Mittwoch, 27. Juli 2011

Außen hui, Innen Pfui

Klingt schlecht und funktioniert nicht: Akzeptanzorientierte Repression

Deutschland schmückt sich auf internationaler Ebene mit einem Heroin-Programm für Schwerstabhängige, das bis heute in Süddeutschland aufgrund des Widerstands lokaler Behörden oft gar nicht umgesetzt werden konnte. Man tritt in Sachen Drogenpolitik und Prävention gerne an der Seite von Staaten wie Portugal, der Schweiz oder den Niederlanden auf, die aber, anders als Deutschland, auch eine relativ liberale Cannabispolitik vertreten. Marion-Caspers Merck glänzt dabei in der Rolle als deutsche Botschafterin in der progressiven Global Commission on Drug Policy. Fast zeitgleich stellt sie in den Koalitionsverhandlungen für die SPD klar, dass genau die Modelle für einen regulierten Cannabismarkt, die die Kommission auf internationaler Ebene ausarbeitet, für sie, die SPD und in Deutschland gar nicht in Frage kommen. Denn die Konsumenten hier seien bereits entkriminalisiert (siehe Kommentar auf Seite 5). Vergleicht man die Drogenpolitik auf nationaler Ebene stellt man jedoch fest, dass für diesen Zustand am besten der Begriff „Akzeptanzorientierte Repression“ passt. Das gibt es eigentlich nicht, beschreibt den Zustand bundesdeutscher Cannabispolitik im Jahr 2011 jedoch mehr als treffend.

Endstation Joint:
Das Recht auf freie Meinungsaüßerung in BaWü

Ein Video bei youtube bringt die Staatsanwaltschaft Baden-Baden dazu, den Protagonisten wegen Besitz und Erwerb von Cannabis anzuzeigen. Was war geschehen? Die Hanf- Aktivisten aus Köln hatten für ihr Projekt „High in a Day“ Menschen dazu aufgerufen, ein Video als ihren ganz persönlichen Beitrag zur Cannabisfrage ins Netz zu stellen. Daraufhin stellte ein 29-Jähriger Mann aus Baden-Württemberg ein Video ins Netz, in dem er unter anderem behauptet, einen Joint zu rauchen.

Er habe vor dem Video ungefähr 2,5 Gramm Cannabis mit einem nicht auschließbaren Wirkstoffgehalt von nur fünf Prozent(?) zum Eigenkonsum erworben, so die kurz nach Veröffentlichung folgenden Anklageschrift. Jetzt wartet der Mann auf die Hauptverhandlung wegen eines Videos und einer virtuellen, Geringen Menge, ohne dass die Polizei auch nur ein Gramm echtes Weed als Beweismittel besitzt. Die Beweise, dass es sich wirklich um Cannabis handelt, sind bei genauem Hinschauen sehr dünn. Dafür wird im Video genau der Staatsanwalt erwähnt, der dann auch die Anklage verfasst. So wird der Anschein erweckt, dass es hier nicht darum geht, kriminelle Machenschaften zu unterbinden, sondern um die Einschüchterung von Hanfaktivisten und Cannabiskonsumenten.

In Fürth ermittelte die Staatsanwaltschaft schon 2010 gegen einen jungen Mann, der Flugblätter des Deutschen Hanfverbands an Bushaltestellen ausgelegt hatte wegen angeblicher Aufforderung zur Sachbeschädigung. Denn, so wird argumentiert, die Kritik an der Werbeaktion der Stadtwerke, könnte von der „Szene“ als Aufruf zum Graffiti verstanden werden.
Auch gegen Steffen Geyer, dem Mit-Organisator der Hanfparade, hat die Staatsanwaltschaft in Viersen/NRW, bereits vor fast zwei Jahren ein Strafverfahren eröffnet: Er hatte bei youtube vor den offensichtlich falschen Aussagen eines ,,Kifferflyers“ der dortigen Polizei gewarnt. Während des Videos hat er geraucht, was auch hier für ein Ermittlungsverfahren ausgereicht hat. Das sind nur drei Beispiele von vielen, der Hanfverband hat auf seiner Homepage vor einiger Zeit eine sehr interessante Videoreihe* zur Repressionsfällen initialisiert, in der diese Beispiele durch zahlreiche, weitere ergänzt werden.

Reden hilft, Repression radikalisiert

Es ist eine Sache, die Geringe Menge sehr restriktiv auszulegen, so wie es die Strafverfolgungsbehörden in einigen Bundesländern bereits tun. Daran haben sich Hanfreund/inn/e/n fast schon gewöhnt. Bedenklich wird es, wenn Straftatbestände wegen eines Joints oder ein paar Gramm zum eigenen Bedarf konstruiert werden, um Bürger daran zu hindern, unangenehme Wahrheiten zu verbreiten oder auch einfach nur ihren Feierabendjoint zu rauchen.

Wer als Staat so handelt, radikalisiert grundlos junge Menschen, die es sich ab sofort zweimal überlegen werden, ob und wie sie kommende Aktionen anonymisiert durchführen können.
*www.hanfverband.de

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