Montag, 5. März 2012

„Marihuana hat viele heilende Kräfte“

Ein Interview mit Aidonia

Griechische Archäologen kennen Aidonia durch ein umfangreiches Gräberfeld aus mykenischer Zeit, Reggae- und Dancehall-Liebhaber dagegen assoziieren damit wohl eher einen Künstler der neuen Generation, der die jamaikanische Streetculture und ihre Hustler repräsentiert wie nur wenige andere und sich dennoch mit seinem harten, polarisierenden Stil und seiner lyrischen Versiertheit von den unzähligen New Faces der Insel abhebt. In einem Interview dürfen wir mehr erfahren …

Das letzte Mal warst du 2010 auf Europa-Tournee, wie ist es für dich wieder hier zu sein?
Es ist toll. Ich liebe Europa. Die Menschen hier haben eine große Leidenschaft für Reggae und Dancehall Music, das schätze ich sehr. Ich freue mich einfach hier zu sein und vor so einem großartigen Publikum aufzutreten. Mir ist die Kälte egal. (lacht)
Auf Jamaika ist es anders, da kann das Publikum schon manchmal etwas schwierig sein. Die Leute sind zu sehr an die Musik und an uns Artists gewöhnt, so dass man ihnen kaum noch etwas bieten kann. Hier sind die Leute von Anfang an voller Energie und verbreiten tolle Vibes.

Du hast einige Jahre in New York bei deinem Vater gelebt…
Ja, das war in den späten 90ern. Ich bin damals zwischen New York und Jamaika gependelt.

Hast du dort auch Musik gemacht?
Klar, dort habe ich sozusagen richtig angefangen. In der High School bewegte ich mich noch auf einem ganz anderen Level. Erst in New York habe ich angefangen richtig aufzutreten. Dort habe ich erst das Selbstbewusstsein entwickelt mich auf die Bühne zu stellen.
Vor einigen Jahren hast du mit einigen Freunden JOP (Jag [=Jah A Guide] One Production) gegründet, erzähl mir bitte etwas darüber.
JOP ist quasi eine Firma oder eine ganze Bewegung. Wir sind ein Label, produzieren Musik, vertreiben Merchandise … Gleichzeitig haben wir viele Artists in unserem Camp. In Zukunft haben wir auch geplant unsere eigene Kleidermarke zu kreieren.
Die Geschichte von JOP begann in den 90ern, als ich noch zur High School ging. Mit JOP habe ich angefangen Musik zu machen. Ich habe seitdem viel gelernt und konnte durch JOP in Kontakt mit anderen Künstlern kommen, von denen ich mir eine Menge abgucken konnte. Seit damals dreht sich mein ganzes Leben nur um die Liebe zur Musik.

Auf Jamaika passiert gerade ziemlich viel. Nach dem Skandal um die ehemaligen Premierminister Bruce Golding hat es bei den Wahlen Ende letzten Jahres einen Machtwechsel gegeben. Glaubst du, dass sich dadurch etwas ändern wird?
Ich denke schon, dass sich einige Dinge ändern werden, schließlich sind jetzt andere Politiker an der Macht. Die Frage ist nur, ob es sich zum Besseren oder zum Schlechteren verändern wird. Ich hoffe natürlich, dass sich die Dinge zum Besseren wenden werden. Die Bevölkerung braucht einen Wandel, denn es gibt zu viele, denen es schlecht geht und die kaum über die Runden kommen.
Die Jugendlichen haben als Vorbilder nur Politiker und uns Artists. Wir brauchen ein besseres System, in dem jeder die Chance hat im Leben etwas zu erreichen, Geld zu verdienen und ein guter Mensch zu sein. Ich habe den Eindruck, dass Portia Simpson-Miller (Jamaikas neue Premierministerin, die schon einmal 2006 im Amt war) Gutes für unser Land tun wird. Sie war damals nur ein Jahr im Amt, aber ich bin mir sicher, dass sie in den letzten Jahren viel dazu gelernt hat.

Du hast gerade gesagt, dass viele Jugendlichen zu euch Artists aufsehen. Wie siehst du dabei deine Rolle im Speziellen?
Ich mache meinen Job und Teil meines Jobs ist es den Youths zu zeigen, was gut und richtig ist. Ich singe Gangster Lyrics, Girls Lyrics, Culture Lyrics etc. Ich singe Songs über alles Mögliche, doch wenn die Zeit gekommen ist, liegt es bei mir als Künstler den Leuten den richtigen Weg zu zeigen.
Unity is strength. Man wird im Leben nichts erreichen, wenn man nicht hart dafür arbeitet. Dabei ist es wichtig, sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Es ist wichtig positiv zu denken, auch wenn die Zeiten schwer sind. Gewalt und Waffen sind dabei niemals die Lösung, egal um welches Problem es geht. Die Welt verändert sich, nicht immer zum Besseren, aber man sollte trotzdem stets versuchen das Beste aus jeder Situation zu machen. Ich bin fast jeden Tag im Studio und arbeite hart, denn ich will in meinem Leben etwas erreichen. Jeder Mensch hat ein Talent. Man muss es nur erkennen und etwas daraus machen.

Wenn du der Auffassung bist, Gewalt sei niemals eine Lösung, warum singst du dann so viele Gangster Tunes?
Ich singe über die Dinge, die mich umgeben. Ich mache Songs über Sachen, die ich täglich sehe, über das Leben auf Jamaika. Hinzukommt, dass sich solche Tunes einfach gut verkaufen. Für uns Artists geht es nun einmal darum Hits zu produzieren. Doch wenn wir sehen, dass Menschen auf die schiefe Bahn geraten, ist es an uns sie wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Nur weil ich Gangster Lyrics singe, heißt das nicht, dass ich ein Gangster bin.


“Das Ganjaverbot ist keinesfalls richtig”

Ganja zu rauchen ist illegal in Jamaika, Deutschland und vielen anderen Ländern auf der Welt. Findest du, dass das so bleiben sollte oder sollte Marihuana unter strengen Jugendschutzbestimmungen legalisiert werden?
Meiner Ansicht nach ist es keinesfalls richtig, dass Marihuana verboten ist, denn es hat viele heilende Kräfte. Man kann die Marihuanapflanze auf unterschiedliche Art nutzen. An einigen Orten kann es bereits legal vom Arzt verschrieben werden, wenn Menschen zum Beispiel unter Appetitlosigkeit leiden. Ganja ist ein natürliches Produkt, das von Mutter Erde kommt und kann daher den Menschen viel Gutes tun. Sogar es zu rauchen hat seine guten Seiten. Es erweitert das Bewusstsein. Deshalb finde ich es falsch es zu verbieten.

Vor drei/vier Monaten hast du einen Song zusammen mit Bounty Killer aufgenommen, nachdem ihr jahrelang nicht zusammen gearbeitet habt. Was hat dich zu diesem Schritt bewogen?
Das hätten wir schon vor langer Zeit machen sollen. Ich habe eine sehr hohe Meinung von Bounty Killer. Wenn es ihn nicht gegeben hätte, würde ich heute nicht auf der Bühne stehen. In Laufe der Zeit ist viel passiert. Ich habe mich mehr auf meine eigene Karriere konzentriert, dabei aber die Verbindung zu Killer nie abgebrochen. Er hat so viel für Dancehall getan, dafür müssen wir ihm dankbar sein.
Ich denke, wir haben nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet. Gerade jetzt ist es wichtig, dass Artists sich vereinen und gemeinsam für eine Verbesserung der Umstände eintreten. Alles andere würde uns nur schaden. Bounty Killer hat mich das gelehrt. Heute stand ich auf der Bühne und habe einen Vybz Kartel Tune gesungen. Letztes Jahr noch hätte ich das nicht getan, weil wir keine Freunde sind, aber ich schätze ihn als Teil von Dancehall Music.

Warum hast du damals die Alliance verlassen?
Es war nicht so, dass ich die Alliance direkt verlassen habe. Damals gab es einige Konflikte zwischen Bounty Killer, Vybz Kartel und andern Alliance Mitgliedern. Dadurch wurde ich quasi gezwungen Dinge zu tun, die ich nicht unbedingt tun wollte. Ich respektiere Bounty Killer und ich respektiere Kartel, aber am Ende bin ich ein unabhängiger Mensch und muss meine eigenen Entscheidungen treffen.
Es hieß damals, dass ich nicht gleichzeitig mit Killer und Kartel befreundet sein kann. Ich habe dann gesagt, dass ich mit dem Streit nichts zu tun haben will, deshalb habe ich mich von beiden entfernt, aber ich habe den Link zu Bounty nie aufgegeben und ich werde auch in Zukunft weiter mit ihm arbeiten.

Danke für das Interview.

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