Mittwoch, 27. März 2013

Erhöht Cannabiskonsum das Unfallrisiko?

Untersucht wurde der Zusammenhang zwischen Unfalltoten und legaler medizinischer Verwendung von Cannabis. In Staaten mit solchen Gesetzen gab es eine Abnahme der Unfalltoten um 9 % und eine Reduzierung der Bierverkäufe um 5 %

Autor: Dr. med. Franjo Grotenhermen

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Franjo Grotenhermen ist Vorstand und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin

THC kann die Wahrnehmung, die psychomotorische Leistungsfähigkeit, das Denken und die Emotionen beeinflussen, was alles dazu beitragen kann, dass das Risiko für einen Verkehrsunfall erhöht wird. Nach Alkohol sind Schlafmittel und THC bzw. THC-Abbauprodukte die häufigsten Substanzen, die im Blut von Verkehrsteilnehmern gefunden wurden, die in einen Unfall verwickelt waren.

In einer großen Studie in den USA war das Vorkommen von THC oder seiner Abbauprodukte im Blut oder Urin mit einer Zunahme von unsicherem Fahrverhalten um 29 % verbunden. Autofahrer, die Cannabis konsumiert hatten, machten also etwas häufiger Fehler im Straßenverkehr als Fahrer ohne Drogennachweis. Bei Autofahrern, bei denen mehr als 0,5 Promille Alkohol im Blut nachgewiesen wurde, nahm das unsichere Fahrverhalten gegenüber nüchternen Fahrern allerdings um 101 % zu. Alkohol führte also wesentlich häufiger zu Fehlern im Straßenverkehr.

Personen, die unter dem Einfluss von Cannabis am Straßenverkehr teilnehmen, ist bewusst, dass sie eine etwas schlechtere Leistungsfähigkeit aufweisen und versuchen dies durch ein entsprechendes Verhalten zu kompensieren. Wo sie das können, kompensieren sie diese Beeinträchtigung, beispielsweise indem sie nicht überholen, indem sie langsamer fahren oder sich stärker konzentrieren, wenn sie wissen, dass sie in einer bestimmten Weise reagieren müssen. Dagegen fehlt Fahrern unter Alkoholeinfluss häufig diese Selbstkritik. Eine solche Kompensation ist allerdings nicht immer möglich, wenn Autofahrer beispielsweise mit unerwarteten Ereignissen konfrontiert sind, beispielsweise ein plötzliches starkes Bremsen des vorausfahrenden Fahrzeugs.

Eine Möglichkeit das Unfallrisiko zu untersuchen, sind so genannte Verursacherstudien. Dabei wird geschaut, wer von den in einen Unfall verwickelten Personen, den Unfall verursacht hat, und wer ihn nicht verursacht hat. Vom Alkohol wissen wir, dass die Verursacherrate sehr hoch ist, Autofahrer mit Alkohol im Blut finden sich wesentlich häufiger bei den Unfallverursachern als bei den Personen, die einen Unfall nicht verursacht hatten. Die beiden größten bisher durchgeführten Verursacherstudien haben die Bedeutung von Alkohol als den wichtigsten Faktor bei der Verursachung von Verkehrsunfällen bestätigt.

In einer großen Verursacherstudie, die in Australien mit 3398 tödlich verunglückten Autofahrern durchgeführt worden war, erhöhte der Nachweis von Alkohol über einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille das Risiko für die Verursachung eines Unfalls und das sechsfache. Der Nachweis von THC erhöhte das Risiko für die Unfallverursachung um den Faktor 2,7, wobei eine THC-Blutkonzentration von weniger als 5 ng/ml das Risiko leicht verringerte, während eine THC-Konzentration über 5 ng/ml im Blut das Risiko um den Faktor 6,6 erhöhte.

In einer französischen Studie mit 9772 Autofahrern, die in einen Unfall verwickelt waren, bei denen mindestens eine Person getötet wurde, erhöhte Alkohol das Risiko für die Unfallverursachung um den Faktor 8,5 und THC im Blut das Risiko um 1,8. Bemerkenswerterweise waren auch geringe Alkoholkonzentrationen im Blut von unter 0,5 Promille bereits mit einem erhöhten Risiko von 2,7 verbunden. Das bedeutet, dass der Nachweis von THC im Blut von Autofahrern mit einem geringeren Unfallrisiko verbunden war als der Nachweis selbst geringer Alkoholkonzentrationen. Bei sehr hohen Alkoholkonzentrationen von mehr als 2 Promille erhöhte sich das Unfallrisiko um den Faktor 40.

Nach einer Übersicht aus dem vergangenen Jahr erhöht akuter Cannabiskonsum das Risiko für Verkehrsunfälle nur um den Faktor 2, weit unter dem Risiko durch Alkohol, das bei etwa 6 bis 8 liegt. Es gibt Hinweise, dass Autofahrer, die vom Alkohol- zum Cannabiskonsum wechseln ihr Unfallrisiko reduzieren. Eine erste solche Untersuchung wurde in den USA durchgeführt. In dieser Studie wurde der Zusammenhang zwischen den Gesetzen zur medizinischen Verwendung von Cannabis und Unfalltoten untersucht. In Staaten mit solchen Gesetzen gab es eine Abnahme der Unfalltoten um 9 % und eine Reduzierung der Bierverkäufe um 5 %. Es wäre also möglich, dass in diesen Staaten mehr Cannabis und weniger Bier konsumiert wurde, was die Zahl der Verkehrstoten merklich reduzierte.

Es gibt auch eine Anzahl von Untersuchungen, die den Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und anderen Unfällen, beispielsweise im Beruf oder zuhause untersucht haben. Die Ergebnisse lassen keinen klaren Schluss zu. So untersuchte im Jahr 2006 eine amerikanische Arbeitsgruppe bei 2161 verletzten Personen, die im Krankenhaus behandelt werden mussten, ob Cannabis die Unfallrate erhöht hatte. In dieser Studie war Cannabiskonsum in den vorausgegangenen 7 Tagen mit einem leicht reduzierten Unfallrisiko verbunden, während der Konsum anderer illegaler Drogen und Alkohol mit einem erhöhten Risiko assoziiert war. Demgegenüber fand eine andere Gruppe von Wissenschaftlern im Jahr 2003 ein leicht erhöhtes Risiko für Cannabiskonsumenten einen Unfall zu erleiden, der einen Krankenhausaufenthalt notwendig machte. Cannabis erhöhte in dieser Studie das Risiko für verletzungsbedingte Krankenhausaufenthalte bei Männern geringfügig um 28 % und bei Frauen um 37 %.

Zusammengefasst erhöht akuter Cannabiskonsum das Unfallrisiko im Straßenverkehr. Allerdings ist Alkohol ein wesentlich bedeutenderer Risikofaktor für Unfalltote und Verletzte. Ob andere Unfälle, wie beispielsweise Verletzungen durch Stürze im Haushalt und Beruf, durch Cannabis vermehrt auftreten, ist dagegen unklar und fraglich.

Dr. med. Franjo Grotenhermen ist Mitarbeiter des nova Institutes in Hürth bei Köln und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM).

 

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