Donnerstag, 30. Juni 2011

Frieden in Sicht …und keiner merkt‘s

Über das Schweigen deutscher Medien im „War on Drugs“

Afghanistan:
Was nicht im Fernsehen kommt

Am Hindukusch spielt Heroin eine Rolle, die von unserer Regierung und großen Teilen der Opposition falsch dargestellt wird: Die Opiumproduktion ist seit der NATO-Präsenz stetig am Steigen und es mehren sich Hinweise, dass es nicht die Taliban sind, die den Großteil der Gewinne abschöpfen. Die USA arbeiten vor Ort mit dem größten Dealer im sensiblen Grenzgebiet zu Pakistan zusammen (siehe News auf Seite 20: „Die Nato und Herr Razziq“), weil er gegen die Taliban kämpft. Gleichfalls in Süd(!)-Afghanistan wurde eine Firma mit Münchner Sitz, die ein Brunnenbauprojekt betreibt, vom US-Finanzministerium auf eine Schwarze Liste gesetzt. Auf dieser „Specially Designated Nationals (SDN)“-Liste aufgeführte Personen oder Firmen dürfen mit den USA keine Geschäfte mehr machen, weil sie in den internationalen Drogen- oder Waffenhandel verstrickt sein sollen. Im konkreten Fall wirft die US-Regierung der Intercontinental Baumaschinen und Nutzfahrzeuge Handels GmbH vor, sie sei am Handel von Heroin im Wert von 70 Millionen US-Dollar beteiligt. Böse Zungen ziehen ihre eigenen Schlüsse und spekulieren, die CIA habe Angst um die eigenen Gewinne vor Ort, bleiben allerdings konkrete Beweise schuldig.

Doch allein durch die bewiesene Zusammenarbeit mit den Druglords, die mit Hilfe der lokalen Drogenfahnder sogar unliebsame Konkurrenten ausschalten können, während ihre eigenen Felder von Soldaten geschützt werden, unterstützen die USA und andere NATO-Mitglieder die größten Heroinproduzenten der Welt aktiv.

Vor der NATO-Präsenz gab es fast keine Heroinlabore in den südlichen Provinzen, mittlerweile gibt es sie in unüberschaubarer Anzahl. Zeitgleich hat sich der Schmuggel von Essigsäureanhydrid, das zur Heroinverarbeitung benötigt wird, zu einem lukrativen Nebenerwerbszweig entwickelt. Der Anbau von Weizen lohnt sich kaum, da der Weizenpreis aufgrund der billigen Hilfslieferungen der USA sowie der EU und des niedrigen Weltmarktpreises keinem Bauern das Überleben sichert. Heroin hingegen sichert den Ärmsten der Armen zumindest ein Auskommen.

Die Transportwege sind nicht nachvollziehbar, jeder behauptet von der Gegenseite, verantwortlich für das Business mit dem ehemals deutschen Patent zu sein. Fakt ist, dass ein Großteil der Ernte als Heroin in den USA oder Europa landet, wobei die Transportwege nicht von den Taliban, sondern der NATO oder ihren Verbündeten vor Ort kontrolliert werden. Das sind alles keine Beweise für eine direkte Verstrickung, allerdings auch viel zu viele offene Fragen, die erst beantwortet werden sollten, bevor der Einsatz erneut verlängert wird.

Mexiko:
Der Staat gegen alle

In Mexiko hingegen freut sich Präsident Calderon über eine weitere Festnahme, die „einen harten Schlag gegen die Kartelle“ darstelle. Vergessen hat er dabei die Fakten des seit fünf Jahre anhaltenden Krieges (siehe Kasten). Deutschsprachige Agenturen übernehmen die Propaganda-Meldung, deutsche Nachrichten zur aktuellen Situation in Mexiko sucht man selbst im Internet oft vergebens. Was daran liegt, dass deutsche Presseagenturen „interessenorientiert“ filtern, deren Redakteure also entscheiden, was viele Zeitungen im überregionalen Teil drucken und was gar nicht erst übersetzt wird.

Bolivien:
Tschüss, Single Convention

Bolivien hat angekündigt, sich aus der „Single Convention“ der UNO zurück zu ziehen. Das Land hat den Kanal voll, um es drastisch auszudrücken. Voll vom „War on Drugs“, der seit 40 Jahren tobt, täglich an Brutalität zunimmt, ganze Staatsapparate unterwandert, Familien zerreisst und zudem ihre indigene Kultur zerstört. Auslöser dieses drastischen Schritts ist die Ablehnung der UNO, die Strafbarkeit des Kauens von Kokablättern wenigstens für indigene Völker aus dem internationalen Abkommen aus dem Jahr 1961 zu streichen. Einmal aus der Single Convention ausgestiegen, könnte das Land in Zukunft selbst über seine Drogenpolitik bestimmen.

Deutschland:
Außen hui – innen pfui.

Deutschland beteiligt sich auf internationaler Ebene sogar an der Umsetzung neuer Ansätze. Als Vertreterin hat unser Land Frau Caspers-Merk geschickt, die als Mitglied der „Global Commision on Drugs“ auf internationaler Ebene sogar medienwirksam das Ende des Drogenkriegs, inklusive Cannabis-Pilotprojekte und das Ende der Konsumenten-Stigmatisierung, fordert. Fast zeitgleich hat sie in Baden-Württemberg die Koalitionsverhandlungen für die SPD geführt, ohne auch nur einen Schritt auf die Konsumenten zuzugehen, wie das Ergebnis beweist. Einfach nur dreist.

In Offenbach stürmen 15 Polizisten einen Schulhof und unterziehen die Schüler aus der Raucherecke einer Leibesvisitation. Als Begründung wird angeben, ein bereits der Schule verwiesener Schüler habe Wochen zuvor dort gekifft und Gras zum Verkauf angeboten. Die Ausbeute: Ein Gramm Gras sowie ein Messer, über dessen Beschaffenheit die Polizei keine Auskunft geben wollte. Klingt fast nach einem Taschenmesser, denn ansonsten wäre wohl ein illegales „Einhandmesser“ vermeldet worden. Auch ansonsten hat sich die Pressestelle gegenüber unserer Redaktion sehr zugeknöpft gezeigt und selbst allgemeine Fragen zu dem Eingriff in die Grundrechte unbeantwortet gelassen. Bei mangelnder Transparenz und fehlender Kooperationsbereitschaft mit der Presse sollte man sich nicht wundern, wenn aus Konsumentenkreisen immer wieder das unschöne Wort „Kifferjagd“ erklingt.

Vier Vorfälle innerhalb eines Monats, die jeder für sich beweisen, wie verlogen Politik und große Medien mit dem Thema „War on Drugs“ umgehen, weil sie den Mut nicht besitzen, was jede/r, der zwei und zwei zusammenzählen kann, längst begriffen hat: Der Krieg gegen Drogen war ein großer Irrtum unserer Eltern, der momentan mehr Leid und Opfer fordert, als jeder andere mit Waffen ausgetragene Konflikt und nicht nur in den Anbauländern auf Kosten der Menschen- und Bürgerrechte ausgetragen wird.

Wenn wir hier nicht bald kapieren, dass es nicht nur darum geht, „in Ruhe zu kiffen“, wird dieser Krieg immer mehr Tote fordern, während sich jedes Jahr mehr Amis und Europäer sich heimlich die Nase blutig pudern.

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