Mittwoch, 31. August 2011

Die Behandlung mit THC bei Kindern

Doktor Hanf alias Lars Scheimann leidet an Tourette sowie ADHS und ist seit Anfang 2009 Besitzer einer Erlaubnis, seine Symptome mit Cannabis zu lindern.

Liebe Hanf Journal Leser und Leserinnen,
immer wieder erreichen uns Anfragen seitens besorgter Eltern, die Aufklärung über Wirkung cannabishaltiger Medikamente bei Kindern und Jugendlichen benötigen.

Selbst im Internet stößt man auf nur wenige Ergebnisse, die belegen, dass Cannabis oder THC bei minderjährigen Patienten zum Einsatz kommt und auch hier positiven Nutzen bringen könnten. Dafür findet man eine Menge darüber, wie schädlich Cannabis auf die Hirnentwicklung der Kinder sei und die angebliche Zunahme minderjähriger Cannabiskonsumenten in den letzten Jahren.

Was hier fehlt, ist eine konsequent gewollte Trennung zwischen jugendlichen Cannabiskonsumenten und jugendlichen Cannabispatienten. Im Rahmen unserer ADHS- und Tourette-Selbsthilfe-Gruppenarbeit haben wir natürlich auch mit Eltern zu tun, die zwar an der Wirkung von Cannabis oder THC-haltigen Medikamenten bei ADHS und Tourette Syndrom interessiert sind, es aber niemals befürworten würden, wenn das eigene Kind zur Verbesserung der Symptomatik diese Art der Therapie nutzte. Es sind leider oftmals die Eltern, die im Gegenzug lieber auf die Behandlung durch amphetaminhaltige Medikamente wie zum Beispiel Ritalin setzen. Oder die lieber Psychopharmaka einsetzen, weil diese ja einfach verschrieben werden. Als Argument gegen Cannabis oder THC hören wir dann oftmals Aussagen wie: „Es sind keine Spätfolgen bekannt“, „Es wurde ja nie an Kindern getestet“, oder: „Mein Kind wird süchtig“. Leider ist vielen Eltern immer noch nicht bewusst, dass kein Medikament, einschließlich Ritalin oder Psychopharmaka, jemals an Kindern getestet wurden, weil es schlicht und einfach durch die Gesetzeslage verboten ist, Arzneimittel an Kindern zu testen. Also begeben sie sich lieber auf einen nicht einfachen langen Weg als unwissende Eltern von Langzeitstudien Patienten, die im besten Fall unter ärztlicher Aufsicht, Medikamente verabreichen, die weitgehende Nebenwirkungen haben könnten.

So wurde uns des Öfteren auch schon von Jugendlichen berichtet, die Tabletteneinahmen nach eigenem Ermessen bewusst verzögerten oder missbrauchten sowie von Nebenwirkungen, die in der Pubertät auftraten und sich durch suizidale Gedanken äußerten. Folglich musste die Therapie bei diesen Vorkommnissen immer wieder geändert werden, mit dem Ergebnis, dass der eigentliche Behandlungserfolg ausblieb.

Aber es gibt auch die andere Seite. Ich kann mich noch sehr gut an ein Elternpaar erinnern, das bei uns mit ihrem Sohn vorstellig wurde. Zu damaligen Zeitpunkt war er ca. 13 Jahre alt, seine Tics wurden durch mehrere Medikamente unterdrückt, was zur Folge hatte, dass er sehr teilnahmslos und schläfrig wurde. Außerdem litt er unter Gewichtszunahme, bedingt durch die Medikamente. Er hatte keine Freunde und große Probleme in der Schule. Die Eltern berichteten über etliche Medikamente, die bereits zum Einsatz gekommen waren, doch nichts davon zeigte eine adäquate Verbesserung.

Nach einem längeren Gespräch fanden wir dann noch heraus, dass dieser Junge niemals bei einem Tourette Spezialisten war. Die Eltern bekamen durch unsere Selbsthilfegruppe den Kontakt zur MHH Hannover und einen zügigen Termin in der Tourette Sprechstunde von Fr. Dr. Müller-Vahl. Auch dort wurden nochmals die Medikamente umgestellt mit dem Ergebnis, dass der heute 17 jährige Junge durch Dronabinol ein normales Leben führen darf. Ebenso ein mittlerweile 16 Jahre alter Tourette Patient unserer Gruppe, der ein ähnliches Schicksal teilte und nun Dronabinol erhält. Die Eltern wendeten sich auch im Anschluss noch an uns mit der großen Sorge, als sie erfuhren, dass ihr Sohn durch Cannabiskonsum auffällig wurde. Heute können wir sagen, dass durch weitere Untersuchungen festgestellt wurde, dass natürliches Cannabis bei ihm zu einer wesentlich besseren Wirkung führte und dass die Eltern nun mit der behandelnden Ärztin und ihrem Sohn einen Antrag nach § 3 BtMG Abs. 2 stellen werden. Er besucht die Schule, verbessert konsequent seine Noten und kann ohne Tics sein noch junges Leben in die richtigen Bahnen lenken.

Ich möchte hier noch einmal ausdrücklich erwähnen, dass wir niemanden dazu auffordern verordnete Medikamente abzusetzen und sich Cannabis zu besorgen! Ebenso möchten wir niemanden, insbesondere Kinder und Jugendliche, dazu auffordern Cannabis zu konsumieren. Tatsächlich gibt es auch bei dem Konsum durch Cannabis Wirkungen in Hirnarealen, die negative Folgen in der Entwicklung mit sich bringen können und immer noch ist der Gebrauch, auch als Patient, verboten. Unser Ziel ist es eine Sensibilität bei Ärzten zu wecken und auf diese Behandlungsmethode aufmerksam zu machen. Durch eine ärztliche Verordnung von Dronabinol oder gar die Antragsstellung für die Nutzung von Cannabis als Medizin könnten wir hier durch die Sammlung von Daten bereits bei der Verwendung Beweise dafür schaffen, dass in vielen Fällen eine Behandlung durch Cannabis oder THC-haltige Medikamente als sinnvoll einzustufen ist. Aber nicht nur bei der Behandlung des Tourette Syndroms oder von ADHS konnten wir in der Vergangenheit lesen, dass die Anwendung bei erkrankten Kindern zu einem Behandlungserfolg führte. Um euch einen kleinen Überblick zu verschaffen, haben wir euch zwei Studienergebnisse, veröffentlicht durch Franjo Grothenhermen, hier nachfolgend zusammen gefasst:

Was weiß man über die medizinische Verwendung von Cannabis bei Kindern?

Franjo Grotenhermen
„Es gibt nur zwei klinische Studien mit Cannabinoiden bei Kindern, eine mit Delta-8-THC und die andere mit dem THC-Abkömmling Nabilon. Beide untersuchten ihren Nutzen bei Nebenwirkungen der Krebschemotherapie.
Vermutlich wegen einer unterschiedlichen Verteilung der Cannabinoidrezeptoren in den Gehirnen von Erwachsenen und Kindern scheinen Kinder relativ hohe Dosen ohne relevante psychische Wirkungen zu vertragen. Nach meiner Kenntnis werden Cannabis und Dronabinol (THC) vor allem bei neurologischen Störungen verwendet, wie Epilepsie, Badeunfall mit Beinahe-Ertrinken, hyperaktive Störungen, etc.“

Abrahamov und Kollegen
Delta-8-Tetrahydrocannabinol (Delta-8-THC), ein Cannabinoid mit einer geringeren psychotropen Potenz als der wichtigste Cannabisbestandteil Delta-9-Tetrahydrocannabinol (Delta-9-THC) wurde acht Kindern im Alter zwischen drei und 13 Jahren mit verschiedenen Blut-Krebsarten, die bis zu acht Monate lang mit verschiedene Antikrebsmitteln behandelt wurden, verabreicht. Die Dosis war 18 mg orales THC pro Quadratmeter Körperoberfläche in Speiseöl. (Die Körperoberfläche eines Kindes von 30 Kilogramm Gewicht ist ungefähr ein Quadratmeter, die eines Erwachsenen von 75 Kilogramm etwa 1,8 Quadratmeter). Die Gesamtzahl der Behandlungen mit Delta-8-THC beträgt bisher 480. Die THC-Behandlung begann zwei Stunden vor jeder Krebsbehandlung und wurde alle sechs Stunden für eine Gesamtdauer von 24 Stunden fortgeführt. Erbrechen wurde vollständig verhindert. Die beobachteten Nebenwirkungen waren vernachlässigbar.
Modifiziert nach: Abrahamov A, Abrahamov A, Mechoulam R. An efficient new cannabinoid antiemetic in pediatric oncology. Life Sciences 1995;56(23-24):2097-2102.

Dalzell und Kollegen
Eine Studie wurde durchgeführt, die das neue synthetische Cannabinoid Nabilon mit oralem Domperidon (ein Mittel gegen Brechreiz) in einer Gruppe von Kindern, die wiederholte identische Chemotherapie-Zyklen wegen verschiedener Krebsarten erhielten, verglich. Achtzehn von 23 Kindern im Alter zwischen 10 Monaten und 17 Jahren beendeten die Studie. Wenn sie Nabilon nahmen, erlebten sie signifikant seltener Episoden mit Erbrechen und weniger Übelkeit, und zwei Drittel bevorzugten Nabilon. Die häufigsten Nebenwirkungen der Behandlung mit Nabilon waren Schläfrigkeit und Schwindel. Ein Patient erlebte Halluzinationen. Die Ergebnisse zeigen, dass Nabilon ein wirksames brechreizhemmendes Mittel bei Kindern, die eine Chemotherapie durchführen, ist, selbst bei kleinen Kindern. Es scheint in dieser Hinsicht Domperidon überlegen zu sein, und auch wenn Nebenwirkungen häufiger auftreten, so sind diese meistens akzeptabel für die Patienten. Es kann als eine Alternative für konventionelle antiemetische Behandlungen in der gesamten Kindheit empfohlen werden.
Modifiziert nach: Dalzell AM, Bartlett H, Lilleyman JS. Nabilone: an alternative antiemetic for cancer chemotherapy. Archives of Disease in Childhood 1986;61(5):502-505.

Die USA sind da weiter
Ein amerikanischer Richter hat einer Mutter eines hyperaktiven Kindes erlaubt, diesem weiterhin Cannabis zu geben. Der Richter lehnte ein Rechtsbegehren der Sozialbehörde ab, das Kind aus der Wohnung der Mutter in Rocklin, Kalifornien, zu nehmen. Der Achtjährige leidet unter einer schweren psychischen Störung. Seine Mutter gibt ihm Cannabis, weil sie erklärt, dass konventionelle Medikamente nicht helfen. Die Kinderschutzorganisation „Child Protective Services“ warf ihr vor, eine unfähige Mutter zu sein, nachdem sie von der Behandlung erfahren hat.
Die Mutter hatte sich auf Rat des behandelten Kinderarztes dazu entschieden, Cannabis-Medizin auszuprobieren, Sie berichtete, dass sich das Verhalten ihres Sohnes deutlich gebessert habe. Seine Stimmungsschwankungen hätten abgenommen, und er habe Freundschaften mit anderen Kindern entwickelt. Anfänglich bereite die Mutter die „Medizin“ des Jungen in Form von Teesemmeln (Muffins) zu, die sie ihm regelmäßig zu essen gab.

Fazit
Cannabis-Medizin für Kinder und Jugendliche ist ein sensibles Thema, das nicht länger tabuisiert werden darf. Dronabinol ist beispielsweise für Kinder nicht zugelassen aber durch einen „individuellen Heilversuch“ verordnungsfähig.
Noch vor einigen Jahren nahm ich selbst Kontakt zu einem Spezialisten nach Göttingen auf, um mich nach Daten umzuschauen und die Frage zu klären, ob Tourette Kinder bereits mit Dronabinol behandelt würden? Meine Frage wurde vehement verneint. Vor einigen Monaten las ich dann in einer medizinischen Fachzeitschrift, dass genau dieser Spezialist nun einige Tourette Kinder mit Dronabinol behandelt und diese Patienten gute Behandlungserfolge aufweisen.

Wege entstehen, indem man sie geht …
euer Doktor Hanf

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