Samstag, 5. Januar 2013

Schämen alleine reicht nicht

Warnung: Das Bundesgesundheitsministerium verursacht Schmerz und Leid

Da is’ einem zum Heueln, wau?

Was bisher geschah: Ein MS-Patient, der seit 12 Jahren vor Gericht für den legalen Erhalt seiner Cannabis-Medizin klagt, steht 2010 kurz davor, die Erlaubnis zum Eigenanbau von der Bundesopiumstelle zu bekommen. Die Krankenkasse hatte sich jahrelang geweigert, die Therapiekosten zu übernehmen, sei es für Dronabinol oder für natürliches Cannabis. Die Mitarbeiter der Bundesopiumstelle wollten dem Patienten eigentlich schon eine Genehmigung zum Eigenanbau ausstellen. In letzter Minute schritt das Bundesgesundheitsministerium in Person von Ministerialdirektor Dr. Erhard Schmidt ein und verpasste den verantwortlichen Mitarbeitern und somit dem Patienten eine Abfuhr.

In einem internen Schreiben hieß es damals: „Es wird gebeten, im vorliegenden Verfahren nunmehr unverzüglich einen Widerspruchsbescheid zu erlassen. Um rechtzeitige Vorlage des Entwurfs des Widerspruchsbescheids vor Abgang wird gebeten. Die Zwecke des BtMG (notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung bzw. im vorliegenden Fall des Klägers) gebieten hier nicht die Erlaubniserteilung.“ 2011 hatte das Verwaltungsgericht dann Köln das Schreiben von Dr. Schmidt im Prinzip für rechtswidrig erklärt, da die vom Kläger getroffenen Sicherungsmaßnahmen ausreichend seien und die Bundesrepublik durchaus beim Suchtstoffübereinkommen einen Ermessensspielraum habe. Deshalb sei der Antrag unter diesen genannten Gesichtspunkten neu zu prüfen. Gegen dieses Urteil ist das Bundesgesundheitsministerium selbstredend in Berufung gegangen, MS hin oder her, schließlich geht es hier um Grundsätzliches.

Die Zeit bis zur Berufung wurde zudem geschickt genutzt, um hinter den Kulissen den Cannabis-Deal des Jahres einzufädeln: Die AOK übernimmt die Kosten für das Dronabinol, ein Halbfertig-Präperat auf Cannabisbasis, um dem Gericht einen Ausweg zu eröffnen, die Anbaugenehmigung in zweiter Instanz nun doch nicht zu erteilen. Genau so ist es dann auch am 7.12.2012 geschehen. Die Klage von Michael F. wurde abgewiesen, ohne eine Möglichkeit der Revision oder der Berufung. Leider ist dabei der Patient und Kläger vollkommen aus dem Blickfeld der Verwaltungsrichter geraten. Dronabinol hilft ihm nämlich gar nicht.

„Es (Dronabinol) ist zu schwach und Michael kann es aber auch nicht weiter steigern, da es ihn völlig unruhig und hektisch macht und nur als Ergänzung zu Cannabis ok ist.“ , kommentiert die Frau von Michael F. das Urteil gegenüber dem Hanf Journal. Doch ob ihm die Kostenübernahme überhaupt gegen die Symptome der Krankheit hilft, war nicht ausschlaggebend. Für das Gericht ging es viel mehr darum, dass SCM-Mitglied nicht als Sieger eines Musterprozesses dastehen zu haben. Hätte nämlich Herr F. die Ausnahmegenehmigung bekommen, wäre das ein Zeichen für viele gewesen, denen es ähnlich geht.

Natürliches Cannabis enthält weitaus mehr unterschiedliche Cannabinoide als die im Labor hergestellten Tropfen, die Wirkungsweise ist jedoch noch weitestgehend unerforscht. Sehr viele Patienten berichten genau wie Herr F. über die nicht zufriedenstellende Wirkung von Dronabinol und bekommen deshalb per Sondergenehmigung „echtes“ Gras aus niederländischen Apotheken – zu unerschwinglichen Preisen. Übernimmt die Krankenkasse bei Dronabinol wenigstens ab und zu die Kosten, so gibt es bislang keine Patienten mit einer Ausnahmegenehmigung für natürliches Cannabis, deren Medizin bezahlt wird. Zudem sind die niederländischen Hanfblüten oft nicht verfügbar. So weichen viele Patienten weiterhin auf den Schwarzmarkt aus.

Die Gründe hierfür sind fast so mannigfaltig wie das Anwendungsspektrum von Cannabis: Der Eine bekommt das genehmigte Dronabinol nicht bezahlt, die Andere bekommt erst gar kein Rezept, weil der Arzt schlecht informiert oder/und voreingenommen ist. Der Dritte hat eine Ausnahmegenehmigung, aber kein Geld für die Blüten. Die Vierte verträgt Blüten besser als das bereits genehmigte Dronabinol und will den Papierkrieg mit der Bundesopiumstelle vermeiden, und beim Fünften ist die Apotheke nicht in der Lage, die Medizin zu beschaffen, denn auch das ist kompliziert. Der Sechste verträgt selbst das natürliche Cannabis von Bedrocan aus den Niederlanden auf Dauer nicht und zieht eine eigene Sorte vor. Denn auch Bedrocan kann zur Zeit nur drei Sorten züchten, die in den USA bei Patienten beliebten und hoch wirksamen „Kush“-Sorten sind nicht dabei.

Für Patienten wie Michael F. ist das Urteil ein Desaster, denn nach 12 Jahren gerichtlicher Auseinandersetzung ist er immer noch nicht mit der Medizin versorgt, die er braucht und kann sich jetzt kaum noch gerichtlich dagegen wehren. Aber auch andere Patienten, die wie Günther Weiglein einen Antrag auf Eigenanbau gestellt haben, schauen jetzt in die Röhre. Herr Weiglein wartet nun seit fast zwei Jahren auf die Bearbeitung seines Antrags zum Eigenanbau. Während der gesamtem Zeit war er nicht ausreichend mit Medizin versorgt. Oft hat das Geld nicht gereicht.

Bei monatlichen Behandlungskosten von über 1000 Euro ist dies nicht verwunderlich. Mehrfach gab es auch einfach keine Lieferung, weil die Kapazitäten in den Niederlanden kaum ausreichen um deutsche Cannabispatienten mit zu versorgen. „Es geht ja hier nicht um einen Nachbarschaftsstreit wegen dem Maschendrahtzaun. Ich habe zur Zeit sehr starke Schmerzen. Im Winter ist das besonders schlimm. Das ist jetzt bereits der zweite Winter, der vergeht, ohne dass meine Sache entschieden wird. Aber nach diesem Richterspruch sehe ich auch für mich schwarz. Meine Hoffnungen setze ich jetzt auf meinen eigenen Prozess oder optional, sollte ersteres nicht hinhauen, auf den Schwarzmarkt.“

In einem Land, in dem echte Gesundsheitspolitik wirtschaftlichen und politischen Interessen so offensichtlich untergeordnet wird, läuft offensichtlich etwas sehr schief. Daniel „Lieber bekifft ficken als besoffen Auto fahren“ Bahr hätte als Bundesgesundheitsminister die ganze Schmierenkomödie stoppen können, doch auch er verfügt nicht über das schon vielen FDP-Politikern abhanden gekommene Körperteil: Ein Rückgrat. Schämen alleine genügt nicht, Herr Bahr.

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