Donnerstag, 30. Juni 2011

Alkoholprohibition in den USA

Ein abschreckendes Beispiel

Wie ihr euch sicherlich schon denken könnt, wird unter Alkoholprohibition das vollständige Verbot von Alkohol bezeichnet. Darunter versteht man beispielsweise das Verbot des Alkoholverkaufs und -genusses in einigen arabischen Ländern sowie des Handels von Alkohol in den USA (1919-1933). In den USA war es im Prinzip so, dass eine kleine, aber lautstarke puritanische Minderheit einer Mehrheit der Gesellschaft ihre Drogenpolitik aufzwang. Damit einher ging der Aufstieg der organisierten Kriminalität. Kulturell führte die Prohibition dazu, dass das weiße liberale Amerika den Hanf und die Jazzmusik entdeckte.

Aber alles auf Anfang: Mit Maine brachte im Jahre 1851 der erste amerikanische Bundesstaat die ganze Absurdität ins Rollen. 1893 formierte sich aus der Frauengruppe „Vereinigung christlicher Frauen für Mäßigkeit“ und weiteren Gruppen die sogenannte „Anti-Saloon-Liga“, um eine alkoholfreie USA zu schaffen. Nicht zufällig wurde fast zur gleichen Zeit auch ein Verfassungszusatz zum Frauenwahlrecht verabschiedet. Bis 1916 führten 23 Staaten die Prohibition ein, 17 davon durch Volksabstimmung. Am 18. Dezember 1917 wurde das Gesetz zur Einführung der Prohibition vom Kongress mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit verabschiedet, durch 36 Staatsparlamente am 16. Januar 1919 unter Herbert C. Hoover ratifiziert und als 18. Zusatzartikel in die Verfassung der USA aufgenommen. Dieser trat am 16. Januar 1920 in Kraft. Berauschende Flüssigkeiten (Getränke mit mehr als 0,5% Alkoholgehalt) im Sinne des 18. Verfassungszusatzes wurden übrigens bereits 1919 im National Prohibition Act definiert.

Wie jede Maßnahme hatte auch die Prohibition sowohl positive wie auch negative Auswirkungen. Während des Verbots gab es leider keine Konsumstatistik, so müssen alkoholbedingte Schäden als Indiz hinzugezogen werden. Doch dem zwar deutlich gesunkenen Prozentsatz an Leberzirrhosen mit tödlichem Ausgang stand eine dramatisch erhöhte Zahl schwerer Verbrechen gegenüber. Die Mafia sowie andere Gangstersyndikate erwirtschafteten in dieser Zeit mit Duldung durch Behörden und mit Unterstützung der Alkoholproduzenten riesige Gewinne. Eng damit verbunden sind solche Namen wie Johnny Torrio und Al Capone, die sich regelrecht eine eigene komplette Alkohol-Industrie aufbauten, da das Verbot es ermöglichte, vielfach höhere Preise für Alkohol zu verlangen. Da organisierte Banden die Schwarzmärkte kontrollierten, kam es in manchen Vierteln Chicagos oder New Yorks fast täglich zu Schießereien zwischen rivalisierenden Gruppen. Die Kriminalität stieg schon allein im Jahre 1921 auf 24% gegenüber dem Vorjahr.
Ein weiterer negativer Aspekt neben den hohen sozialen Kosten war natürlich auch das Schwarzbrennen. Das hatte zur Folge, dass sich, neben wesentlich schwerer gesundheitlichen Folgen wegen dieses Gepansches, kriminelle Parallelwelten und die Mafia erst etablieren konnten. Schließlich setzten die Familienväter Woche für Woche ihren kargen Lohn in schlechten Fusel um. Verkauft wurde dieser vor allem in illegalen Kneipen (Speakeasies). So ist die Prohibition ein geradezu klassisches Beispiel, dass man mit Verboten nichts erreicht. Gerade diejenigen, die sich nie was aus Alkohol machten, fingen da erst an zu trinken. Es galt eben als schick, Vater Staat ein Schnippchen zu schlagen. Zum Bund und Bundesbehörden haben auch heute noch viele US-Bürger ein etwas gestörtes Verhältnis. Eine Abteilung des FBI war beispielsweise nur damit beschäftigt, Schwarzbrenner auszuheben. Auf der anderen Seite konnte die Versorgung jederzeit gewährleistet werden, da die Prohibition von vielen Amerikanern als Unsinn angesehen und der Polizei- und Justizapparat gut geschmiert wurde. Dagegen konnten auch die „Untouchables“ unter ihrem Chef Eliot Ness nicht viel ausrichten.
Daher ist Prohibition in Ländern, in denen der Alkoholkonsum weit verbreitet und wo es einfach ist, alkoholische Getränke herzustellen oder hinein zu schmuggeln, keine geeignete Maßnahme zur Verhütung von Alkoholproblemen, zumal sie außerdem die Freiheit des einzelnen in hohem Maße einschränkt.

Insgesamt ist die Prohibition aber auch als Anti-Drogenbewegung zu sehen. So gab es bereits in den Jahren um 1910 Bestrebungen, den Opiumhandel zu kontrollieren. Auch Heroin, Kokain und Morphium waren ins Gerede gekommen. In Ägypten bezahlten manche Unternehmer ihre Arbeiter mit Heroin, das noch immer in großem Stil von Bayer geliefert wurde. Im Jahre 1914 wurde Marihuana auf die Harrison Act gesetzt und 1917 das aus Deutschland stammende Heroin verboten. Durch die Belastungen des Krieges waren Kokainismus und Morphinismus sehr verbreitet, nicht zuletzt im zaristischen und revolutionären Rußland, wo der Kokainismus während des Bürgerkrieges die zweite „Volkssucht“ nach dem Wodka war.

Nach rund 14 Jahren Prohibition hatten die USA ein gut organisiertes Verbrechen und immer noch Lust auf Hochprozentiges. Da kam die Weltwirtschaftskrise gerade recht, denn diese verstärkte die negativen Aspekte der Prohibition und den Wunsch nach wirtschaftlichem und finanzpolitischem Aufschwung. Am 17. Februar 1933 verabschiedete der US-Senat den nach ihm benannten Blaine Act, einen Gesetzesvorschlag, den der Kongress drei Tage später während der Amtszeit von Präsident Franklin D. Roosevelt als 21. Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung ratifizierte. Dadurch wurden der 18. Zusatzartikel und damit das seit 1919 landesweit geltende Handelsverbot wieder aufgehoben. So blieb es wie bei der Einführung der Prohibition auch bei ihrer Aufhebung den einzelnen Bundesstaaten überlassen, wie sie den Umgang mit Alkohol regeln wollten. Am 5. Dezember 1933 endete dank Utah die Prohibition landesweit. 1948 bestand sie allerdings immer noch in drei Staaten, und erst 1966 schaffte mit Mississippi auch der letzte US-Bundesstaat sie wieder ab.

Die Spätfolgen der ganzen Geschichte sind heute noch ganz deutlich, denn die Strukturen des organisierten Verbrechens, die nach dem Ende der Prohibition nach neuen Geschäftsfeldern suchten, bestehen natürlich immer noch. Gerade aus dem Handel mit weiterhin illegalen Betäubungsmitteln wie Opium entwickelte sich der bis heute bestehende organisierte Drogenhandel. Der riesige Staatsapparat, der zur Bekämpfung von Alkoholschmuggel errichtet worden war, wurde auf die Bekämpfung der bis dahin noch legalen Cannabis-Produkte umgestellt. Auch wenn der Hanf im reinen Zustand als außerordentlich nützlich (vor allem medizinisch) und wertvoll gilt, versuchen sich in der Neuzeit immer noch ein paar vermeintliche Besserwisser (also die mit dem gefährlichen Halbwissen) mit Angst und Panikmache – sozusagen mit mittelalterlichem Hexenkult im 21. Jahrhundert. Und so bleibt es in der Politik (vorerst!) so wie es schon immer war: Umso mehr dringende und wirklich staatstragende Probleme anstehen, umso mehr groteske Polemik erzeugt man an Unsinnigkeiten.

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