Donnerstag, 29. September 2011

Warum eine Ausnahmegenehmigung

Franjo Grotenhermen ist Vorstand und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin

Viele Patienten stellen keinen Antrag auf einer Ausnahmegenehmigung zu Verwendung von Cannabis bei der Bundesopiumstelle, weil sie sich den Cannabis aus der Apotheke nicht leisten können. Dieses, vom niederländischen Unternehmen Bedrocan hergestellte Produkt kostet in Deutschland pro Gramm durchschnittlich 16 bis 18 Euro und wird im Allgemeinen in Einheiten von 5 g von der Apotheke abgegeben. Wegen des hohen Preises können auch einige Patienten mit einer Ausnahmeerlaubnis ihren Bedarf nur zum Teil durch Cannabis aus der Apotheke decken und verwenden zusätzlich Cannabis aus anderen Quellen. Durch die Ausnahmegenehmigung sind sie aber weitgehend vor Strafverfolgung geschützt, denn eine solche Genehmigung wird nur erteilt, wenn eine Therapie mit Cannabis erforderlich ist, weil andere Therapien nicht ausreichend wirksam sind, zu starke Nebenwirkungen verursachen oder nicht zur Verfügung stehen. Das sind genau die Voraussetzungen für einen rechtfertigenden Notstand, der es einem Gericht erlaubt, einen Patienten vom Vorwurf eines illegalen Besitzes von Cannabis freizusprechen, wenn bekannt wird, dass er auch illegale Quellen nutzt. Jeder Patient, der eine Behandlung mit Cannabis benötigt, sollte daher einen Antrag bei der Bundesopiumstelle stellen, um weitgehend vor einer Verurteilung geschützt zu sein, auch wenn er nicht oder nur in geringem Maße von der Möglichkeit, Cannabis in der Apotheke zu kaufen, Gebrauch macht.

Eine ärztlich überwachte Therapie mit Cannabis bzw. einzelnen Cannabinoiden kann in Deutschland gegenwärtig auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen: einerseits können mittels Betäubungsmittel (BTM)-Rezept der Cannabiswirkstoff Dronabinol (THC) – als Fertig- (Marinol®) oder als Rezepturarzneimittel – der synthetische THC-Abkömmling Nabilon (Cesamet®) und der Cannabisextrakt Sativex® rezeptiert werden. Andererseits kann eine medizinische Verwendung von Cannabis erfolgen. Dies bedarf einer Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG), da Cannabis als Betäubungsmittel in der Anlage I zu § 1 (1) BtMG eingestuft und damit weder verkehrs- noch verschreibungsfähig ist.
Fertigarzneimittel mit den Wirkstoffen Nabilon (Cesamet®) und Dronabinol (Marinol®) sind in den USA und Großbritannien sowie anderen Ländern im Verkehr und können auch in Deutschland rezeptiert werden. Apotheken erhalten diese Medikamente über entsprechende Importfirmen. Die Kosten für das Fertigarzneimittel Marinol® sind jedoch höher als die Dronabinol haltiger Rezepturarzneimittel. Zur Anfertigung eines Dronabinol haltigen Rezepturarzneimittels können Apotheker Dronabinol von einem der beiden deutschen Unternehmen Bionorica Ethics und THC Pharm bestellen und in der Apotheke eine ölige oder alkoholische Tropfenlösung oder Kapseln zubereiten. 500 mg Dronabinol kosten in der Apotheke etwa 400 Euro.

Eine Behandlung mit Cannabismedikamenten wird in der täglichen Praxis allerdings dadurch erschwert, dass die gesetzlichen Krankenkassen meist eine Kostenübernahme ablehnen und rechtlich auch dazu berechtigt sind. Das Bundesverfassungsgericht hat im Dezember 2005 entschieden (1 BvR 347/98), dass bei einer „lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung“ die Kosten einer Behandlung mit nicht zugelassenen Behandlungsverfahren erstattet werden müssen, wenn „eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht“. Um mögliche spätere Regressforderungen zu vermeiden, sollte vor einer Verschreibung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse die Frage der Kostenübernahme geklärt werden. Eine Verordnung per Privatrezept zu Lasten des Patienten kann aber jederzeit erfolgen.

Alternativ können Patienten bei der Bundesopiumstelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG zum Erwerb einer standardisierten Cannabisextraktzubereitung oder von Medizinal-Cannabisblüten zur Anwendung im Rahmen einer ärztlich begleiteten Selbsttherapie beantragen. Eine solche Erlaubnis ist nach dem Gesetz zwar „nur für wissenschaftliche oder andere im öffentlichen Interesse liegende Zwecke“ möglich. Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom 19. Mai 2005 festgestellt, dass auch die medizinische Versorgung der Bevölkerung ein solches „öffentliches Interesse“ darstellt. Im Antrag muss der Patient darlegen, dass andere Therapien nicht ausreichend wirksam waren und eine Behandlung mit anderen Cannabismedikamenten nicht möglich ist, etwa weil die Kosten einer Behandlung mit verschreibungsfähigen Cannabismedikamenten nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Dem Antrag muss zudem eine ärztliche Stellungnahme beigefügt werden. Die Kosten für diese Behandlung müssen vom Patienten getragen werden.

Anleitung für einen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung zur Verwendung von Cannabis auf der IACM-Webseite

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