Dienstag, 5. Februar 2013

Ein Besuch in den Heiligen Hallen von World of Seeds

Schöne, grüne Welt

Autor: ESG

Afghan Kush
Afghan Kush

Wenn Rheuben die Tür zu seinem Growroom öffnet, leuchten seine Augen. Mit einem fast verliebten Lächeln lässt er seine geöffneten Hände über die Pflanzen streichen, die unter 600 Watt-Strahlern um die Wette blühen. Leise surren die Ventilatoren, die mächtige Abluft ist so weit herunter geregelt, dass man sie kaum noch hört. „100% organischer Anbau, 100% reguläre Mütter“, sagt er leise und riecht an einer Mazar Kush, deren mächtige Hauptblüte den würdigen Abschluss einer schönen Pflanze bildet. Und doch ist es nicht die Blüte, an der Rheuben interessiert ist. „Abfallprodukt“, nennt er das. Es sind vielmehr die inneren Werte der Blüte, die es ihm angetan haben, denn Rheuben ist Chef-Breeder von World of Seeds. Wenn er erntet, dann sind es Cannabis-Samen, und er hat uns eingeladen, im 15. Jahr des Bestehens der Samenbank einmal hinter deren Kulissen zu schauen.
im ersten Teil blicken wir auf die Entstehungsgeschichte und die Philosophie, die hinter World of Seeds stehen, im zweiten Teil, der in unserer “Sonderausgabe Growing” Anfang April erscheinen wird, beleuchten wir dann den technischen Teil der Produktion.


Einer der Anzuchträume

Mit Skunk #1 fing alles an

Im zarten Alter von 16 Jahren machte Rheuben an der Ostküste Spaniens seine ersten Erfahrungen mit Cannabis. Auf der heimischen Terrasse zog der heute 34-Jährige seine ersten Skunk #1 von Sensi Seeds hoch. „Dass meine Mutter schon damals ab und an gerne mal einen Joint geraucht hat, hat schon sehr geholfen, die Erlaubnis für das Projekt zu bekommen“, erinnert sich Rheuben an die Anfänge zurück. Doch die beste elterliche Erlaubnis nützt nichts, wenn die Nachbarn nicht mitspielen wollen. „Plötzlich stand die Polizei vor der Tür. Nachbarn hatten mich angezeigt.“ Anstatt seinem Sohn aber die Leviten zu lesen und dem Spuk in seinem Haus ein Ende zu bereiten, baute Rheubens Vater seinem Sohn den ersten Growschrank aus Holz, Schrauben und Leim. Kaum ein halbes Jahr nach dem Outdoorversuch stand somit einer Indoor-Karriere nichts mehr im Weg. „Mit 18 bin ich dann regelmäßig nach Holland geflogen, habe dort das beste Weed und das beste Hasch meines Lebens geraucht und wusste: Das willst Du zu Hause auch haben. So habe ich mich in Holland mit Samen eingedeckt und habe angefangen, Erfahrungen zu sammeln“, berichtet Rheuben, während er ein paar braune Blättchen von einer Strawberry Blue zupft. Schon wenig später versorgte er Freunde und Bekannte mit Samen, die es so auf dem Markt nicht zu kaufen gab. „Damals interessierten mich ausschließlich reguläre Rassen, die so nah wie möglich an den originalen Landrassen waren“, erinnert sich Rheuben.


Mazar Kush

1999 – die Gründung

Als er im Jahr 1999 eine beachtliche genetische Kollektion und teilweise spektakuläre Eigenkreuzungen vorweisen konnte, beschlossen er, seine Mutter und sein Bruder, das Hobby auf stabile Füße zu stellen und gründeten die Seedbank World of Seeds. „Mein Bruder war für den operativen Teil zuständig, ich selber für den produktiven, und unsere Mutter hat uns damals finanziell unter die Arme gegriffen, wofür ich ihr unendlich dankbar bin. Ohne sie hätte es World of Seeds nie gegeben“, denkt der 34-Jährige zurück.
Die Marschrichtung war damals noch idealistisch verklärt: „Ich wollte nur reguläre Sorten anbieten, die entweder reine Landrassen darstellten oder auf Kreuzungen mit Landrassen basierten“, erklärt der gelernte Kfz-Mechaniker, während er das Leuchtmittel einer der 600-Watt-Lampen austauscht. „Die Leute sollten sich ihre eigenen Samen herstellen und selbst kreuzen und züchten können.“
Es war die Afghan Kush, mit der World of Seeds erstmals in der damals noch sehr überschaubaren Szene der Samenbanken von sich reden machte, durch die man auf die Spanier aufmerksam wurde und womit man den ersten großen Erfolg feierte. „Damals war ich noch überzeugt davon, vom Verkauf regulärer Landrassen und Hybriden leben zu können“, sagt er heute mit einem bitteren Lächeln. Die derzeitige Entwicklung auf dem Markt hin zu feminisierten Automatikpflanzen schmeckt ihm überhaupt nicht. „Aber wenn man mit dem, was man macht, eine Familie ernähren möchte, dann muss man anbieten, was der Kunde nachfragt“, gibt er zu bedenken.


NLXBB

Zwei Jahre Überlebenskampf

Die ersten zwei Jahre musste World of Seeds ums Überleben kämpfen, weil die Nachfrage nach regulären Samen mit der Veröffentlichung des ersten feminisierten Strains schlagartig zurückging. „Wir standen kurz vor dem Abgrund und mussten uns etwas einfallen lassen“, beschreibt Rheuben die damalige Situation und entlässt eine Schar Raubmilben in die Freiheit. Pestizide bekommen seine Pflanzen in ihrem ganzen Leben nicht einmal zu sehen. „Ich musste lernen, dass die Masse unserer Kunden überhaupt nicht kreuzen oder züchten will, sondern sich nur ihr eigenes Gras ziehen und dabei so wenig Männchen wie möglich im Schrank stehen haben möchte, im besten Fall gar keins“, gibt er zu. Im Selbststudium paukte Rheuben also die Grundlagen der Feminisierung, die damals noch auf Gibberellinsäure-Basis funktionierte, und macht seine ersten Versuche mit einer Matanuska Tundra x Chronic, die er aber nie auf den Markt brachte. Ein Jahr später hatte er die Technik perfektioniert und stellte die Amnesia vor, die sich sofort durchsetzte. Klar, dass nun auch die Automatisierung angegangen wurde, und mit der Afghan Kush Ryder befand sich wenig später ein Strain im Bestand, der unabhängig von der Fotoperiode mit der Blüte beginnt. Der Markt hatte was er wollte. Das verschaffte dem Unternehmen Luft zu expandieren, auf der Suche nach einzigartiger Genetik in die entlegensten Winkel der Erde zu reisen und einige spektakuläre Kreuzungen zu entwickeln, die aus den heutigen Growrooms und -Schränken nicht mehr wegzudenken sind. Die Strawberry Blue oder die Afghan Kush sind mittlerweile ebenso legendär wie die Chronic Haze oder die Mazar Kush. Neben all den feminisierten und automatisierten Strains, die bei World of Seeds im Schrank stehen, besteht aber noch eine kleine, aber sehr feine reguläre Linie exquisiter Landrassen, von der sich der bedächtig wirkende Spanier auch nicht trennen wird.


Space

Über 60 verschiedene Genetiken

Heute stehen Mütter und Väter von über 60 verschiedenen Genetiken in den Tresoren der Bank. Die Produktion der Samen findet dezentral statt und wird von zehn verschiedenen Growern übernommen. „Die Vorteile liegen auf der Hand: Fällt eine Anlage mal aus oder ist von Viechern befallen, ist nicht gleich die ganze Produktion in Gefahr, sondern es kommt höchstens mal zu einem Engpass bei einem bestimmten Strain – wenn überhaupt“, erläutert Rheuben. Die Grower arbeiten dabei alle nach den Standards des Chefs. „Ich kontrolliere die Grows regelmäßig auf 100% ökologischen Anbau, auf Sauberkeit, Schädlinge und Pilzbefall und führe diesbezüglich auch ein strenges Regiment. Schlampereien oder Nachlässigkeiten in der Produktion dulde ich nicht, das bin ich meinem eigenen Anspruch an Qualität und meinen Kunden schuldig, die viel Geld für unsere Seeds zahlen“, sagt Rheuben nachdrücklich und man sieht in seinen fast schwarzen Augen, dass das nicht nur leere Worte sind.
Fragt man ihn nach seinen Visionen für die Zukunft, nach seinen Wünschen, verklärt sich sein Blick. Dann lehnt er sich in seinem Schreibtischstuhl zurück und die Stimme wird weich. „Ich möchte wieder ein bisschen zurück zu den Anfängen“, sagt er.
„Ich möchte mich in Zukunft wieder auf reinerbige Rassen und die Kreuzung reiner Landrassen konzentrieren. Mein größter Traum, an dem ich konsequent arbeite, ist aber, längst verloren geglaubte Rassen wieder zurückzuholen.“ Sprichts, schaltet den Computer aus und geht dahin, „wo ich mich am wohlsten fühle – in meinen Growroom“.

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