Donnerstag, 29. September 2011

Ganz schön frech: Das Hanfverbot

Nebelkerzen statt Antworten auf Anfrage zur Effektivität des Cannabisverbots

Auf eine Kleine Anfrage ihres drogenpolitischen Sprechers Frank Tempel zum Cannabisverbot erhielt die LINKE folgende Antwort:
„Durch die präventive Wirkung der Strafandrohung wird die Verfügbarkeit und die Verbreitung der Substanz eingeschränkt“.

Tempel hakte weiter nach

„1. Auf welchen empirischen Grundlagen begründet die Bundesregierung ihre These einer Korrelation zwischen Cannabisverbot und Cannabiskonsum?
2. Wie schätzt die Bundesregierung inhaltlich die Ergebnisse der in der Vorbemerkung genannten Untersuchung der „Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit“ des Schweizer Nationalrats *ein?
3. Auf welche empirischen Daten stützt die Bundesregierung ihre davon abweichende These, dass durch die Strafandrohung „die Verfügbarkeit und die Verbreitung der Substanz eingeschränkt wird?“

Die Bundesregierung antwortet:

„Vorbemerkung: Der […] zitierte „Bericht der Subkommission Drogen“ […] ist der Bundesregierung bekannt. In Deutschland ist der bloße Konsum von Betäubungsmitteln nicht strafbar. Die Bundesregierung vermag den übrigen Empfehlungen des Berichts […] nicht zu folgen. […]. Soweit ersichtlich, waren die Vorschläge nicht konsensfähig und haben keinen Eingang in das jüngst revidierte Schweizer Betäubungsmittelrecht gefunden.”

Antwort zu Frage 1:
“Die präventive Wirkung der im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) enthaltenen Handlungsverbote zeigt sich jüngst etwa bei der Unterstellung neuer, in harmlos wirkenden Kräutermischungen enthaltener psychoaktiver Substanzen unter das Betäubungsmittelrecht. Dies führte zu einer Einschränkung der Verbreitung bei den jeweiligen Substanzen. Nach einer repräsentativen Befragung von Schülerinnen und Schülern ist der Konsum cannabinoidhaltiger Substanzen nach dem Verbot in 2009 zurückgegangen.”
Antwort zu Frage 2:
“Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen.”
Antwort zu Frage 3:
“Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen.”

Moment mal

Hatte Herr Tempel nach „Spice“ oder nach Cannabis gefragt? Eine Antwort, die die Frage ignoriert und stattdessen dogmatisch auf „Spice“ verweist, zeigt die fehlende Fachkompetenz der handelnden Personen. Zudem ist eine solche Antwort schon fast beleidigend für den Fragesteller. Man stelle sich vor, ein/e Arbeitskollege/in, die/den man um wichtige Zahlen bittet, antwortet fortwährend mit „Ägypten“ oder „Leberwurst“. Da würde jedem der Kragen einfach mal kurz platzen, Etikette hin oder her. Last but not least verschweigt die Antwort, dass es sich bei der angeführten Studie über Spice keineswegs um eine repräsentative oder gar bundesweite Erhebung gehandelt hat. Die Zahlen stammen aus einem kleinen Frankfurter Modellprojekt, das „die quantitativen und qualitativen Veränderungen des Konsums von „Spice“ und vergleichbarer cannabinoidhaltiger Räuchermischungen vor und nach der BtMG-Unterstellung“ untersuchte. Kurzum: Es gibt keine Studie, die belegt, dass ein Cannabisverbot den Konsum einschränkt. Im Coffeeshop-Land Niederlande kiffen die Menschen laut EU-Statistik nicht mehr oder weniger als anderswo.

Keine der Antworten geht auch nur ansatzweise auf eine einfach, konkret und eindeutig formulierte Frage zur Wirksamkeit des Cannabisverbots ein. Sie reiht sich in die mittlerweile zahlreichen Versuche ein, eine Diskussion über evidenzbasierende Drogenpolitik schon im Vorfeld abzublocken und ist gleichzeitig auch ein Ausdruck der absoluten Sprach- und Hilfslosigkeit der Regierungskoalition, wenn es darum geht, Hanf aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht zu bewerten. So langsam fragen sich aufmerksame Beobachter, ob doch mehr hinter der ausweichenden Haltung der Bundesregierung stecke als einfaches Unwissen: In den USA dreht sich die Legalisierungsfrage fast offen um die Neuverteilung der vorhandenen Ressourcen und um die Frage, ob so illustre Vereine wie die DEA, Mexikanische Drogenkartelle, die FARQ, die CIA, die National Association of Narcotics Officers (um nur einige zu nennen) weiterhin Geld bekommen, um ihr tödliches, seit über 40 Jahren andauerndes Kriegspiel fortzusetzen. Oder ob sie sich schlichtweg aufgrund neuer Lösungswege neue Jobs suchen oder umschulen müssten. In Deutschland sähe das nicht anders aus. Auch viele Europäer fragen sich mittlerweile, wie man seit den 1970er Jahren so viele Milliarden US Dollar für einen Krieg gegen Drogen ausgeben konnte, ohne einen nennenswerten Effekt beim Angebot, bei der Nachfrage oder der „Suchtbekämpfung“ zu erzielen.

* „Die verbreitete Vermutung einer ins Gewicht fallenden generalpräventiven Wirkung der Konsumstrafbarkeit kann nicht nachgewiesen werden und scheint auch wenig plausibel […] Sämtliche empirischen Untersuchungen [….] deuten darauf hin, dass zwischen der Verbreitung/Häufigkeit des Drogenkonsums und der strafrechtlichen Verfolgungs- und Sanktionierungspraxis kein signifikanter Zusammenhang besteht.“ stellte die Kommission bereits 1999 fest.

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