Dienstag, 3. Juli 2012

Ihr Kiffer der Welt, schaut auf dieses Land!

Es gibt einen Landstrich, ganz tief im Südosten, mit Bergen und Wäldern, dort stehen die Hanffreunde mehr denn je auf verlorenem Posten. Die Rede ist von Bayern, das schon in der Weimarer Republik als „Ordnungszelle des Reiches“ negativ auffiel und dieses Image noch heute allzu gerne pflegt.

1924 war’s, als die Wochenzeitung „Weltbühne“ den Lesern davon abriet, dort Urlaub zu machen, wo unliebsame Fremde die ganze Willkür des Polizeiapparates zu spüren bekommen: Man reist selbst in Afrika bequemer und gefahrloser als in Bayern – ganz abgesehen von der dort herrschenden Zivilisation. Diesen Satz schrieb Kurt Tucholsky neun Jahre vor der Machtergreifung der Nazis – eine Warnung, die angesichts des skandalösen bayerischen Polizei- und Justizfilzes leider heute noch Gültigkeit hat. In keinem anderen Bundesland werden Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz härter bestraft, nirgends gibt’s mehr Polizeiwillkür als im schönen Bayern – dem Nordkorea Deutschlands.


Wer nicht wie ein Bayer aussieht, ist nach bajuwarischen Verständnis ein Alien, wer anders denkt und fühlt, ein preußischer Spion oder osmanischer Aufrührer. „Mia san mia, und die Bundesrepublik sind die anderen“, das posaunen die geeinten Volksstämme Bayerns in die Welt – und die Friesen verstehen kein Wort. Diese Selbstgefälligkeit des seit Menschengedenken von der CSU regierten Freistaates haben wir dem Föderalismus zu verdanken – zum Nachteil der Bundesländer oberhalb des Waiswuàschd-Äquators. Für die ist nämlich das fortwährende Diktat aus Franz-Joseph-Land der Hemmschuh auf dem Weg in die nächste Zivilisationsphase. Bestes Beispiel ist das Polit-Theater um die „Herdprämie“, das die Alt-Herren-Riege der CSU allen deutschen Muttis ins Dekolleté stecken will, damit die brav daheimbleiben und das vaterlose Einzelkind bis zur Einschulung stillen. Aus testosterongesteuerter Männersicht ist das natürlich eine feine Sache, wenn Vater Staat den Hurenlohn zahlt, und nichts erfreut den Staubsaugervertreter mehr als eine gelangweilte und an den Herd gekettete Hausfrau und Mutter.


Oh ja, unter dem weißblauen Firmament Bayerns ticken nicht nur die Uhren, sondern auch die Menschen anders. Der General-Dummschwätzer der CSU zum Beispiel, Alexander Dobrindt, macht keinen Hehl daraus, dass ihm die Schweinegrippe aufs Gehirn geschlagen ist, wenn er mal wieder die LINKE als Verfassungsfeinde diffamiert und bundesweit verbieten lassen will. Dieser Evergreen ist Musik in den Ohren der bayerischen Strafverfolgungsbehörden, die nichts wissen wollen von braunem, wohl aber von rotem Terror – schließlich führen Ermittlungen nach links nicht gleich zu landesweiten Massenverhaftungen. Die Staatskanzlei in München ist die Brutstätte jener Polit-Strolche, die es in den Bierzelten von Hof bis Passau exzellent verstehen, mit Stammtischparolen aus überzeugten Nazis zeitweise lupenreine Christdemokraten zu machen. Da wird dann auch nicht mehr viel nachgedacht, sondern gejohlt und mit den Füßen getrampelt, wenn Innenminister Hermann mit einem vom vielen Saufen und Fressen rotglühenden Schädel in den Saal brüllt, dass die bairische Staatsräson in ganz Germanien gilt. Ob Vorratsdatenspeicherung, Zensur des Internets oder Verschärfung des Drogenkriegs, aus dem Hause Seehofer sprudeln nur so die kruden Ideen für einen deutschen Überwachungs- und Repressionsstaat, wie ihn sich noch nicht einmal die Nazis erträumt haben.

Doch es gibt noch ein anderes Bayern, und zwar das, das uns von Postkarten anlächelt und dem braven Deutschen vorgaukelt, dort sei die Welt noch in Ordnung. Und tatsächlich, auf den ersten Blick sieht man nur glückliche Menschen, die auf ihre Tradition achten, mit Stolz ihre Sprache pflegen und gottesfürchtiger sind als der Papst – der obendrein der ihrige ist. Hier gilt noch das Recht der Herkunft, und die Selektion in Herr und Knecht beginnt bereits bei der Geburt, spätestens aber nach der vierten Grundschulklasse. Und das trägt Früchte, denn wer unterm Kirchenkreuz gebeugt aufwächst und von morgens bis abends den lieben Gott grüßt, der wird kein böser Kommunist, Kiffer oder Salafist, sondern dankbarer Diener dessen, was ihn am Leben hält – und das sind seit jeher Klerus und Feudalherren. Der Islam wird nie zu Bayern gehören, und wenn doch, dann haben sich die orientalischen Heiden längst im Wirtshaus bei Weißbier und Schweinshaxe assimiliert. Keine Frage, wer sich den kulturellen Zwängen fügt, Gesetz und Ordnung befolgt und vielleicht noch den Dorfpolizisten oder einen Bezirksstaatsanwalt kennt, der führt ein ruhiges und sicheres Leben im Freistaat Bavaria.


Polizei und Justiz halten derweil schützend den Knüppel über dieses Paradies und sind sofort zur Stelle, wenn irgendwo ein Gartenzwerg aus dem Blumenbeet verschwindet, ein Rastamann am Hauptbahnhof München aussteigt oder der Staatsfeind Nr. 1 Hans Söllner auf einer Provinzbühne die Gitarre stimmt. In Bayern kennt man halt seine Pappenheimer, und wer nicht spurt, der bekommt die ganze Härte polizeilicher Willkürmaßnahmen zu spüren. Immer wieder berichtet die von der bajuwarischen Politik und Justiz gefürchtete „Süddeutsche Zeitung“ von regelrechten Exzessen und Gewaltorgien bayerischer Polizeibeamter, die ohne Sinn und Verstand selbst auf hilflose Personen eindreschen. Wie zuletzt die Rosenheimer Cops, die eine ganze Familie in den eigenen vier Wänden überfallen und misshandelt haben sollen, nur weil die keine Auskunft über ihren Nachbarn geben konnten und obendrein die Frechheit besaßen, nach den Hundemarken der Zivilbeamten zu fragen. Auch der Leiter der Rosenheimer Polizeiinspektion soll gerne mal selbst Hand anlegen. Doch laut Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft hat sich der Rambo in Uniform wohl nur an einem Minderjährigen vergriffen, was nach bayerischem Verständnis nur eine zulässige Züchtigung Schutzbefohlener ist. In Passau dagegen kann es einem erwachsenen Radler schon mal passieren, dass er mitten in der Nacht von zivilgekleideten Polizisten, die wie Gangster aussehen, in voller Fahrt vom Drahtesel gestoßen wird, um ihn anschließend eine Anzeige wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt reinzuwürgen. Selbst schuld, der arme Kerl, er hätte wissen müssen, dass es in Passau dank der emsigen Polizei keine Gangster gibt, und wenn doch, dann sehen diese eben wie Polizisten aus. Auch in München gibt es ein abonniertes Opfer bayrischen Polizeiterrors.

Nahezu täglich wird ein 27-jähriger Mann von den Freunden und Helfern auf offener Straße sexuell belästigt, weil es den Staatsbütteln offenbar den perversen Spaß bereitet, den wegen eines Btm-Deliktes aktenkundigen Mann im Intimbereich zu betatschen. Doch nicht nur Kinder, Behinderte, Männer und Greise bekommen aufs Maul, nein, auch Frauen müssen um ihr Leben bangen, wenn sie wie eine Aschaffenburger Lehrerin bei einer nächtlichen Verkehrskontrolle an einen sadistisch veranlagten Staatsbeamten geraten. Trauriger Höhepunkt bayerischer Polizeigewalt sind jedoch die zwölf Schüsse auf einen 24-Jährigen in Regensburg, der 2009 mit einem Haushaltmesser bewaffnet und in selbstmörderischer Absicht den Beamten zurief: „Schießt doch!“ Ja, und die taten ihm den kleinen Gefallen und deklarierten das Trommelfeuer auf den Musikstudenten als Notwehr. Das Gericht gab den verbeamteten Todesschützen selbstverständlich Recht, schließlich verharrt unsere Justiz in dem Irrglauben, Polizisten seien grundanständig, rechtstreu und stets glaubwürdig.


Das wirkliche Ausmaß bayerischer Polizeigewalt lässt sich nur erahnen, denn Strafanzeigen gegen gewalttätige und korrupte Polizisten führen in seltensten Fällen zum Erfolg, so dass viele Opfer auch aus Angst vor weiteren Repressalien das an ihnen verübte Schwerbrechen auf sich beruhen lassen. Der Fehler liegt im bundesdeutschen Rechtssystem, denn wenn die Staatsanwaltschaft in den eigenen Reihen ermittelt, dann hackt eine Krähe der anderen nun mal kein Auge aus – und schon gar nicht in Amigo-Land. Und so bleibt es eben nicht aus, dass der Freistaat die Kleinen besonders hoch hängt, während man die Großen selbstverständlich laufen lässt. Denn eines darf bei der Betrachtung des bayerischen Wesens nicht übersehen werden: Polizeigewalt und Justizfilz dienen dazu, den Normalbürger mit Ängsten klein zu halten, damit die Reichen und Schönen ungeniert leben und sich bei Bedarf darauf verlassen können, dass ihre Missetaten gegen Zahlung eines Bußgeldes aus der Portokasse weitgehend ungesühnt bleiben. Bestes Beispiel dafür ist das missratene Söhnchen des jüngst verstorbenen Medienmoguls Leo Kirch, der 2002 wegen des Besitzes der nicht unerheblichen Menge von 140 Gramm Haschisch vor dem Amtsgericht München stand und gegen Zahlung von 20.000 Euro auf Bewährung freikam. Die Presse wurde erst eine Stunde vor Prozessbeginn darüber informiert, welcher Millionenerbe sich da unter Ausschluss der Öffentlichkeit als vermindert schuldfähig darstellte und mit diesem Deal auch durchkam.

Für den weitgehend unbehelligt kiffenden Saupreiß ist und bleibt Bayern eine No-Go-Area. Umso größer ist das Mitgefühl für unsere Brüder und Schwestern drunten in Bavaria, die tagtäglich mit einem wuchtigen Keulenschlag eines moralisch völlig verwahrlosten und hochgradig menschenverachtenden Justizsystems rechnen müssen. Und das, obwohl die bayerischen Hanffreunde ihre Heimat nicht minder lieben und wie alle Bajuwaren unendlich traurig sind, wenn die Meisterschale der Fußballbundesliga im preußischen Dortmund Patina ansetzt.

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Wegen Besitzes von einem Gramm Cannabis abgeurteilt – Hanfjournal
7 Monate zuvor

[…] für diese in Bayern äußerst schwerwiegende Straftat war Geldknappheit. Der Angeklagte verfügt nur über ein […]