Mittwoch, 27. Juli 2011

Hanf hemmt!

Zum Trennungsvermögen eines „Doping-Experten“

Der deutsche Doping-Experte Wilhelm Schänzer im Fussball-Magazin 11 Freunde zum Thema Cannabis im Sport:
„Dopingverstoß bleibt Dopingverstoß. Wer soll beurteilen, ob Absicht oder Versehen dahintergesteckt hat? Wahrscheinlich ist es so, dass viele positive Tests zu Marihuana und Kokain tatsächlich auf den Missbrauch in der Freizeit zurückzuführen sind. Aber man kann sich mit Cannabis eben auch ganz bewusst die Angst nehmen. Deshalb ist es in Risikosportarten wie Snowboarding sehr beliebt.“

Au weia. Das sind drei Sätze, 55 Worte und drei zumindest problematische Statements:

„Wer soll beurteilen, ob Absicht oder Versehen dahintergesteckt hat?“
Ein Labor, das ähnlich wie im Strassenverkehr, aktive und passive THC-Werte feststellt. Wer sonst? Schließlich werden zur Feststellung des Alkoholspiegels auch nicht die Leberwerte gemessen, die über den Alkoholkonsum über längeren Zeitraum Aufschluss geben. Ein Mediziner und Doping-Experte sollte über moderne Analyse-Verfahren zur Feststellung der Konsumintensität und dessen Zeitpunkt informiert sein. Der Konsumzeitpunkt und somit die Frage, ob die betreffende Person unter Einfluss von THC oder Koks am Wettkampf teilgenommen hat, spielt bei den zu verhängenden Sanktionen jedoch keine Rolle.

Momentan haben Kokainkonsumenten sogar bessere Aussichten, weil diese Substanz, im Gegensatz zu Cannabis, nicht lange nachzuweisen ist.
„Aber man kann sich mit Cannabis eben auch ganz bewusst die Angst nehmen.“

Wohl kaum. Schon mal was von Kiffer-Paranoia gehört? Cannabis enthemmt im Gegensatz zu Alkohol nicht. Jede/r, der schon einmal „breit“ war, bestätigt das, ebenso wie wissenschaftliche Studien zum Cannabiskonsum im Strassenverkehr*. Kiffen enthemmt nicht, ganz im Gegenteil: Wer breit ist, hat ein hohes Risikobewusstsein, gerade weil Mensch merkt, dass die Reaktion ein wenig eingeschränkt ist.

„Deshalb ist es in Risikosportarten wie Snowboarding sehr beliebt.“
Nein, nicht deshalb. Denn als Szenekenner aus eigener Erfahrung weiß ich, dass kein ambitionierter Hochleistungssportler vor dem Wettkampf kifft.
Dann wäre man viel zu gehemmt, würde sich die ganze Zeit darauf konzentrieren, nicht zu stürzen oder zu taumeln, würde gedanklich abschweifen, kurzum: Bekiffte Körperkoordination im Hochgeschwindigkeitsbereich macht keinen Spaß und ist zur Leistungssteigerung komplett sinnlos.

Gekifft wird in diesen Kreisen einfach, weil diese Sportarten allesamt aus Kalifornien kommen, wo die Bevölkerung schon lange verstanden hat, dass die gepflegte Sportzigarette nach getaner Arbeit einfach besser entspannt als ein oder zwei Feierabend-Bier. Zudem hat eine Tüte keine Kalorien und die Konsumente/innen neigen zudem nicht zur Selbstüberschätzung.
Die allseits so hoch geschätzte, friedliche Stimmung unter Skate- oder Snowbaordern sowie BMXlern ist auch ein Resultat der Cannabis-freundlichen Einstellung dieser und ein paar anderer Sportarten. Leider wird das allzu oft mit fehlendem Trennungsvermögen während der Wettkämpfe verwechselt.

Solange solche Experten über die Stellung von Cannabis im Leistungssport entscheiden, werden die Hersteller und Vertreiber von künstlichem Urin oder Gummischwänzen weiterhin Hochkonjunktur verzeichnen.

*Studien zu Cannabis im Sport liegen noch nicht vor, deshalb verweise ich auf in diesem Zusammenhang auf den Strassenverkehr, wo ja das gleiche Nüchternheitsgebot wie bei sportlichen Wettkämpfen gilt.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

Schnelles Login:

0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare zeigen