Donnerstag, 2. Februar 2012

Medial gehetzt

„Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich

und dann gewinnst du“*

Es ist fast wieder wie zu Anfang des Jahrtausends.

Die Zahl derer, die das Hanfverbot sowie die aktuelle Drogenpolitik für gescheitert halten, steigt von Tag zu Tag. Nicht zuletzt weil, neben den menschlichen Tragödien, auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Prohibiton immer offensichtlicher werden: Die Aufrechterhaltung des derzeitigen Systems kostet sehr viel Geld und hat keinerlei Auswirkungen auf das selbst-schädigende Konsumverhalten einiger weniger. Das hat sich auch in den Parlamenten herumgesprochen.

Linke, Grüne und Piraten sind auf dem Feld der Drogenpolitik so aktiv wie lange nicht, wobei man den Piraten zugestehen muss, dass sie als neue Partei zwar ein wenig gebraucht haben, bis sie sich positioniert haben, das dafür dann aber wenigstens eindeutig und sehr detailliert. Die deutschen Sozialdemokraten halten, anders als viele ihrer Europäischen Schwesterparteien, eisern an der rigiden Verbotspolitik fest, auch wenn die Front bei Genossinnen wie den Bundestagsabgeordneten Dr. Eva Högl und Daniela Kolbe langsam bröckelt.

Heiko Maas, Andrea Nahles, Björn Böhning oder sogar Sabine Bätzing, die als aktive Jusos noch kein Problem mit der kontrollierten Abgabe unter strengsten Jugendschutzauflagen hatten, wollen hingegen seit ihrem Aufstieg in die Führungsrige der Mutterpartei nichts mehr davon wissen. Selbst eine positive EMNID-Umfrage zum Thema „Entkriminalisierung“ hilft wenig, wenn, ähnlich wie zu Anfang des Milleniums, eine Medienkampagne ins Rollen kommt, die die längst fällige Neuorientierung in der Drogen- und Suchtpolitik zu verhindern sucht.

Denn auch in Zeiten des Internets sind die Fernseh- und Printmedien hierzulande immer noch die (Mehrheits)-meinungsbildenden und folgen, anders als das Netz, den Interessen von Unternehmen und Politik.

So finden sich auch Anfang dieses Jahres wieder haufenweise aufgewärmte oder frei erfundene Falschmeldungen zum Thema Cannabis in den Medien, die einzig und alleine darauf abzielen, eine Pflanze und deren Anhängerschaft zu diskreditieren, ohne dabei wenigstens auf die echten Gefahren eines problematischen Konsums hinzuweisen. Die Meldung der Techniker-Krankenkasse (siehe News Seite 2) ist nur die Spitze des Eisbergs.

Es wird die wissenschaftlich völlig unhaltbare These aufstellt, Cannabis habe ein höheres Abhängigkeitspotential als Alkohol. Auch die angeblich in großem Umfang von Kiffern geklauten Hortensien sind im „Winterloch“ wieder aufgetaucht. Die Hortensien-Diebe haben sich doch kurz vor Redaktionsschluss tatsächlich als Eichhörnchen entpuppt. Das wird dann auch der Grund sein, weshalb nie ein kiffender Strauchdieb auf frischer Tat ertappt wurde. Weiterhin konnte man in der Januarausgabe der „Pharmazeutischen Zeitung“ lesen, Cannabis helfe nicht gegen Rheuma, obwohl längst das Gegenteil bewiesen ist (News Seite 24). Die positive Meldung über die Stärkung der Lungenfunktion (News Seite 15) hingegen fand nur sehr wenig Beachtung und ging im komatösen Getöse rund um die Krankenkassen-Ente förmlich unter, die Meldung über eine Studie zur fehlenden Beeinträchtigung der Gedächtnisleistung (News Seite 14) war deutschsprachigen Agenturen nicht mal eine Meldung wert.

Dringt dann mal ein guter Bericht bis in die Nachrichten vor, so schafft es irgendein Redakteur, das ernste Thema „Cannabis als Medizin“ in der Vorankündigung als „Kiffen auf Rezept“ zu diskreditieren und dem ganzen Beitrag einen einigermaßen faden Beigeschmack zu verpassen. So geschehen in der Sendung „heute nacht“ vom 18. Januar 2012. Dazu kommt der tägliche kleine Horror der Lokalzeitungen, die sich besonders hervortun, wenn es um die Stigmatisierung von Cannabiskonsumenten geht. „Marcel – zehn Jahre Kiffer-Karriere“, „Cannabis führt ins Krankenhaus“ oder „Jagd auf weißen Pullover – Haschisch, Koks und Ecstasy“ sind nur drei der dumm-dreistesten Schlagzeilen der letzten Wochen.

Auf diese folgen dann in schöner Regelmäßigkeit inhaltlich nichts sagende Artikel, in denen es entweder darum geht, wie erfolgreich die Polizei bei der Jagd auf Konsumenten ist oder weshalb Cannabis viel gefährlicher sei als jemals zuvor. Dass der Konsum zudem keine Straftat darstellt, ist den meisten bei der unkritischen Jubel-Berichterstattung jedoch entgangen. Anders als bei der vom „Spiegel“ gestarteten Kampagne vor knapp zehn Jahren, geht die mediale Saat diesmal, dank des World Wide Web, nur begrenzt auf. Gerade die junge Generation weiß, wo man sich über Hanf informiert, ohne dass vorher jemand entscheidet, ob „man das so senden kann“.

Online kommen auch die Opfer zu Wort (News Seite 14), wenn es wieder mal um eine „nach langen Ermittlungen enttarnte Haschsichplantage“ geht, die eigentlich eine Dose mit vier Gramm Gras war.

Das, was unsere Medien in Sachen Informationsfreiheit dem „arabischen Frühling“ zu Gute schreiben, ist auf dem Feld der Drogenpolitik in Deutschland kaum anders: Wirklich freie Informationen gibt es nur im Netz, die großen Medienanstalten sind aufgrund der beschriebenen Verflechtungen nur bedingt in der Lage, unvoreingenommen aufzuklären.

Natürlich gibt es auch rühmliche Ausnahmen wie die „taz“ mit ihrem Blog über Drogenpoltik oder ab und an mal einen neutralen TV-Beitrag über Cannabis zu später Stunde, nichtsdestotrotz bewegen sich die meisten Beiträge ansonsten seriöser Publikationen auf Boulevard-Niveau, sobald es um den nicht problematischen Konsum illegalisierter Drogen geht.

Besonders das böse Dealermonster hat es aber sowas von verdient, dass man die gute, journalistische Kinderstube kurz vergessen und mal richtig loswettern kann, wenn mal wieder ein „Dealer“ mit 200 Gramm Hanfblüten aus seiner „Profi-Plantage“ mit einer Lampe zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Aber was soll man auch machen, wenn die Linie klar vorgegeben, durch rationale Argumente aber nicht länger haltbar ist? Ganz einfach. Propaganda.

Man könnte fast glauben, so langsam fangen sie an, uns zu bekämpfen.

*Mahatma Ghandi

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