Freitag, 2. Dezember 2011

Schlecht beraten

Merkels youtube-Auftritt: Irgendwo zwischen ignorant und peinlich

Unsere Bundeskanzlerin hatte vergangenen Monat angekündigt, die zehn beliebtesten Fragen, die ihr auf youtube gestellt werden, per Videobotschaft zu beantworten.
Max Plenert vom Deutschen Hanfverband hat ihr eine Frage zum Cannabisverbot gestellt, über die man zwei Wochen lang online und unkompliziert abstimmen konnte. Und siehe da, nicht aktuelle Themen wie die Euro-Rettung oder der Mindestlohn-Spagat von Frau Merkel machen der großen und größtenteils jungen deutschen Internetgemeinde die größten Sorgen. Die Hanf-Prohibtion mit all ihren schädlichen Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und Gesundheit bereiten dem vernetzten Teil der Bevölkerung hierzulande viel mehr Kopfzerbrechen als Griechenland oder die Börse in New York. „Wie stehen Sie zur Forderung, den bestehenden Schwarzmarkt für Cannabis durch einen regulierten Markt mit Jugend- und Verbraucherschutz (Kontrolle von Qualität und THC-Gehalt)  zu ersetzen und mehr Suchtprävention über Cannabissteuern zu finanzieren?“ wurde mit überwältigendem Vorsprung auf Platz eins gewählt, woraufhin die Regierungschefin wenige Tage später die Chance nutzte, Stellung zu beziehen. Stellung in einem Graben aus längst überholten Ammenmärchen und Vorurteilen über Cannabis, die selbst viele ihrer Parteikollegen längst nicht mehr bemühen, um den gescheiterten Drogenkrieg weiterhin mit öffentlichen Geldern zu führen.

„Wir sind der Meinung, dass Cannabis als Droge eingestuft werden muss – das ist auch international so. Und das bedeutet, dass auch der Konsum von geringen Mengen sehr, sehr hohe Abhängigkeiten schaffen kann.“
zeigt, dass sich die Kanzlerin nicht ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt hatte, bevor sie geantwortet hat. Von einer Staatsfrau ihres Kalibers kann der Bürger durchaus mehr erwarten als „Es ist gefährlich, weil es verboten ist und verboten, weil es gefährlich ist“. Zudem hat Frau Merkel eine andere Frage beantwortet, als ihr gestellt wurde. Prävention, Jugendschutz, Entkriminalisierung und Regulierung sowie alle anderen Aspekte der Frage wurden einfach übergangen und durch das Schreckgespenst einer „generellen Legalisierung“ oder „Freigabe“ ersetzt. Genau diese „generelle Freigabe“ herrscht zur Zeit am Schwarzmarkt, der DHV hat genau das Gegenteil von ihr gefordert: Die Auflösung des frei zugänglichen Schwarzmarktes zu Gunsten eines regulierten Marktes mit Jugend- und Verbraucherschutz.
„Bei Alkohol und Zigaretten ist ein vernünftiger, begrenzter Umgang nicht sofort so suchtgefährdend, wie das bei Cannabis – nach unserer Auffassung – ist. Sicherlich hat gerade Alkohol auch etwas mit einer Tradition zu tun, aber in Maßen genossen ist ja Alkohol – als Ergänzung zum Essen zum Beispiel – nicht etwas, was sofort Sucht verursacht.“
Ein Suchtmediziner oder- berater würde diese Antwort falsch, verharmlosend und gefährlich nennen, andere einfach nur entlarvend.
Frau Merkel hatte sich mit dem Thema nicht einmal so weit belesen, wie sie es von ihren eigenen PR-Kräften erwartet und sich so bei allen blamiert, die auch nur ansatzweise mit der Cannabis- und Suchtpolitik vertraut sind. In solch ignoranter Form ist der indirekte Dialog mit dem Bürger nicht besonders hilfreich, sondern dient vielen als weiterer Beleg für die Bürgerferne und die Unfähigkeit unserer Bundesregierung, das „neue“ Medium Internet zu verstehen und zu nutzen.
Dabei wird eines immer klarer: In einem Land, in dem man mit rechter Gesinnung im Kopf und ausländerfeindlichen Parolen auf den Lippen weniger Gefahr läuft, mit dem Gesetz zu kollidieren, als mit einer Handvoll Hanfblüten in der Tasche, läuft etwas furchtbar falsch, Frau Merkel.

Das ganze Interview, die Frage und eine lesenswerte weil messerscharfe Analyse der Video-Antwort gibt es auf www.hanfverband.de

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