Donnerstag, 28. Juli 2011

Ce´Cile

Interview am 02.07.2011 im YAAM

Seit ungefähr zehn Jahren gehört Ce‘Cile zu den erfolgreichsten Reggae- und Dancehall-Künstlerinnen Jamaikas. Sie hat in all der Zeit nie ihr Ziel aus den Augen verloren und hat das eine oder andere lukrative Angebot ausgeschlagen, um sich selbst und der Musik, die sie liebt, treu zu bleiben. Jetzt hat die in Manchester Parish, Jamaika, geborene Sängerin ihr nächstes Album mit dem Namen „Jamaicanization“ herausgebracht und sich anlässlich dazu Zeit für folgendes Interview genommen.

Du scheinst etwas erkältet zu sein. Freust du dich trotzdem auf die Show heute Abend?
Ja, auf jeden Fall! Das Wetter ist zwar heute den ganzen Tag schlecht gewesen, aber ich werde ja drinnen auftreten. Deswegen mache ich mir keine großen Sorgen. Ich habe die letzten zwei Stunden genutzt, um meine Stimme aufzuwärmen. Das ist wichtig für mich, denn ohne diese Vorbereitung würde ich meine Stimme schädigen. Ich bin bereit und freue mich auf das Berliner Publikum.

Dein neues Album „Jamaicanization“ ist gerade rausgekommen. Was kannst du mir über die Scheibe erzählen?
„Jamaicanization“ wird ab dem 29.7.2011 erhältlich sein. Normalerweise ist es ja so, dass Artists zuerst einige Singles veröffentlichen und das Album dann später folgt. Ich bin jetzt seit gut zehn Jahren im Geschäft und hab die ganze Zeit über viele Songs einzeln herausgebracht, deswegen wollte ich ein exklusives Album machen. Nur vier der insgesamt 16 Tunes wurden zuvor veröffentlicht. Wir haben bis jetzt die Songs nicht mal an Radiostationen geschickt. Sie sind auch nicht auf Youtube oder so zu finden. „Jamaicanization“ ist für meine Fans, die meine Alben kaufen. Sie sollen sich dann später nicht verarscht vorkommen, weil andere die Musik umsonst im Netz bekommen. Wobei ich natürlich auch nicht verhindern kann, dass das früher oder später trotzdem passiert.
Das Konzept des Albums ist es, die Hörer zu „jamaikanisieren“. Auf Jamaika werden zur Zeit viele Songs herausgebracht, die stark von Hip Hop, R&B oder anderen Stilen beeinflusst sind. Mit meinem Album möchte ich die Menschen wieder zu original-jamaikanischer Musik zurückführen und ihnen vermitteln wie Jamaika ist. Wer das Album kauft, erhält im Leaflet Informationen über die Insel und ihre Bewohner. „Jamaicanization“ enthält Reggae, Dancehall, Rub-a-Dub und Songs, die in Richtung Ska gehen.

Du bist schon eine ganze Weile im Geschäft, trotzdem erschien dein erstes Album erst 2009, warum hat es so lange gedauert?
Mein erstes Album wurde in einer ähnlichen Version zwei Jahre früher in Japan rausgebracht. Auf Jamaika ist es nicht üblich, dass jeder Artist bei einem Major Label unter Vertrag ist. Oft gibt es Schwierigkeiten. Ich hätte schon früher einen Vertrag unterzeichnen können, aber ich hatte das Gefühl nicht die richtigen Angebote zu bekommen. Deswegen wollte ich mich nicht auf ein Label festlegen und habe am Anfang lieber alles auf eigene Faust gemacht. Es ging mir auch nie darum einen möglichst lukrativen Vertrag zu kriegen. Ich wollte einfach gute Musik machen. Deswegen hat es mit meinem ersten Album eine Weile gedauert. Durch neu entwickelte Technologien ist es jedoch wesentlich einfacher geworden Musik aufzunehmen und zu veröffentlichen. Deswegen nehmen auch immer mehr Artists und Tonmeister die Sache selbst in die Hand.

Seit dem Beginn deiner Karriere hast du den Zusatz „Bad Gyal“ zu deinem Namen verwendet. Identifizierst du dich immer noch damit oder hast du dich in eine andere Richtung entwickelt?
Ich habe mir damals diesen Namen nicht selbst gegeben. Ich hatte damals diesen Song „Bad Gal, Bad Man“. Darauf haben viele Leute angefangen, mich Bad Gyal Ce‘Cile zu nennen. Das hat mir gefallen, weil ich auf der Bühne zum Bad Gyal geworden bin. Es war eine Art Image, mit dem ich mich mehr und mehr identifiziert habe. Seitdem haftet der Name mir an, obwohl ich ihn inzwischen eigentlich loswerden möchte. Zwar nenne ich mich während meiner Shows selber noch manchmal so, doch die Menschen sollen sehen, dass ich mich weiterentwickelt habe. Diese Weiterentwickelung wird auch auf meinem neuen Album sichtbar. Ich bin reifer geworden. Ich singe nicht mehr nur über Sex und Geld. Ich habe einige wirklich tiefgründige Lyrics geschrieben, wie zum Beispiel den Song „Gwaan Live Life“. Diesen Tune habe ich geschrieben, nachdem ich einen Autounfall hatte. Dadurch ist mir bewusst geworden, wie schnell das Leben vorbei sein kann. Darum sollte man jeden Tag nutzen. „Rise Up“ ist nicht auf dem Album, doch der Song hat eine tiefe Botschaft, die hoffentlich einige Menschen zum Nachdenken anregen wird. Ich habe auch einige sehr emotionale Lovesongs aufgenommen, die ebenfalls zeigen, wie ich mich verändert habe. Wenn die Leute nur meine Singles hören, bemerken sie die Veränderungen nicht. Deswegen war es mir auch so wichtig jetzt dieses Album rauszubringen, sodass jeder sieht wie Ce‘Cile sich entwickelt hat.

Das Musikgeschäft kann auch manchmal ganz schön hart sein. Hast du je darüber nachgedacht mal etwas anderes zu machen?
Ja schon. Ich denke schon seit einer Weile darüber nach, eine eigene Marke herauszubringen.

Meinst du Kleidung?
Nicht unbedingt. Viele Artists haben schon ihre eigene Kleiderkollektion entwickelt, doch die meisten sind nicht über T-Shirts hinausgekommen. Das finde ich etwas langweilig. Ich denke eher an Weaves. Dabei wird künstliches Haar in die eigenen Haare eingeflochten, um verschiedenste Frisuren zu kreieren. Ich selbst mache das schon seit Jahren und ich finde es toll. So geht es vielen schwarzen Frauen. Wir lieben es einfach unsere Frisur ständig zu verändern. Ich bin keine Rastafrau, deswegen habe ich kein Problem damit.
Ich würde auch gerne mein eigenes Parfüm rausbringen. Daran arbeite ich bereits. Ich will aber auch nichts überstürzen. Beim Musik machen kann man Spaß haben und damit sein Geld verdienen. Wenn man aber eine Kollektion auf den Markt bringen will, sollte man auch Ahnung vom Geschäft haben und wissen, was man tut.

Wenn wir schon bei Stylez sind, in der letzten Zeit ist Bleaching (das Aufhellen der Haut) in Jamaika wieder sehr populär geworden. Wie stehst du dazu?
Ich mag es nicht wirklich. Viel sagen, dass es vom Prinzip her dasselbe ist, wie künstliche Haarteile zu tragen, doch das sehe ich anders. Das künstliche Haar wird nur eingeflochten, es verändert dich nicht. Du kannst es jeder Zeit wieder raus nehmen ohne bleibenden Effekt.
Letzten Endes ist es wohl Ansichtssache. Ich singe „Black Coffee“, um meine Präferenz für dunkelhäutige Männer auszudrücken. Damals gab es auch schon Leute in Jamaika, die ihre Hautfarbe verändert haben. Das war noch bevor Vybz Kartel angefangen hat Bleaching zu promoten. Ich mochte auch nie den Stil von Michael Jackson oder Lil Kim, die sich diverser Schönheitsoperationen unterzogen hat, das ist mir zu unnatürlich. Ich würde deswegen aber nie jemanden verurteilen, sollen die Leute machen, was sie schön finden.

Kann man sagen, dass Menschen, die eine hellere Haut haben, auf Jamaika anders und eventuell besser behandelt werden als Menschen mir dunklerer Haut?
Nein, auf keinen Fall. Es gibt auf Jamaika einfach verschiedene Schönheitsideale. Manche mögen dunkle Menschen, manche mögen helle. Genau wie Leute dicke oder dünne, kleine oder große Leute anziehend finden. Du wirst aber auf keinen Fall besser behandelt, wenn du dich bleacht. In meinen Augen sind diese Menschen hässlich, weil sie krank aussehen, wie Geister. Ich glaube, als Arbeitgeber würde ich eher Leute, die sich bleachen, diskriminieren. Ich würde sie wahrscheinlich nicht einstellen, weil ich fürchten würde, dass sie mein Unternehmen nicht entsprechend repräsentieren könnten, so ungesund wie sie aussehen.

Rauchst du Marihuana?
Nein überhaupt nicht. Ich habe es nie probiert.

Hast du eine Meinung zu der anhaltenden Debatte, ob Marihuana legalisiert werden sollte?
Ich kann dazu nicht viel sagen, da ich nicht viel über‘s Ganja-Rauchen weiß. Ich weiß nicht, welchen Effekt es hat. Ich weiß nur, dass man damit eine Menge Geld machen kann, wenn man es verkauft. Es ist zweifelsohne eine Droge und als solche sollte sie mit Vorsicht behandelt werden. Viele Rastafari sagen, dass sie Ganja brauchen, um freier denken zu können, doch ob das stimmt, kann ich nicht bezeugen.
Andere behaupten auch, dass Alkohol ihnen gut tut und eine positive Wirkung hat, doch ich weiß das Alkohol auch eine Menge Schaden anrichten kann. Es ist kein Problem, wenn man ab und zu etwas trinkt, um sich zu amüsieren, doch Alkoholiker sind verrückt und haben ihr Leben nicht mehr unter Kontrolle. Ich kenne auch Leute, die Gras rauchen und danach völlig durchdrehen. Daher weiß ich nicht, ob Marihuana legalisiert werden sollte oder nicht.

Wenn man sich in der jamaikanischen Gesellschaft umschaut, hat man oft das Gefühl, dass Männer, um eine Frau für sich zu gewinnen, eine Menge Geld für sie ausgeben müssen. Daher sind wohl einige auch der Meinung, dass sie eine Frau nach einer Weile besitzen würden. In deinen Songs singst du auch über die Verbindung von Sex und Geld. Kann das nicht auch gefährlich sein?
Nein, das denke ich nicht. Man muss sich nur mal die Ursachen ansehen. Viele Männer behandeln Frauen schlecht, belügen sie und gehen fremd. Wir reden hier ja nicht über Prostitution. Wir reden über Frauen, die von ihrem Mann erwarten gut behandelt zu werden. Viele Frauen sind ihren Männern treu und haben die Einstellung, dass es nur fair ist, wenn sie eines Tages rausfinden, dass sie betrogen werden, dass ihr Mann dann wenigstens sein Geld für sie ausgibt. Unabhängig davon, wie viel Geld sie selbst besitzt. Das ist nur realistisch.
Viele Männer, zumindest in Jamaika und Amerika (das ist die Erfahrung, die ich gemacht habe) wollen mit vielen Frauen zusammen sein. Sie schlafen mit vielen Frauen, doch sie geben dies nicht ehrlich zu, sondern erzählen einem Lügen. Wenn man eine Frau belügt, nimmt man ihr das Recht sich für einen Mann zu entscheiden, so wie er ist. Sie kann sich dazu entscheiden mit einem Mann zusammen zu sein, der noch drei andere Freundinnen hat. Doch sie kann sich nur dafür entscheiden (!) mit einem Mann zusammen zu sein, wenn sie die Wahrheit kennt. Deswegen haben Frauen angefangen sich von Männern aushalten zu lassen.
Auf der anderen Seite muss man aber auch sagen, dass es auch viele Beziehungen gibt, in denen die Männer ehrlich sind und ihren Frauen treu bleiben. In solchen Beziehungen spielt Geld meist gar keine Rolle. Wie gesagt, wir reden hier nicht darüber, dass Männer für Sex bezahlen. Es geht um Beziehungen. Wenn ich in meinen Songs über Geld und Sex singe, ist das bloß Style. Ich singe auch über‘s Fremdgehen, obwohl ich es selbst nie getan hat. Man muss hier klar zwischen Songtexten und Realität unterscheiden. Musik ist Unterhaltung und Musik ist Kunst, die manchmal das Leben widerspiegelt.

Doch einige Menschen, insbesondere Kinder und Jugendliche, nehmen Songtexte oft wörtlich.
In diesem Fall liegt es an den Eltern ihre Kinder zu führen und ihnen die Unterschiede zu erklären. Eltern lassen ihre Kinder all diese gewalttätigen Spiele spielen und die Kinder gehen danach nicht auf die Straße und bringen jemanden um.
Die Leute beschuldigen Musik die Ursache für so vieles zu sein. Das ist falsch. Wenn sich Kinder Filme ansehen, die nicht für sie bestimmt sind, beschwert sich ja auch keiner. Musik ist etwas Schönes und etwas Gutes. Es liegt in der Verantwortung der Eltern, ihre Kinder von bestimmten Sachen fernzuhalten, sie aufzuklären und dafür zu sorgen, dass sie sich nicht nachts auf die Dances schleichen.

Was hast du nach der Tour geplant?
Ich werde weiter auf Tour gehen, um das neue Album zu promoten. Ich werde viel hin und her reisen in der nächsten Zeit, weil ich nicht für vier Wochen am Stück aus Jamaika weg sein möchte. Ich will in meinem eigenen Bett schlafen. Daher fliege ich immer wieder nach Hause zurück, wenn ich die Möglichkeit habe. Das ist eine Menge Reiserei, aber mir ist es einfach lieber so. Die nächste Zeit wird anstrengend werden, aber das ist okay, weil ich mache, was ich liebe.

Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast.

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