Montag, 12. Dezember 2011

Cannabis, Führerschein und die Bielefelder Führerscheinbehörde

Bielefeld die freundliche Baustelle am Teutoburger Wald, so wird Bielefeld aufgrund seiner zahlreichen Baustellen von Einheimischen und Fremden auch genannt.

Für Cannabisfreunde, die ihren 1. Wohnsitz in Bielefeld haben, wird es aber eher unfreundlich, sobald sie mit Cannabis erwischt werden und im Besitz einer Fahrerlaubnis sind.
Bei Besitz von geringen Mengen für den Eigenbedarf kann das Strafverfahren zwar, wie vor der schwarz-gelben Landesregierung, wieder bis zu 10 Gramm durch die Staatsanwaltschaft eingestellt werden, jedes Besitzvergehen wird aber an die Führerscheinstelle gemeldet. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht schon 2002 festgestellt, dass der Besitz von Cannabis in geringen Mengen für den Eigenbedarf für sich alleine genommen keine Fahreignungszweifel begründen kann, dies hindert die neue Leitung der Bielefelder Führerscheinstelle aber nicht daran, Überprüfungsaufforderungen mit dem alleinigen Besitz von Cannabis zu begründen.
Dass dies kein „Versehen“ war, sondern die ureigene Rechtsauffassung der neuen Leiterin ist (war?) geht auch noch aus einem anderen Fall von Ende 2009 hervor, in dem diese, die Rechtslage gegenüber einer weiteren ermittelnden Behörde laut Protokoll wie folgt dargelegt hat. Zitat: (Protokoll vom 19.10.2009!)„Nach Rücksprache mit der Bielefeld zuständigen Sachbearbeiterin […] reicht bei einem Fahrzeugführer allein der Besitz von BtM aus, um eine Überprüfung der Fahrerlaubnisbehörde […] in Gang zu setzen. Ein zusätzlicher Hinweis auf den Konsum ist dazu nicht notwendig.“ Neben dieser doch recht willkürlichen Interpretation der höchstrichterlichen Rechtsprechung, werden auch verbindliche Maßgaben hinsichtlich Form und Umfang von Fahreignungsbegutachtungen regelmäßig missachtet.
Bei einem begründbaren Missbrauchsverdacht, hierzu reichen u.U. eine erneute Besitzauffälligkeit, oder auch der Besitz von mehr als 10 Gramm Cannabis, ist nach den Begutachtungskriterien eine anlassbezogene Begutachtung in Form eines ärztlichen Gutachtens anzuordnen. Bei einem Missbrauchsverdacht bei Drogen allgemein wäre demnach nur die Frage zu klären, ob Konsum von Betäubungsmitteln vorliegt, bei Cannabis zusätzlich ob der Konsum als gelegentlich oder regelmäßig einzustufen ist.
Eine weitergehende psychologische oder gar psychiatrische Fragestellung ist in den Fällen eines fachärztlichen Gutachtens verboten, da dies in unzulässiger Weise in die Persönlichkeitsrechte der Betreffenden eingreift. Die Fragestellung hat sich demnach auf die Feststellung der Konsumform zu beschränken und ist über geeignete toxikologische Untersuchungen (Drogenscreening) auf Kosten der Betreffenden anzuordnen.
Nach einem Runderlass für das Land NRW ist in diesen Fällen ein Drogenscreening anzuordnen, da bei der Blutanalyse über die THC-Carbonsäure auch die Konsumintensität bei Cannabis nach Dahldrup bestimmt werden kann und somit aus rein toxikologischer Sicht klassifiziert werden kann. Eine weitergehende psychologische oder gar psychiatrische Stellungnahme ist hierfür nicht erforderlich.
Die neue Leitung der Bielefelder Führerscheinbehörde geht hier aber ihren eigenen Weg. Völlig losgelöst von Richtlinien und Begutachtungskriterien, ordnet die Behörde in solchen Fällen eine Begutachtung über das Bielefelder „Gesundheitsamt“ an.
Die Fragestellung an die Amtsärztin wird unter Missachtung der Begutachtungskriterien auch noch global gefasst – „… liegen Fahreignungszweifel vor“ – so dass die Amtsärztin sich bei der Untersuchung auch nicht auf die Frage des Konsumstatus beschränken muss.

Wer schweigt … verliert den Führerschein!
Bei der Anordnung zum Amtsärztlichen Gutachten wird seitens der Behörde auch darauf verwiesen, dass die Fahrerlaubnis entzogen werden würde, sollte man sich gegenüber der Ärztin nicht äußern.

Ärztliche Schweigepflicht?
Nicht in Bielefeld!
Mit der Einverständniserklärung zur Begutachtung, in der auch eine Entbindung der Schweigepflicht versteckt ist und die man unterschreiben muss, entbindet man automatisch die Amtsärztin von der Schweigepflicht, so dass das Gutachten unmittelbar und ohne vorherige Kenntnis über den Inhalt an die Führerscheinstelle übermittelt wird.
Zwei Welten treffen aufeinander. Begutachtungskriterien und das Bielefelder Gesundheitsamt. Die mit der Begutachtung betraute(n) Amtsärztin(nen) haben die Kriterien zur Begutachtung offensichtlich noch nie zu Gesicht bekommen oder begutachten wissentlich außerhalb der verbindlichen Kriterien.
In einem Gutachten heißt es z.B. „Blutwerte sind unauffällig“, nachvollziehbarer Laborbericht? Fehlanzeige!„Im Urin wurden noch 43ng/ml Carbonsäure nachgewiesen.“ Verdacht auf missbräuchlichen Konsum nach Dahldrup. Laborbericht? Fehlanzeige!„Ob eine Süchtigkeit vorliegt kann nicht geklärt werden, ….. es liegt aber eine verminderte Steuerungsfähigkeit vor“

„Verminderte Steuerungsfähigkeit“
Eine Diagnose oder doch nur ein Lieblingsbegriff der Amtsärztin für Personen, die Cannabis nicht abschwören?
In einem weiteren Fall, es konnte kein aktueller Konsum von Drogen nachgewiesen werden, kommt die Amtsärztin zu folgendem sehr widersprüchlichen Ergebnis.
Zitat: „Wenngleich Herr XY sich im psychiatrischen Untersuchungsgespräch unauffällig zeigte, muss doch psychiatrischerseits von einer verminderten Steuerungsfähigkeit in Bezug auf Suchtmitteln ausgegangen werden.“ Wie die Amtsärztin zu dieser Erkenntnis kommt, ist dem Gutachten aber nicht zu entnehmen. Kann das Gesundheitsamt die Kriterien für die Begutachtung überhaupt erfüllen? Offensichtlich nicht!
In einem weiteren aktuellen Fall, hat der Anwalt des Betreffenden die Behörde im Vorfeld der Begutachtung darauf hingewiesen, dass die Fragestellung „Kann der/die Betroffene Kraftfahrzeuge sicher führen oder bestehen Eignungseinschränkungen“ zu global gefasst sei und nach den Kriterien anlassbezogen auf die Drogenfragestellung zu formulieren sei. Aufgrund der Einwände wurde die Fragestellung dahingehend abgeändert, das nur zu klären sei, ob beim Betreffenden ein Drogenkonsum vorliegt. Ferner wurde auch darauf verwiesen, dass Laborergebnisse zur Nachvollziehbarkeit des Gutachtens auch über einen Laborbericht zu dokumentieren sind.
Dieses Gutachten wurde dann von einer anderen Amtsärztin erstellt. In diesem Gutachten kommt die Amtsärztin zu dem Ergebnis, dass der Betreffende auch ohne Konsumnachweis als fahrungeeignet einzuschätzen ist. Des Weiteren nimmt die Amtsärztin zur konkreten Fragestellung wie folgt Stellung, Zitat: „Ihre Frage, ob Herr XY Betäubungsmittel einnimmt, muss deswegen über 3-4 Drogenscreenings im Urin zu den von Herrn XY nicht vorhersehbaren Zeitpunkten in der Zukunft untersucht werden. Solche Untersuchungen (CTU Kriterien 1-3 A.d.R.) bieten z.B. die technischen Überwachungsvereine an. Im Gesundheitsamt sind sie nicht durchführbar!“
Damit wäre also belegt, dass das Gesundheitsamt gar nicht in der Lage ist, die Kriterien für die Fahreignungsbegutachtung, zu der auch ein ärztliches Gutachten zählt, zu erfüllen.
Dies scheint aber in Bielefeld keine Rolle zu spielen.
Dieses Chaos und die offensichtliche Willkür in der Führerscheinstelle werden darüber hinaus auch durch die zuständige Dezernentin gedeckt.
So wies die zuständige Dezernentin 2010 eine Fachaufsichtsbeschwerde gegen die Sachbearbeiterin und die Amtsärztin zurück. Unter anderem wurde gegenüber der Dezernentin bemängelt, dass der Untersuchungsauftrag gemäß der Kriterien auf eine medizinische Befunderhebung hinsichtlich eines Drogenkonsums zu beschränken und eine psychiatrische Begutachtung daher nicht zulässig sei. Auf diesen Kritikpunkt bezogen, teilte die Dezernentin lapidar mit, dass sich die Betreffende ja gegenüber der Ärztin nicht hätte äußern müssen, obwohl in der betreffenden Aufforderung mit dem Entzug gedroht wird, falls man sich gegenüber der Ärztin nicht äußern sollte.
Demnach stellt sich die Frage, wieso nach wie vor von Seiten der Führerscheinstelle mitgeteilt wird, dass der Führerschein entzogen wird, wenn man sich gegenüber der Amtsärztin nicht äußert, obwohl die zuständige Dezernentin schon 2010 darauf verwiesen hat, dass sich die Betreffenden ja nicht äußern müssten?

Betroffen? Was tun?
Diejenigen, die von der Bielefelder Führerscheinstelle eine Überprüfungsaufforderung in Form eines amtsärztlichen Gutachtens bekommen, sollten diese über einen erfahrenen Rechtsanwalt* prüfen lassen. Zwar gibt es bekannter Maßen keine formalen Rechtsmittel gegen eine Überprüfungsaufforderung, dennoch hat ein Anwalt auch die Möglichkeit in einer „informellen Auseinandersetzung“ die entsprechenden Kriterien für die Begutachtung einzufordern.

*Die Redaktion kann bei Bedarf einen erfahrenen Anwalt empfehlen.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

Schnelles Login:

0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare zeigen