typisch. Geschmacklich kann ich ja leider kein Urteil mehr abgeben, der Geruch war bei den Sativa-Phänos zitronig mit einem Hauch von säuerlicher Ananas, sehr fruchtig, fast ein wenig stechend, aber nicht unangenehm. Die Indica-Phänos haben nach starkem Hasch gerochen.
Die anderen Ladys waren zwischen 25 und 50 Zentimeter hoch und gerade mal bereit für die Blüte. Deshalb hatten sie noch kein ausgeprägtes Aroma entwickelt. Vielleicht kannst Du ja im Rahmen einer offiziellen Presseanfrage bei der Polizei die Geschmacksnuancen erfragen.

Ich sehe auf den Fotos, dass Du die unteren Triebe ziemlich radikal entfernt hast?

Ja, besonders bei den hoch wachsenden Plants. Ich schneide bis zur dritten Blütewoche alles ab, was mehr als 60 Zentimeter von der Lichtquelle entfernt ist. So bekomme ich fettere Topbuds, spare Zeit und Arbeit beim Ernten und habe sogar ein wenig mehr Ertrag als würde ich sie nicht beschneiden. Aber sag‘ den Leser/innen bitte, sie mögen das nicht mit dem Beschneiden des Topbuds verwechseln. Das macht man Indoor eigentlich nicht, und wenn dann in der vegetativen Phase, nicht während der Blüte. Viel mehr gibt es leider nicht zu erzählen, weil ich ja buchstäblich um die Früchte meiner Arbeit gebracht worden bin.

Hatten die Beamten Verständnis für Deine Situation oder warst Du in deren Augen der böse Drogenproduzent?

Die Polizei war sehr nett. Sie mussten schließlich dem Hinweis nachgehen und haben mich sogar gefragt, weshalb ich mir keine Genehmigung hole. Naja, dass das nicht so leicht ist und dass man zum Anbau noch gar keine bekommen kann, wissen die wahrscheinlich auch nicht. Die haben einfach nur ihren Job erledigt, einem habe ich sogar richtig leidgetan. Aber das hilft mir auch nix, da kann ich mir nicht mal ‘nen Haschkeks für kaufen. Ich bin jetzt wieder fleißig auf dem Schwarzmarkt unterwegs und gebe Unmengen Geld für eine Medizin aus, die es in einigen Nachbarländern legal gibt.

Hoffst Du auf Milde vor Gericht?

Selbstverständlich. Ich fühle mich komplett unschuldig, habe nur meine Medizin angebaut, keinem geschadet, nix verkauft und könnte eine dicke Vorstrafe bekommen, denn die neun Autobombs überschreiten die Geringe Menge. Mit der Aussicht, dass ich mich aufgrund meiner Krankheit weiterhin ständig strafbar machen muss, bis der Antrag dann endlich genehmigt wird. Ich werde auf keinen Fall klein beigeben und den reuigen Sünder spielen, ich bin Patient, kein Krimineller.

Dem kann ich mich nur anschließen. Ich wünsche Dir alles nur erdenklich Gute für die Zukunft und einen milden Richterspruch. Ich sag mal tschüss und bis bald.

*Name von der Redaktion geändert

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