Mittwoch, 1. August 2012

Worte statt Taten

Ohne eigene Meinung

Ganze viereinhalb Minuten nahm sich unsere Bundeskanzlerin Zeit, sich zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate mit dem Thema Cannabis auseinander zu setzen. Der Deutsche Hanf Verband hatte für sein Anliegen der Cannabis-Legalisierung online 152.000 Stimmen und somit die zweitmeisten im Rahmen des „Zukunftsdialogs“ erhalten.
Frau Dr. Merkel empfing die 20 Teilnehmenden am 3.Juli im Bundeskanzleramt bei Schnittchen, Kaffee und Kuchen in entspannter Atmosphäre, um sich dann ganze 270 Sekunden Zeit pro Nase zu nehmen.
In den folgenden Tagen gab es dann das erwünschte Presse-Echo und nach zwei Wochen war der Zukunftsdialog wieder Geschichte. Denn ein echter Dialog kann schwerlich nur viereinhalb Minuten dauern, also war wohl den meisten Teilnehmenden vorab klar, dass es sich bei dem großartig angekündigten Austausch mit dem Volke um eine PR-Kampagne handelte, bei der Internet-Affinität, die Bürger/Innennähe und Merkels offenes Ohr für die Anliegen von Minderheiten im Fokus der folgenden Medienmeldungen stehen sollten.
Georg Wurth als Vertreter des DHV hatte sogar fast ein wenig Glück, weil die Kanzlerin versprochen hat, dass sich „medizinische Experten“ der Sache noch einmal annähmen, auch wenn sie selbst gegen eine Freigabe unter strengsten Jugendschutzrichtlinien sei. Einigen der teilweise radikal (die Islamhasser) oder kaum realisierbar (GEZ abschaffen) wirkenden Themen erteilte Merkel eine kategorische Absage.
Ihr erster YouTube-Auftritt Anfang des Jahres war wohl ob ihrer Unwissenheit zum Thema Hanf so peinlich, dass ihr geraten wurde, sich dieses Mal nicht zu Details zu äußern, sondern den DHV mit Aussicht auf eine Expertenrunde zu „befrieden“. Denn eines ist auch der Kanzlerin mittlerweile bewusst: Die Cannabisgemeinde würde bei der nächsten Kanzlerinnen-Aktion im www wieder vorne mitmischen.
Kurzum, die Radikalen und die Wirren wurden freundlich abgewimmelt, der Rest wurde mit unverbindlichen Zusagen und ein paar freundlichen Worten nach Hause geschickt.

Bild Dir mal ’ne Meinung, Mutti!

Frau Dr. Merkel hatte jedoch ausreichend Zeit, sich vorzubereiten, um sich wenigstens selbst mal eine Meinung zu bilden, die nicht auf den Erkenntnissen ihrer Mitarbeiter oder denen von 1985 beruht, nachdem sie schon einige Monate zuvor auf youtube durch öffentlich zur Schau gestelltes Halbwissen geglänzt hatte. Jemanden zu einem Gespräch einzuladen, ohne sich ordentlich vorzubereiten, gilt in den meisten Kreisen als unhöflich. Sie hätte dem DHV auch schriftlich mitteilen können, dass sie keine Lust habe, sich persönlich mit dem Thema auseinander zu setzen und es deshalb an Frau oder Herrn Soundso, wer immer das auch sei, weiterleite. Dann hätte der DHV wenigstens einen Ansprechpartner für die Zukunft (des Dialogs?).
Der fade Beigeschmack des Kanzlerinnen-Monologs wird durch die Auftragsvergabe im Bundespresseamt komplettiert: Der Berliner Justizsenator und Merkel-Freund Thomas Heilmann hat am Zukunftsdialog kräftig mitverdient, wie der Stern in seiner aktuellen Ausgabe berichtet.

Der Zukunftsdialog und die 26. Änderung des BtmG (siehe Kommentar auf Seite 23) sind die neusten Eier, die im drogenpolitischen Nest von Schwarz/Gelb vor sich hinfaulen. Beide sind ein Symbol für den Unwillen der Regierung, wenigstens einmal hinzuhören, wenn es um die Gesundheit und Kriminalisierung von Millionen geht. Denn sowohl das Cannabisverbot als auch die neuen Legal High Verbote bereiten den Boden für immer mehr, unbekannte und gefährlichere Substanzen, deren Hersteller und Wiederverkäufer sich jetzt schon goldene Nase verdient haben. Völlig legal und anscheinend mit dem Segen von Schwarz/Gelb, die mit dem Bann der 27 neuen Substanzen wieder nur die Spitze des Eisbergs getroffen haben, obwohl das Problem längst bekannt ist:
Unsere Redaktion hat genau 20 Sekunden gebraucht, um drei weiterhin frei verkäufliche, synthetische Cannabinoide zu finden, die auch schon vor der 26. Änderung erhältlich waren.

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