Mittwoch, 31. August 2011

Drogen und Fahrerlaubnis

Wie die Polizei auch irrelevante Daten ermittelt, um gegen Cannabiskonsumenten vorzugehen.

Theo Pütz, besser bekannt als der „Führerscheinpapst“, weiß (fast) alles, wenn es um das Thema Drogenkonsum und Straßenverkehr geht. Sein Wissen hat schon so manch zu Unrecht schikanierten Gelegenheitskiffer wieder zum Führerschein verholfen. Seit kurzer Zeit arbeitet er in den Räumen des Deutschen Hanf Verbandes als unabhängiger MPU-Berater.

Erst vor wenigen Tagen erreichte uns die Anfrage eines Betroffenen, der völlig nüchtern hinter seinem Steuer saß und in eine Kontrolle geriet.
Ja sicherlich, er hatte schon mal Cannabis konsumiert. Dies lag aber schon einige Tage zurück.
Das Ergebnis der erfolgten Blutanalyse überraschte den Betroffenen daher nur wenig, da kein aktives THC mehr nachweisbar war, und somit auch kein Verkehrsverstoß vorlag.

Alles in Butter, denkt er sich, hat er doch damit auch bewiesen, dass er in der Lage ist strikt zwischen Konsum und Verkehrsteilnahme zu trennen.
Leider wurde noch das unwirksame Abbauprodukt THC-Carbonsäure festgestellt. Damit war er als Cannabiskonsument enttarnt und registriert!
0,6 ng/ml Carbonsäure (unterhalb des analytischen Grenzwertes)
Daraufhin erhielt der Betroffene unschöne Post von seiner Führerscheinstelle.

In diesem Schreiben wurde ihm mitgeteilt, dass laut Polizeibericht eine Verkehrskontrolle durchgeführt wurde, bei der neben einem Nachweis von sage und schreibe 0,6 Nanogramm THC-Carbonsäure im Blut, auch noch weitere Auffälligkeiten seitens der Polizei festgestellt wurden. In dem Schreiben teilt die Führerscheinbehörde dem Betreffenden letztendlich mit, dass sie in dem Fall noch einmal von einer Überprüfungsanordnung (MPU) absehen würde. Nicht ohne damit zu drohen, dass der Führerschein entzogen werden würde, sobald er nochmal mit Drogen auffallen sollte oder anderweitig strafrechtlich oder verkehrsrechtlich auffällig wird.

Den Betroffenen wurmte insbesondere, dass von der Polizei behauptet wurde, das „Auffälligkeiten“ festgestellt wurden, die der hinzugezogene Amtsarzt bei der Blutentnahme nicht bestätigen konnte. Auch die dann tatsächlich festgestellten Blut-Werte sprechen eindeutig gegen die subjektive „Wahr“nehmung des Polizeibeamten.

Der Betroffene sieht sich hier nunmehr der Willkür und des Übereifers eines Polizeibeamten gegenüber und stellt sich die Frage, ob es legale Wege und Möglichkeiten gibt solche falschen Informationen seitens der Polizei an die Führerscheinstelle zu unterbinden.

Was kann man tun?
In Grunde genommen haben Betroffene kaum eine Möglichkeit falsche Informationen seitens der Polizei gegenüber der Führerscheinstelle klar zu stellen. Informationen der Polizei aus rein informellen Gesprächen, ohne dass diese überhaupt protokolliert und unterschrieben sind, werden seitens der Führerscheinstellen grundsätzlich als „die Wahrheit“ interpretiert.
So auch ein Fall, indem der Betroffene gegenüber der Polizei angeblich angegeben hätte, dass er regelmäßig kiffen würde, und ihm daraufhin den Führerschein gänzlich entzogen wurde. In dem verwaltungsrechtlichem Klageverfahren gegen den unmittelbaren Entzug der Fahrerlaubnis argumentierte der Betroffene u.a. auch damit, dass er gegenüber der Polizei nicht gesagt hätte, dass er seit einem dreiviertel Jahr regelmäßig kiffen würde. Diese Darstellung wurde letztinstanzlich durch das Bundesverwaltungsgericht als unglaubhaft zurückgewiesen.
Welches Interesse könnte die Polizei denn auch haben, falsche Angaben zu machen ?

Keine … Oder?
Bei genauerer Betrachtung der derzeitigen Ermittlungspraxis lässt sich erkennen, dass die Polizei als Strafermittlungsorgan der Staatsanwaltschaften das „Führerscheinrecht“ mit seiner „Beweislastumkehr“ als schärfere Waffe gegen Cannabiskonsumenten entdeckt hat.
So steht z.B. ein Polizeibeamter aus Heilbronn sogar unter Verdacht reihenweise Blutgutachten gefälscht zu haben, bei denen der THC-Wert unter der Nachweisgrenze war. (HaJo berichtete am 06.04.11) In einem ordnungsrechtlichem Verfahren (Klage gegen den Bußgeldbescheid) könnte solch eine Fälschung recht schnell aufgedeckt werden, ohne dass dem Betreffenden dadurch Rechtsnachteile entstehen (Bußgeld/Fahrverbot).

Betroffener muss gegenüber der Führerscheinbehörde beweisen!
Ist ein so gefälschtes „Gutachten“ oder auch falsch dargestellte Einlassungen aber einmal bei der Führerscheinstelle angekommen, wird es für einen Betroffenen so gut wie unmöglich sein gegenüber der Führerscheinbehörde zu beweisen, dass das Gutachten oder die Angaben der Polizei falsch sind. Dies liegt u.a. auch daran, dass die Verwaltungsbehörden in einem strittigen Bußgeldverfahren – selbst wenn die Frage im Raum steht, ob das Blutgutachten gefälscht sein könnte – deren Ausgang nicht abwarten muss, um eigenständig Maßnahmen bis hin zum Entzug der Fahrerlaubnis ergreifen zu können.
Für die Verwaltung ist daher jede Information unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt grundsätzlich verwertbar, gerade wenn diese Information von der Polizei kommt.

Konsum ist nicht strafbar! Kann aber teuer werden …
Selbst wenn man so einen krassen Fall wie den der gefälschten Blutgutachten außer Acht lässt, ist in den letzten Jahren zu beobachten wie die Strafverfolgungsbehörden explizit die Konsumgewohnheiten erfragen, die aus Sicht strafrechtlicher Ermittlungsarbeit ohne Bedeutung sind.
In einigen Regionen ist diese „Konsumbefragung“ schon Bestandteil offizieller Vernehmungsbögen wenn jemand im Besitz, oder bei der Einfuhr von geringen Mengen Cannabis erwischt wird.

Die Möglichkeiten gegen solch eine Ermittlungspraxis und den daraus entstehenden Nachteilen vorzugehen, sind für Betroffene recht beschränkt und führen in der Regel nicht zu einem unmittelbaren Erfolg.
Zwar kann man gegen Beamte, die falsche Angaben machen, Einlassungen falsch darstellen oder die Konsumangaben ohne rechtliche Belehrung auf das Aussageverweigerungsrecht ermitteln, Dienst- oder Fachaufsichtsbeschwerde einlegen, dies führt aber nicht dazu, dass die Führerscheinbehörde diese „strittigen“ Informationen nicht mehr verwerten darf. Die Rechtslage ist für die Betroffenen sicherlich mehr als unerfreulich, lässt sich aber weder weg meditieren noch weg klagen.

Wenn man das begriffen hat, stellt man sich zwangsläufig die Frage, wieviele Lämmer sich noch auf die verwaltungsrechtliche Schlachtbank führen lassen, bis die Masse begriffen hat, dass man eine Rechtslage nicht durch Klagen verändert, sondern nur durch eine politisches Einflussnahme.
Ein verwaltungsrechtlicher Klageweg ist im Übrigen nicht zum Nulltarif zu haben, führt nur selten zum Erfolg und hat dann aber auch nur einen Effekt für den Einzelnen.

Klagen kann man alleine.
Eine Veränderung können wir nur gemeinsam herbeiführen

Wo sind also die vier Millionen Kiffer, die tagtäglich Gefahr laufen über das Führerscheinrecht in existenzielle Schwierigkeiten zu geraten?
Wollt ihr so lange warten, bis ihr eure Ersparnisse für Rechtsanwälte, Gutachter und MPUs verbraten müsst?
Investiert in die Zukunft, unterstützt mit einer Mitgliedschaft oder Spende die Organisationen, die sich für eine Änderung des Führerscheinrechts einsetzen.

In der nächsten Ausgabe:
Wie man auch als Nichtkonsument von Drogen den Führerschein verlieren kann.

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