Donnerstag, 31. Mai 2012

Rolys Silberscheiben des Monats Juni 2012

Quantic & Alice Russell: Look Around The Corner
tru thoughts

Die im Herbst 1999 gegründete Plattenfirma Tru Thoughts aus Brighton hat sich durch ihre konsequente Ausrichtung auf Qualitätsmusik zwischen Funk, Jazz und Soul vom Geheimtipp zu einem international beachteten Vorreiter neuer Sounds gemausert. Quantic ist der Künstlername des Briten Will Holland, der sich seit gut zehn Jahren mit dem Quantic Soul Orchestra um eine modernisierte Wiederbelebung des Souls der 60er und 70er verdient gemacht hat, aber auch Jazz und Latin in seine musikalischen Exkursionen mit einbezieht. Im April hat er nun mit der britischen Soul-Sängerin Alice Russell, die auch schon zuvor auf seinen Alben zu hören war, die mitreißende Platte „Look Around The Corner“ veröffentlicht, die er mit einigen Gästen im hauseigenen Sonido del Valle-Studio in seiner kolumbianischen Wahlheimatstadt Cali aufgenommen hat.
Die beiden Seelenverwandten Quantic & Alice Russell mischen hier Soul und Blues, Gospel und Folk mit Latin-Stilen von Salsa bis Bossa und dem unnachahmlichen Swing von Quantics berühmter Formation Combo Bárbaro zu einer melodisch-dynamischen Melange. Alleine für den himmlischen Tango/Reggae/Jazz-Song „I’d Cry“ gehört das Album in jeden Haushalt. Doch auch der glänzende Titelsong, das flötige „Here Again“, das charmante „Magdalena“, „I’ll Keep My Light in My Window” mit seiner orchestralen Extra-Dosis Soul sowie der südamerikanische Western-Soundtrack „Similau“ wirken durch den Wechsel zwischen Entspannung und Energie. „Sing to me of your sadness and tell me of your joy.”
Tropisches Teil.

www.quanticandalice.com
www.tru-thoughts.co.uk

Various (A RBG Production): Eccentric Soul Vol.13
numero group

Das Label aus Chicago hat sich seit seiner Gründung im Jahre 2003 zum Auftrag gemacht, die Archive nach vergessenem Soul und Funk aus den 60ern und 70ern zu durchforsten. Die Gutmenschen von Numero Group sorgen immer wieder für Überraschungen, wenn sie ganze Labelkataloge wieder her- und vorstellten. Im 13. Teil der großartigen Serie „Eccentric Soul“ holen die Jungs das schwarze Gold in Form von 19 Schmuckstücken aus der Garage des in Washington aktiven Produzenten Robert Hosea Williams, dessen persönlichste Trackproduktionen hier versammelt sind. „A Red Black Green Production“, so der Untertitel, verweist auf den unberührten Soul eines ganz speziellen Labels. Hier fallen himmelhohe Falsetto-Spitzen in Psychedelic-Soul-Untiefen, während Rare Grooves und harmonieverliebte Seelenwanderungen sich geschmackvoll ergänzen.
Die glänzenden Soulperlen kommen von liebevollen Bands wie Father’s Children, Summits, The Exceptions (feat. Mark Greene), Skip Mahoney & The Casuals, The Excitements, Dyson’s Faces, East Coast Connection und The Promise. So lässt das Label Numero Group erneut interessierte Menschen an ihren entdeckten Schätzen teilhaben und holt sich damit zum inzwischen 13. Mal eine Verdienstnadel um das phonographische Erbe der USA ab. Inklusive Booklet mit vielen Insidergeschichten und Hintergrundinformationen liefert die qualitativ hochwertige Compilation 69 glückliche, leidenschaftliche Minuten für Rare-Groove-Liebhaber.
Eine sehr inspirierende Herzensangelegenheit.

www.numerogroup.com
www.grooveattack.com

Orbital: Wonky
acp recordings

Die beiden Brüder Paul und Phil Hartnoll hatte ich irgendwie überhaupt nicht mehr auf dem Schirm, dabei waren sie doch neben Underworld die wichtigsten Protagonisten des britischen Früh-90er-Ravebooms – unvergessen ihre Top-Singles „Chime“ (1989), „Satan“ (1991) und für mich persönlich besonders „Lush 3“ (1993). In der Zwischenzeit haben Orbital wohl an unzähligen Soundtracks (zu Filmen und Spielen) und getrennten Projekten gearbeitet. Seit 2009 spielen sie wieder Konzerte, und nachdem sie im Herbst letzten Jahres auf ihrer Webseite mit dem charmanten Teaser „Never“ ihren neuen Longplayer ankündigten, erschien nun mit „Wonky“ ihr achtes Album plus gleichnamige Single (Feat. Lady Leshurr) samt Video für Katzen-Liebhaber. Mit dem herrlich epischen Soundtrack-Moment „One Big Moment” eröffnen die beiden Briten ihr energetisches Werk.
Neben dem pumpenden „Straight Sun“ gefallen mir vor allem die Synthiepop-Hymne „New France“ mit der berauschenden Stimme von Zola Jesus, das Melancholie schleppende „Distractions”, die glitzernde Detroit-Hommage „Stringy Acid“ und das finale, im Klang für die Band so typische „Where Is It Going“. Das Comeback bedient sich an klassischen Orbital-Trademarks und kontemporären Sounds. Acht Jahre nach ihrer letzten Platte („Blue Album“) haben Orbital ein erwartungsgemäß gutes Händchen für Dramaturgie und brillieren einmal mehr mit ihrer berühmten und zutiefst emotionalen Melodiösität.
„Wonky“ gibt’s wohl auch als Doppel-CD mit fünf, live in Australien eingespielten Klassikern.
Superb.

www.orbitalofficial.com
www.ada-music.co.uk

Visioneers: Hipology
bbe records

Drum’n’Bass-Liebhaber erinnern sich immer wieder gerne an ihn. Zusammen mit „Dego“ (als Tom & Jerry und legendäres Duo 4 Hero) und ihrem wegweisenden Label Reinforced nahm der Londoner Produzent in Sachen Breakbeat und Jungle eine Pionierrolle ein. Hinter den „Visioneers“ steckt nun ebenfalls Mark Anthony Clair, besser bekannt als Marc Mac (Manix war auch super), der sich nie von Genregrenzen fesseln ließ und mit seinem Studio-Projekt auch hier das große Ganze im Auge hat. „Hipology“ ist nicht nur der Name seines neuen Albums, für ihn ist es ein musikalischer Lebensentwurf. Denn Hip Hop ist nur die Basis, an der er sein umfassendes Downbeat-Verständnis und die soulig-jazzige Electronica anknüpft, für die man ihn immer geliebt hat. Das vorliegende Werk kommt im Stil eines Mixtapes daher und enthält einige Kollaborationen mit namhaften Künstlern.
Neben entspannten Tunes wie „Back In Time“ (feat. Baron & TRAC), „Come And Play In The Milky Night“, „Swahililand”, „Shine” (feat. John Robinson & Jimetta) oder „Rocket Man” (Afrolatin Joint) gibt’s auch eine gute Dosis Funk mit „Shaft In Africa“ (Addis), „Jungle Green Outlines“ und „Ice Cream On My Kicks“ – meine Nummer 1 ist das oldschoolige „Apache” (Battle Dub) – High Quality!
– Im Juni erscheinen via BBE Records übrigens auch die wundervoll groovige Compilation „Snowboy presents New Vintage“ mit 22 Hits zwischen Rockabilly, Swing, Funk, Mambo oder Rock’n’Roll sowie Mathias Stubøs selbstbetiteltes Album, welches den Hörer durch unglaublich intensive Klangwelten führt.

www.hipology.org
www.bbemusic.com

Stereo Total: Cactus Versus Brezel
staatsakt

Seit mittlerweile 19 Jahren bespielt das Traumpaar des intelligenten Trash-Humors die Bühnen dieser Welt von Potsdam bis Mexiko-City. Stereo Total sind der internationale Hit-Kiosk um die Ecke, in dem es für ein paar „Eurofünzig“ immer eine bunte Tüte Gemischtes für uns gibt. 1993 von Brezel Göring (früher: Sigmund Freud Experience) und Françoise Cactus (zuvor: Lolitas) in Berlin gegründet, spielten sie sich mit ihrer eklektischen Stilmelange aus Chanson, Rock’n’Roll, Punkrock, DAF-Sequenzern, kosmonautischen Synthies und 8-Bit-Amiga-Sampling auf 12 Langspielern und diversen Singles in die Herzen der Fangemeinde. Ich glaube, ich kam im Herbst 2001 durch ihr schrilles Album „Musique Automatique“ mit den zwei in Berührung. Nachdem Stereo Total in der Vorab-Single den Status der „Frau In Der Musik“ klar definiert haben („eine Hure in der Küche / eine Köchin im Bett“), rappelt es nun auf ihrem 11. Studioalbum „Cactus Versus Brezel“ wieder ordentlich im Karton.
Es gibt 60ies-Beat mit Erfolgsgarantie („Jaloux de mon succss“), ein raffiniertes Lied über Popart („Pixelize me“), „Ein Lied für Vegetarier“, eins für Alice Schwarzer („Das Monstrum“), ein Outing als „Nympho-Maniaque“ und den B-Movie-Soundtrack „Ich will Blut sehen“. Kaum zu glauben, mit welch dauerhafter infantiler Begeisterung und ohne einen Anflug von Müdigkeit die beiden ihr Ding durchziehen.
Charismatisch, frankophil und durchgeknallt wie immer liefern Stereo Total hier ein dreisprachiges Hit-Album für das metrosexuell-orientierte Landei in uns allen.

www.stereototal.de
www.staatsakt.com

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