Montag, 1. Juli 2013

Ein Cannabis Social Club der ersten Stunde

Die Redaktion zu Besuch beim „Ganjazz Art Club” in San Sebastian

Micha und Iker im angeregten Gespräch – Foto: exzessiv.tv

Die Bewegung der spanischen Cannabis Social Clubs ist im Baskenland besonders stark. Einer der größten Clubs, der „Ganjazz Art Club“ in San Sebastian, kann sogar auf drei positive Gerichtsurteile bezüglich der Club-Aktivitäten seit 2009 verweisen, die man sich auf der Homepage www.ganjazz.es im Original anschauen kann. Trotzdem agieren die Clubs weiterhin in einer Art Grauzone, weil es keinerlei genaue gesetzliche Regelung bezüglich Anbau und Weitergabe gibt. In Spanien ist in Sachen Cannabis alles legal, solange es nicht öffentlich stattfindet und sich niemand daran bereichern möchte.
Um uns selbst mal ein Bild von solch einem Club zu machen, haben wir dem „Ganjazz Art Club“ in San Sebastian einen Besuch abgestattet. Der Club residiert in den Parterre-Räumen eines unauffälligen Wohnhauses und ist von außen nicht als solcher zu erkennen, lediglich ein kleines Schild sagt uns, dass wir hier richtig sind. Eigentlich dürfen nur Clubmitglieder die Räume betreten, doch für das Hanf Journal macht Iker, der vorrangig den Papierkrieg für Ganjazz regelt, eine Ausnahme. Beim Betreten des Clubs schlägt uns ein angenehmer Duft entgegen, der jedoch rein ätherischen Ursprung hat, denn Rauchen ist in den gesamten Räumlichkeiten verboten. Im übersichtlich eingerichteten Leseraum, der umfangreiche Literatur zum Thema Hanf bereit hält, steht den Clubmitgliedern ein Vaporizer zur Verfügung; wer rauchen möchte, möge dies bitte in den eigenen vier Wänden tun.


O.G. KUSH, gut gelagert

Neben dem Leseraum gibt es noch einen extra Raum für Patienten sowie den Abgaberaum, der uns natürlich am brennendsten interessiert. Ganz im Stile einer kalifornischen Dispensary steht dort eine junge Dame mit weißem Kittel und fungiert als Herrin der Dosen mit Namen wie „Bubba Kush“, „Chocolope” oder „Cheese“. Neben den zahlreichen Grassorten gibt es auch Cannabis-Tinkturen, Cannabis-Extrakt auf Olivenölgrundlage oder das von vielen Krebspatienten bevorzugte „Rick Simpson Öl“. Nach der kurzem Führung durch den Club setzen wir uns zusammen mit Iker ins Büro, um ihn ein wenig über seine zweifellos interessante Tätig auszufragen.

Hallo Iker
I:Hallo

Seit wann gibt es den Ganjazz Art Club?
I:Wir sind jetzt seit fast 10 Jahren hier in San Sebastian. Anfänglich hatten wir nur eine Hand voll Mitglieder, mittlerweile sind es über 500.

Wow, das ist eine Menge. Kann bei Euch jede/r einfach so Mitglied werden?
I:Nein, man muss mindestens 21 Jahre alt sein, aber weil wir so viele Mitglieder haben, nehmen wir seit einer Weile nur noch Leute auf, die 25 oder älter sind. Außerdem muss uns jedes neue Mitglied von einem aktuellen empfohlen werden, sozusagen für sie oder ihn bürgen. Patienten nehmen wir ohne Empfehlung, die müssen nur eine Empfehlung vom Arzt mitbringen.

Wie müssen wir uns das denn jetzt konkret vorstellen mit dem Gras? Gibt Euch jedes Mitglied einen Samen, den ihr dann anbaut und den Mitglied nach der Ernte den Ertrag gebt? Schließlich seid ihr ja nicht kommerziell?
I:Nein, das wäre bei über 2000 Mitgliedern zu viel Verwaltungsaufwand und einfach chaotisch. Wir berechnen Anhand des Bedarfs unserer Mitglieder den Bedarf an Cannabisblüten und bauen dementsprechend an.

Wie wird der Bedarf denn vorher festgestellt?
I:Wenn man bei uns eintritt, muss man vorher sagen, wie viel man im Monat ungefähr raucht, isst oder vaporisiert. Die Grenze unsererseits liegt bei 60 Gramm pro Person im Monat. Mehr tut auch in meinen Augen auf keinen Fall gut. Wir setzten uns ja auch primär für einen verantwortungsvollen Umgang mit Cannabis ein. Wer mehr braucht, braucht eher eine Beratung. Die vermitteln wir auch sehr gerne, schließlich birgt auch Cannabis so seine Tücken, wenn man das Maß verliert.


Blüten, noch am Stamm – Foto: exzessiv.tv

Werden die 60 Gramm von allen Mitgliedern ausgereizt?
I:Nein, viele kommen nur ein- oder zweimal im Monat und holen sich was für einen schicken Abend oder eine Party. Es gibt aber auch Patienten, die mehr als die 60 Gramm im Monat brauchen, die stimmen das dann mit ihrem Arzt ab. Aber die 60 Gramm nutzt kaum eines der Mitglieder ohne medizinische Indikation.

Sind denn alle Mitglieder am Anbau beteiligt?
I:Nein, wir haben ein festes Team von 12 Leuten, die sich um den Anbau kümmern. Ihr könnt ja selbst ausrechnen, wie viel wir bei 500 Mitgliedern so ungefähr growen müssen, ich will da keine Zahlen nennen. Solche Dimensionen haben wir uns anfänglich nicht vorstellen können. Aber es läuft bestens, zur Erntezeit können sich die Mitglieder dann als freiwillige Erntehelfer verdingen, was auch viele tun.

Kannst Du uns ein paar Details zum Grow verraten?
I:Wir bauen Indoor und Outdoor an, wobei ich mich an dieser Stelle noch einmal herzlich bei Dinafem Seeds bedanken möchte. Wir nutzen größtenteils Dinafem Samen und sind mit den Ergebnissen mehr als zufrieden. Unser Club baut an drei Locations hier in der Gegend an, zweimal Indoor und einmal draußen. Wir versuchen uns gerade an CBD reichen Sorten, weil unsere Patienten danach verlangen. Gedüngt wird ausschließlich mit Bio-Dünger und zur Schädlingsbekämpfung setzen wir keinerlei Pestizide oder Insektizide ein. Das Gras ist 100% Bio und wir versuchen auch immer, möglichst verschieden Strains anzubauen, so dass unserer Mitglieder eine reiche Auswahl an Wirkungsspektren haben. Ob wir mit Stecklingen oder mit Samen arbeiten ist von vielen Faktoren wie Sorte, Bedarf oder Umgebung abhängig, wir nutzen beide Techniken. Unsere Grower sind allesamt erfahren und mit Herz bei der Sache, ich denke deshalb gibt es in unseren Pflanzräumen auch kaum Probleme, dafür aber viele dicke Buds.

Und anderweitig? Wie sieht es mit Problemen bezüglich der Staatsmacht aus?
I:Die ignorieren uns. Mit Ausnahme der Prozesse, die allesamt für uns ausgingen, sind wir für die nicht existent. Als ob es uns nicht gäbe, ich rechne aber eigentlich ständig mit deren Besuch. Wir bewegen uns eben in einer rechtlichen Grauzone, haben aber mittlerweile einen guten Ruf und viele Patienten im Rentenalter. Es bleibt auf jeden Fall spannend diesbezüglich.


Ein Growraum, ganz legal – Foto: exzessiv.tv

Wie läuft das mit der Abgabe an die Mitglieder?
I:Wie schon erwähnt muss jede/r ihr/seinen monatlichen Bedarf angeben. Den kann man dann hier kaufen, wobei ein Gramm Indoor sechs, ein Gramm Outdoor 4,50 Euro kostet, egal welche Sorte. Für Patienten kostet es pro Gramm 1,50 Euro weniger. Wir zahlen dafür auch ganz normale Umsatzsteuer, ganz ignoriert werden wir also doch nicht. Bei uns ist alles transparent, wir dürfen ja als Club auch keine Gewinne erwirtschaften und können das jederzeit auch beweisen. Wir arbeiten Kosten deckend, wenn was übrig ist, wird das in die Vereinsarbeit investiert. Wie es sich gehört. Wir betrachten uns selber als eine Art Nicht-Regierungsorganisation, die aktiv eine neue, rationale Drogenpolitik gestaltet, weil der Staat den letzten Schritt hier nicht gehen will. Ich denke, wenn es in Deutschland und/oder Frankreich auch eine breite Bewegung und erste Erfolge gibt, wird es in der ganzen EU bald solche Clubs geben. Wir sind auch Mitglied bei ENCOD und uns sehr bewusst, dass das Thema Cannabis Social Clubs langfristig auf europäischer Ebene gelöst werden muss.
Welche Sorten habt ihr denn heute so im Angebot?
Zur Zeit haben wir täglich zwischen 10 und 15 Sorten im Angebot. Heute sind es unter anderem „Bubba Kush“, „Chocolope“, „Purple Misty“, „OG Kush“, „Grape Fruit Crunch“, „Cheese“, die restlichen Sorten und das Outdoor Weed sind heute schon ausverkauft.
Abends sind viele Sorten oft ausverkauft, wir haben ja eigentlich schon geschlossen. Außerdem bieten wir immer die bereits erwähnten Cannabis-Tinkturen und Öle sowie ab und zu mal Gebäck an.

Was wünscht Ihr Euch für die Zukunft?
I:Wir wollen endlich vollkommen legal anbauen und kiffen können und die rechtliche Grauzone verlassen. Dann könnten wir unsere Zusammenarbeit mit Medizinern und Universitäten auch intensivieren, weil dann echte wissenschaftliche Arbeit möglich wäre. Aktuell haben wir in Zusammenarbeit mit der Uni in Bilbao eine wissenschaftliche Studie mit 100 unserer Patienten am Laufen. Solche Dinge würden wir gerne größer gestalten, woran uns die Prohibition allerdings noch hindert.
Ähnlich verhält es sich beim Anbau. Auch da würden wir gerne intensiver forschen können, was jedoch zur Zeit aufgrund der Rechtslage auch in Spanien nur sehr bedingt möglich ist.
Ansonsten möchten wir einfach an die letzten 10 Jahre anknüpfen, in denen wir schon so Einiges erreicht haben.


Ein Growraum, ganz legal – Foto: exzessiv.tv

Super. Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft von Ganjazz.
I:Ich danke. Grüße an die Leser/innen in Deutschland. Auch bei Euch ist die Zeit reif für Cannabis Social Clubs.

Lest zum Thema Cannabis Social Clubs auch den Artikel von Pfarrer Michael Kleim auf Seite 21 der aktuellen Sonderausgabe zur Hanfparade.

 

 

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