Dienstag, 2. Juli 2013

Cannabis Social Clubs

Erste Keimzellen in Deutschland?

Autor: Michael Kleim

Am Samstag, 8. Juni 2013 fand im KUBIZ in Berlin die Veranstaltung „Cannabis Social Clubs in Deutschland: Diskussion über die Umsetzung“ statt. Organisiert wurde sie von ENCOD (European NGO Council on Drugs and Development) mit Hilfe von Near Dark und dem Hanf Museum Berlin. Michael Kleim hielt dort eine viel beachtete Rede, die vom „Bewusstseinsbeweger“ am 9. Juni 2013 auf YouTube hoch geladen wurde und hier in voller Länge abgedruckt ist.
Von Michael Kleim
„Es ist in unseren Städten inzwischen echt einfacher, an Crystal ranzukommen als an Hanf. Das kann es doch wohl nicht sein!“
Aussage eines jungen Erwachsenen aus Thüringen
Die Organisation Amerikanischer Staaten diskutiert dieser Tage in Guatemala über neue Strategien in der Drogenpolitik. Die Ergebnisse der bisherigen Prohibition, so in einer Meldung, seien erschreckend: Die Gefängnisse sind mit Konsumenten und Kleinhändlern überfüllt. Die Gewalt rund um die Drogenschattenwirtschaft fordert Zehntausende von Toten. Stattliche Institutionen werden zunehmend von den Drogenkartellen unterwandert, so dass die Demokratie immer weiter gefährdet wird. In einer OAS-Studie heißt es: „Alles deutet darauf hin, dass weit weniger Menschen durch Drogenkonsum um’s Leben kommen als durch die mit dem Drogengeschäft im Zusammenhang stehende Verbrechen.“
Die Konsequenzen liegen auf der Hand. So heißt es in der Studie: „Die Entkriminalisierung des Drogenkonsums muss als Kernelement jeder öffentlichen Gesundheitsstrategie angesehen werden.“ Experten gehen noch weiter und fordern zudem Modelle einer Regulierung des Drogenmarktes, vom Anbau bis zum Verkauf. (TAZ 4.Juni 2013)
Die Drogenpolitik militarisiert immer weiter. Der Einsatz von Militär gegen den Drogenmarkt ist nicht nur in Mexiko, Kolumbien oder Afghanistan an der Tagesordnung. Auch in Europa wird mit dieser Eskalation kokettiert – so forderten Medien in Frankreich, Militär gegen Drogenstrukturen in Marseille einzusetzen.
Das Reden vom Drogenkrieg ist längst keine rhetorische Floskel mehr, sondern bittere Realität. Die Folgen lassen sich vereinfacht auf folgenden drei Ebenen beschreiben:

Drogenmarkt
Angebot und Nachfrage nach psychoaktiven Stoffen besteht ungebrochen fort. Durch das Pauschalverbot verlagert sich die Drogenwirtschaft – von Anbau bzw. Herstellung über Verteilung bis hin zur Vermarktung vor Ort – in einen unkontrollierbaren, kriminellen Bereich. Da ein regulierter und kontrollierbarer Markt nicht zugelassen wird, wird ein Schwarzmarkt geschaffen, der auf Grund hoher Gewinnspannen ökonomisch und strukturell stabil ist bzw. zum Teil expandiert – mit allen damit verbundenen Konsequenzen wie Gewalt, Korruption und Schattenwirtschaft. Dieser Markt bietet zudem eine sichere Einnahmequellen für Geheimdienste, Bürgerkriegsparteien und fundamentalistische Gruppen aller Art.

Konsumenten
Nutzer von kriminalisierten psychoaktiven Pflanzen und Stoffen sind gezwungen, sich über den kriminellen Markt zu versorgen. Sie unterstützen damit – ungewollt – kriminelle Strukturen und liefern sich der permanenten Gefahr aus, selbst kriminalisiert zu werden. Auf dem Schwarzmarkt gibt es keinen Verbraucherschutz und auch keinen Jugendschutz. Die Qualität der Ware unterliegt keinerlei Kontrollen. Das alles bringt zusätzliche Risiken, deren Ursache in der Illegalität, nicht in den pharmakologischen Nebenwirkungen der Substanzen liegen.

Demokratie und Menschenrechte
Politische Aktivitäten von ökonomisch potenten Drogenkartellen untergraben demokratische Strukturen. Der Drogenkrieg destabilisiert die Zivilgesellschaft. Die Prohibition produziert systematische Menschenrechtsverletzungen, angefangen von Folter, unmenschlichen Haftbedingungen, Schauprozessen, willkürlichen Urteilen bis hin zu Exekutionen und extralegalen Hinrichtungen. Dass auch diese Realität vor unserer eigenen Haustür besteht, zeigen die zwei Todesopfer, denen als mutmaßliche Dealer zwangsweise polizeiärztlich Brechmittel verabreicht wurden – und der aktuelle Prozess zum Brechmitteleinsatz, der letztlich den verantwortlichen Mediziner vor Strafe bewahren soll.
Ein gravierendes Sonderfeld spielen zudem Patientenrechte und die ärztliche Therapiefreiheit – wirksame Schmerz-und Heilmittel dürfen nicht verwendet werden, weil der Staat es verbietet. Zahllose Menschen müssen deswegen unnötig leiden – auch das ist eine Folge aktueller Drogenpolitik.

Globale Kritik

Diese globale Situation wird zunehmend wahrgenommen, beschrieben und kritisiert. Prominentester Kritiker dabei ist wohl die Global Commission on Drug Policy, der bekannte Politiker wie Kofi Annan oder Ruth Dreifuß angehören. Für unseren Workshop sind die Konsequenzen dieser Kommission von Bedeutung: In ihrem Bericht kommt die Kommission zu der Erkenntnis, dass der globale Krieg gegen die Drogen gescheitert ist und fordert die Politik zu einem Umdenken auf. Ihre konkreten Forderungen lauten:

Beendigung der Kriminalisierung, Ausgrenzung und Stigmatisierung der Konsumenten illegalisierter Drogen,
Modellversuche zur Regulierung des Drogenmarktes mit dem Ziel, die Organisierte Kriminalität zu schwächen sowie die Sicherheit und Gesundheit der Bürger zu fördern,
Achtung der Menschenrechte in der Drogenpolitik sowohl für Konsumenten als auch für Drogenbauern und Kleinhändler,
Fokussierung der Strafverfolgung auf die gewalttätige Organisierte Kriminalität mit dem Ziel, die Gewalt einzudämmen.
Interessant ist, dass es ähnliche Forderungen auch von anderen Politikern, Wissenschaftlern, Juristen, Ökonomen und Sozialinstitutionen gibt. Als Beispiel sei Caritas International erwähnt:
Anerkennung und volle Respektierung der Menschenrechte von Konsumenten,
Entkriminalisierung der Konsumenten,
Entkriminalisierung der Kleinproduzenten/Kleinbauern,
Beteiligung der zivilgesellschaftlichen Organisationen in der Bestimmung der Drogenpolitik.

Hier finden wir bereits grundlegende Impulse, die eine Initiation von Cannabis Social Clubs unterstützen:
Beendigung der Kriminalisierung von Konsumenten und Kleinproduzenten,
Modellversuche zur Regulierung des Drogenmarktes,
Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Strukturen in der Konzeption und Durchsetzung einer neuen Drogenpolitik.

Ist in diesen Positionen grundsätzlich von illegalisierten Drogen die Rede, richten sich die CSC auf Gebraucher von Hanf. Konkret für diese, weiterhin kriminalisierte Droge, wird hier ein alternatives, entkriminalisierendes Modell angeboten. Das ist, wenn wir die oben beschriebene Situation ernst nehmen, notwendig.
Anbau und Vertrieb von psychoaktiven Hanfprodukten erfolgt nach wie vor weitgehend unter der Regie krimineller Organisationen. Eine Alternative zum Schwarzmarkt besteht im Eigenanbau von potenten Hanfpflanzen. Dies trägt aber bestimmte Risiken mit sich. Die Pflanzen müssen über längere Zeit hinweg vor den Blicken Uneingeweihter bewahrt werden. Wenn es doch zur Razzia kommt, wird juristisch die Gesamtmenge des produzierten Hanfes zur Strafbemessung herangezogen – deutlich mehr als die kleine Menge zum Eigenbedarf. Es ist für den Konsumenten daher meist risikoärmer, regelmäßig kurz zu seinem Dealer zu gehen, als Home Grow zu betreiben. So bestraft das Gesetz genau die Menschen härter, die eigentlich versuchen, verantwortlicher mit der Situation umzugehen.
Die Qualität auf dem Schwarzmarkt ist auch bei Hanf unkalkulierbar. Die Auswahl hält sich meist in Grenzen, Beimischungen sind leider nicht die Ausnahme. Der DHV schreibt dazu: „Zur Aufwertung und Streckung werden sowohl Cannabis als auch Haschisch mit verschiedenen Substanzen versetzt. Diese reichen von zerriebenen Blättern der Hanfpflanze, Gewürzen, Fetten und Ölen bis zu Schuhcreme, Sand, Wachs, Zucker und Haarspray, aber auch Mittel wie Brix gehören dazu.“ Ebenso werden Belastungen durch Schädlingsbekämpfungsmittel, Schimmelpilze und Bakterien beschrieben.
Die Nutzung von Hanf zu kreativen Freizeitzwecken und die Entwicklung einer bewussten Hanfkultur werden durch das Verbot blockiert. Mehr noch – auch eine Nutzung von Hanf für religiöse und medizinische Zwecke ist nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Damit berührt diese Politik auch Grundrechte. Die Problematik der Hanfprohibition wird seit längerem diskutiert und es gibt inzwischen unterschiedliche Ideen und Versuche:
Entkriminalisierung von Konsumenten, in Portugal und Tschechen erfolgreich praktiziert. Dies ist ein erster, wichtiger Schritt. Der Schwarzmarkt bleibt allerdings bestehen.
Apothekenmodell – eine gute Idee, um Patienten mit qualitativ guten Hanf zu versorgen, aber keine Lösung, um nichtmedizinischen Hanfgebrauch zu steuern.
Coffeeshop-Modell – in den Niederlanden etabliert. Bringt eine spürbare Entspannung in die Gesamtsituation, aber es besteht die „Hintertür-Problematik“, d.h. Coffeeshopbetreiber sind bei der Versorgung mit Hanfprodukten weiterhin auf den Schwarzmarkt angewiesen und bewegen sich in einer riskanten Grauzone.
Eigenanbau der Konsumenten – durch den fehlenden rechtlichen Rahmen bringen sich die Betroffenen in die beschriebene Gefahr einer starken Kriminalisierung.

Cannabis Social Clubs als vernünftige Alternative
Hier nun stellen CSC eine Alternative dar, die oben benannte Probleme konkret einer Lösung zuführen. CSC organisieren für ihre Mitglieder den Anbau und die Verteilung psychoaktiver Hanfprodukte. Damit können die neuralgischen Punkte gezielt bearbeitet werden. Mit Blick auf die beschriebene aktuelle Situation kann festgestellt werden:
CSC bieten einen Rahmen, in dem der Anbau und die Verteilung von Hanf transparent, kontrolliert und unter der Maßgabe des Jugendschutzes erfolgen können. Damit entsteht ein System, das sich abseits des kriminellen Schwarzmarktes etablieren kann. Somit wird ein Beitrag zur Senkung der allgemeinen Kriminalitätsrate geleistet.
Gesundheitsgefährdende Streckmittel werden verhindert. Damit wird ein wichtiger Schritt in Richtung Gesundheitspolitik getan.

Ökonomisch wird ein abwandern von Gewinnen in dunkle Kanäle blockiert, da die CSC sich als non-profit Unternehmen verstehen und nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind.
CSC sind jederzeit bereit, Einblick in ihre Unternehmungen zu gewährleisten und mit den Behörden zusammenzuarbeiten.
CSC sind auch in der Lage, sich in sozialer und kultureller Hinsicht zu engagieren und eine sinnvolle, nicht auf Abstinenz ausgerichtete Prävention zu unterstützen.
CSC können unterschiedliche inhaltliche Ausrichtungen annehmen und sich an verschiedene Zielgruppen wenden. So könnte es u.a. auch CSC geben, die bewusst Patienten vereinen und deren Versorgung mit Medizinalhanf absichern, oder CSC die eine religiöse Absicht verfolgen und ihren Mitglieder dazu den Umgang zu Hanf ermöglichen. Innerhalb der Clubs wäre ein angstfreier Austausch über Erfahrungen und eine Beratung vor Ort möglich. Die Entwicklung einer kreativen Hanf-Kultur, die ihrerseits ein Faktor zur Schadensminimierung darstellt, würde bewusst gefördert.
Wenn wir also für CSC werben, müssen wir auch darstellen, was die Gesellschaft davon hat. Ich fasse die Argumente noch einmal zusammen:
CSC wären ein Modell zur Entkriminalisierung von Konsumenten und zur Regulierung von Anbau und Angebot. Damit greift diese Idee die globalen Herausforderungen auf, wie sie die Global Commission on Drug Policy beschreibt.
CSC wären ein Modell, das nicht auf kommerziellen Gewinn orientiert ist und deshalb außerhalb der kriminellen Schwarzmarktstrukturen liegt.
CSC wären ein Modell, das somit auch die Folgen des Schwarzmarktes wie Gewalt und Korruption durchbricht.
CSC wären ein Modell, in dem transparent, kontrolliert und reguliert Hanf angebaut und verteilt wird.
CSC wären ein Modell, das auf seine Weise die Sicherheitspolitik des Landes unterstützt.
CSC wären ein Modell, das einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitspolitik liefern kann.
CSC wären ein Modell, das kranke Menschen mit Medizin versorgen kann.
CSC wären ein Modell, welches sich zivilgesellschaftlich organisiert und die Demokratie stärken kann.
CSC wären ein Modell, das die Wahrung der Menschenrechte in der Drogenpolitik ernst nimmt.

Internationale Zusammenarbeit
Während kriminelle Drogenhändlerringe seit Anbeginn grenzüberschreitend agieren und auch die kalten so wie heißen Drogenkrieger global vernetzt sind, handeln Gruppen und Personen, die sich für eine humane, demokratisch ausgerichtete Drogenpolitik einsetzen, oft nur in ihrem eigenen regionalen Bereich. Doch um eigene Ziele nicht nur zu postulieren, sondern auch umzusetzen, braucht auch die Anti-Prohibitionsbewegung die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg. ENCOD ist an dieser Stelle eine unwahrscheinlich wichtige Struktur! Da die Situationen in Europa von Land zu Land sehr unterschiedlich sind, fiel es oft schwer, sich auf gemeinsame europäische Forderungen und Aktionen zu einigen. Länder hatten oft Probleme, weil sie mit drogenpolitischen Initiativen in Europa allein gelassen wurden. Doch an einer regionalen Verlagerung von Problemen kann keiner wirklich Interesse haben.
Eine elementare gemeinsame Forderung für Europa wäre auf jeden Fall die Entkriminalisierung von Konsumenten. Eine weitere europäisch orientierte Initiative sehe ich nun in den CSC. Auch darin liegt eine Stärke dieser Idee. Ziel sollte es sein, innerhalb Europas diese Idee bekannt zu machen und sich untereinander zu verknüpfen. Ebenso gehört diese Idee politisch ins Europaparlament. Wie dies zu bewerkstelligen ist, darüber müssten wir uns verständigen.

Deutschland
Global denken, vor Ort handeln. Alt, dieser Spruch, trifft aber auch hier zu. Doch was sind die Bedingungen für CSC in unserem Land?
Juristisch wären offene Türen da. Dabei könnte man sich auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes von 1994 beziehen. Das BtmG sieht auch folgende Punkte vor:
§ 29 (5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.
§ 31a BtMG: Absehen von der Verfolgung
(1) Hat das Verfahren ein Vergehen nach § 29 Abs. 1, 2 oder 4 zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre, kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht und der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt. Von der Verfolgung soll abgesehen werden, wenn der Täter in einem Drogenkonsumraum Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch, der nach § 10a geduldet werden kann, in geringer Menge besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein.
§ 10a BtMG: Erlaubnis für den Betrieb von Drogenkonsumräumen
(1) Einer Erlaubnis der zuständigen obersten Landesbehörde bedarf, wer eine Einrichtung betreiben will, in deren Räumlichkeiten Betäubungsmittelabhängigen eine Gelegenheit zum Verbrauch von mitgeführten, ärztlich nicht verschriebenen Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt wird (Drogenkonsumraum).

Konkrete Probleme allerdings sind:
Das Absehen von der Strafe geschieht in Deutschland, indem der Staatsanwalt auf eine Klage verzichtet. Polizeiliche Ermittlungen müssen trotz Aussicht auf Straffreiheit weiterhin erfolgen. Im Gesetz wird immer von einer „geringen Menge“ gesprochen, was bei einem gemeinsamen Hanfanbau verständlicherweise nicht der Fall ist. In Spanien sieht das Gesetz Straffreiheit vor, wenn Hanf in begrenzter Weise zum Eigenbedarf angebaut wird. Diese Möglichkeit ist im bestehenden deutschen BtmG nicht vorgesehen. Das Betreiben eines Drogenkonsumraumes ist für „Betäubungsmittelabhängige“ vorgesehen, was bei potentiellen CSC-Mitgliedern nicht der Fall wäre.

Politisch sieht es leider noch schwieriger aus:
Ein Vorstoß der Partei „Die Linke“ für CSC in Deutschland scheiterte an CDU, FDP und SPD. Gerade die Blockadehaltung der SPD ist beschämend katastrophal. Drogenpolitisch unterscheiden sich die Jünger Brands kaum noch von der konservativen Konkurrenz. Doch sollte das nicht zu resignierenden Pessimismus verleiten. Es gibt in der Drogenpolitik prägnante Beispiele von Veränderungen. So waren Spritzentausch und das Betreiben von Drogenkonsumräumen ursprünglich kriminalisiert, da sie als eine Förderung des Drogengebrauches gewertet wurden. Inzwischen gehören sie zu den wesentlichen Standards einer kompetenten Drogenhilfe. Noch grundsätzlicher verlief die Debatte zur medizinischen Heroinvergabe. Gerade die bürgerlichen Parteien verweigerten sich einer versachlichten Debatte. Doch dann forderten sogar Polizeipräsidenten und Landespolitiker der CDU ein Umdenken. Mit Beharrlichkeit, Lobby-Arbeit und Ausdauer gelang es, die Heroinvergabe gesetzlich umzusetzen.
Von den Parteien ist es im Moment vor allem „Die Linke“, die sich für eine neue Ausrichtung der Drogenpolitik stark macht. Frank Tempel, drogenpolitischer Sprecher, setzt sich persönlich für das Modell CSC auf politischer Ebene ein. Bündnis 90/Die Grünen vertreten auch kritische Positionen zur derzeitigen Drogenpolitik. Hier ist Harald Terpe der drogenpolitische Sprecher.
Doch auch an einer anderen, wesentlichen Seite wurde hier das Thema angesiedelt, nämlich bei der Menschenrechtspolitik. Tom Koenigs, Mitglied des Deutschen Bundestages und Vorsitzender des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, veröffentlichte das Thesenpapier: „Der Drogenkrieg lässt sich nicht mit militärischen Mitteln gewinnen – wir müssen ihn mit Entkriminalisierung beenden“. Darin heißt es u.a.: „Der globale Krieg gegen die Drogen ist auch ein Kreuzzug gegen die Menschenrechte. Die Prohibition von Drogen wird als eine der größten Sinnlosigkeiten der Neuzeit in die Geschichte eingehen. Die gesamte Drogenwirtschaft von der Produktion über den Handel bis zum Konsum muss aus trüben Schatten geholt, entkriminalisiert und staatlich reguliert werden. Nur das kann der Drogenkriminalität die entscheidende die ökonomische Grundlage entziehen.“ Dies klingt geradezu wie eine Blaupause für CSC! Auch die Piraten stehen Modellen zur Regulierung offen gegenüber, jedoch verlieren sie derzeit an politischen Einfluss.

Was folgt aus der Analyse?
Schwerpunktträger der CSC-Idee müssen zivilgesellschaftliche Träger werden, also Gruppen, Verbände, Einzelpersonen.
Es sollten CSC gegründet werden mit der Absicht, für die Umsetzung der Idee zu streiten.
Es braucht gezielte, kontinuierliche und kompetente Öffentlichkeitsarbeit. Die Argumente für CSC müssen „unters Volk“.
Es braucht Lobbyarbeit. Journalisten, Wissenschaftler, Prominente sollten als Unterstützer geworben werden.
Auch die Politik muss mit unseren Argumenten immer wieder konfrontiert werden. Langfristig brauchen wir Befürworter in allen Parteien. Es gibt Anknüpfungspunkte, wo auch SPD, FDP und CDU angesprochen werden können, so bei den sicherheits- und gesundheitspolitischen Aspekten.
Grundsätzlich sind alle demokratischen Parteien perspektivisch potentielle Partner.
Ausgenommen sind rechtsradikale Gruppen und Parteien, weil diese dem demokratischen Selbstverständnis der CSC nicht entsprechen.
CSC sollte zu einer gesamteuropäischen drogenpolitischen Initiative anwachsen. Grenzüberschreitende Kontakte, Erfahrungsaustausch und gemeinsame Aktionen sind anzustreben.

Und ich möchte, da ich vom aktuellem Stand und der nahen Zukunft geredet habe, mir nun den Luxus erlauben, phantasievoll über die nächsten Jahre zu schauen. Sollte sich die Vernunft durchsetzen, und davon möchte ich einfach mal ausgehen, und sich CSC als Regulierungsmodell für psychoaktive Hanfprodukte durchsetzen, dann wären wir in der Lage, wertvolle Erfahrungen zu sammeln, die dann auch für Regulierungsmodelle weiterer illegalisierter Drogen nutzbar gemacht werden könnten.
Und es gibt die Schwachstelle im CSC-Modell, dass dieses allein im begrenzten Raumumfang, also regional, funktioniert. Der globale Schwarzmarkt würde vermindert, aber nicht durchbrochen. Doch wenn die gesetzlichen Grundlagen erstritten wurden, dann gäbe es auch die Möglichkeit, das CSCs direkt mit Cannabis-Bauern vor Ort, sagen wir Marokko, Nepal oder Mexiko, Verträge geschlossen werden könnten, um eine Versorgung zu sichern. Fair-Trade – Hanf, das ohne Zwischenhändler und kriminelle Strukturen, transparent für die Behörden und mit guter Qualität den Konsumenten erreicht. Dies wäre ein sehr großer Schritt zum Abbau von Gewalt, Korruption und Kriminalität, hin zu mehr Sicherheit, sozialer Gerechtigkeit, Gesundheit und Demokratie.
CSC ist eine demokratische Initiative, die auch auf Stärkung der Demokratie gerichtet ist. Mit diesem Selbstbewusstsein sollten wir dann auch an die Sache herangehen.

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