Mittwoch, 29. Juni 2011

Der kulturelle Kontext

Kiffen oder Komasaufen

Leicht redigiertes Transkript eines Interviews mit einer besorgten Mutter und aufgeklärten Drogenkonsumentin

Einleitende Bemerkung
Zuvor wurde kritisch über die Vorteile von Hanf als Kulturpflanze (Nahrung, Kleidung etc.) abseits der heutzutage gängigen Verteuflung als wahlweise gewaltinduzierende oder lethargisch machende gefährliche Droge Haschisch diskutiert. Siehe Artikel „Hanf überall“.
Ich will mich schon zu Beginn des Gesprächs outen, als eine aus der bösen polytoxikomanen Ecke. [Anm. d. Red.: gemeint ist eine Personengruppe, die nicht wie gerne behauptet drogenabhängig ist, sondern verschiedene psychoaktive Substanzen bewusst für verschiedene Zwecke einsetzt. (siehe Psychonauten-Artikel von Hans Cousto). Gerade die später erwähnten “Zauberpilze”, also Psilocybin-ähnliche Substanzen oder LSD, bergen praktisch keinerlei Suchtpotential.]

Kultur der entheogenen Drogen
Zur menschlichen Kultur gehören nun mal seit Jahrtausenden bewusstseinsverändernde Substanzen, d.h. es ist nicht nur Hanf, es sind auch psychoaktive Pilze und Alkohol. Menschen haben von jeher versucht, sich zu berauschen irgendwie, warum auch immer. Es hat ja auch oftmals eine gewisse Berechtigung – auch das in Riten einzubinden, beispielsweise der Pilzkonsum bei den Kelten. Früher gab es bei den Kelten ein Matriarchat, da wurden Feste wie Beltane, Samhain, Winter- und Sommersonnenwende gefeiert, wo gewisse Rituale durchgeführt wurden. Die Kelten glaubten, dass dann die Durchgänge zwischen den Welten überschreitbar wären, also die Grenzen sind da halt verschwommen. Und um diese Grenzen zu übertreten, und sich in diese Welt rein zu finden, wurden Substanzen konsumiert. Hauptsächlich von der Hohepriesterin, die vorher vier Tage gefastet hatte. Das Wissen über diese Fastenvorbereitung etwa würde heutigen Pilzkonsumenten wertvolle Hilfestellung geben. Die Priesterinnen waren damals auch kulturell und politisch die Führerinnen ihrer Stämme und mussten die wichtigen Entscheidungen treffen, die die Zukunft des ganzen Stammes betrafen. Zu diesen Gelegenheiten konnten sie dann quasi ihr Unterbewusstsein besser befragen. Das wurde dann als eine Angelegenheit von Weissagung und Göttlichkeit verbrämt. Vielleicht ist es das aber auch wirklich. (Manche glauben, dass unser Gehirn aufgrund göttlicher Weissagung so gebaut wurde, dass Pilze sich durch unser Gehirn ihrer selbst bewusst werden können.) [Anm. d. Red.: Diese Interpretation der Erlebnisse scheint übertrieben. Faktisch sind es ja nicht die Pilze, sondern die von Ihnen produzierten Substanzen, die, auch chemisch synthetisiert, die psychedelische Wirkung hervorrufen.] Ähnliches gilt für die eleusinischen und dionysischen Feste im antiken Griechenland.

Der kulturelle Hintergrund ist also enorm wichtig, aber das Wissen darum in den Naturreligionen wurde in Folge der Christianisierung unterdrückt und tabuisiert. Dadurch ging eine Menge Wissen fast verloren, hätten wir nicht Enklaven gehabt, wie Wales, die sich ihren Teil der Kultur bewahrt haben. Allerdings nur in Familien das Wissen weitergegeben haben. Aber das ist eigentlich unser aller Aufgabe. Und dann muss man sich nicht wundern, dass man um den Nutzen nicht mehr weiß, wenn man nicht Leute fragt, die davon noch Ahnung haben.

Set und Setting
Wenn es nicht funktionieren sollte, dann würde es uns umbringen und zwar sofort und nicht erst noch komische Sachen mit dem Kopf machen. Ich denke schon, dass hinter dem Aufbau der Welt zumindest eine gewisse Kosten-Nutzen-Logik-Relevanz steckt, und dass es deshalb einen guten Grund gibt, dass unser Gehirn psychoaktive Substanzen auf eine solche Art und Weise verarbeitet. Genauso wie unser Gehirn aus allen möglichen Erfahrungen lernt. Das muss in der Evolution einfach so möglich sein, und deswegen muss es möglich sein, dass man darüber Bescheid weiß, damit man einen sinnvollen Umgang damit pflegen kann. Beispielsweise ritualisierte Einnahme von Substanzen, dass man einen Anlass hat oder eine innere Fragestellung oder eine Ausgangssituation innerlich, das was heutzutage von Drogenberatern als ‘set’ und ‘setting’ bezeichnet wird. Darüber muss man sich Gedanken machen und darüber sollte man sich auch Gedanken machen. Es gibt gute Gründe für die ganzen Goa-Rituale. Aber weil die Wurzel verlorengegangen ist, ist es auch da nicht mehr ganz nachvollziehbar. [Anm. d. Red.: Spätestens hier drängt sich die Empfehlung auf, mal einen Besuch im Hanf Museum zu machen]

Komasaufen heute
Komasaufen hat auch mit der Repressions- oder Verbotspolitik zu tun, da der Alkoholkonsum aus dem kulturellen Kontext gerissen wird, und man sieht, was mit Substanzen passiert, die man aus dem kulturellen Kontext reißt. Es gab oder gibt auch eine Kultur zum Alkoholkonsum. Beispielsweise wird in Kirchen zur Messe Wein getrunken. Das ist eine kulturelle Nutzung von Alkohol, von Wein. In Italien wird auch heute noch einem 13- oder 14-jährigen zum Essen ein Glas Weinschorle eingeschenkt. Der lernt früh einen gewissen kulturellen Umgang damit, und komischerweise ist in solchen Familien der Anteil an komasaufenden Jugendlichen sehr viel geringer. Das ist zwar auch eine Studie, die die Alkohollobby in Auftrag gegeben hat, aber sie stützt unsere Argumentation. Denn sie zeigt: da, wo ein Wirkstoff aus seinem kulturellen Umfeld gerissen wird, wird dadurch das Wissen darum begrenzt oder als Tabu dargestellt. Heutzutage ist der Alkohol ja fast schon so böse wie – alles andere. Diese Jugendlichen stammen aus Elternhäusern, in denen keine Aufklärung mehr betrieben werden kann. Je mehr die Politik in Richtung Repression geht, desto größer wird die Gefahr des Missbrauchs.

Aufklärung statt Repression
Deswegen ist es wichtig die Repressionspolitik in eine Präventionspolitik umzuwandeln. Ich bin mit Hans Cousto für das Fach Rauschkunde in der Schule. Die sollen erst mal wissen, was es macht, bevor sie irgendwann sich überlegen was zu nehmen. Es gab auch früher gute Gründe, warum Du bis zu einem gewissen Alter nicht an solchen Ritualen aktiv teilnehmen durftest. Das war o.k. Und da hat sich auch jeder dran gehalten, auch die jüngeren. Aber heute können die Eltern die Gründe nicht mehr richtig darlegen. Du hast keine vernünftigen Argumente. Wenn Du sagst: weil’s verboten ist. Wo ist denn da das Argument? Das ist für mich heute noch kein Argument. Wenn man aber sagt: Hey, pass auf, Du solltest nicht kiffen, bevor Du nicht ein gewisses Alter erreicht hast und vielleicht einige Erfahrungen gemacht hast, die man im Leben braucht, bevor Du andere Erfahrungen im Zusammenhang mit Ganja machst. Dann wirst Du die Jugendlichen viel eher dazu bringen, die Hände von dem Zeug zu lassen, als wenn generell die Antwort kommt: Das ist verboten. Aber wenn man sagt, es gibt eine guten Grund, weswegen Du als junger Mensch nicht …, und das ist der und der, dann hat der Jugendliche zumindest die Wahlmöglichkeit, darüber nachzudenken und sich dumm zu verhalten und das bewusst. Aber über diese Informationen verfügen viele Familien nicht mehr, über die kulturelle Nutzung und den bewussten Umgang. Selbst mit Alkohol können viele nicht mehr bewusst umgehen. Und ich finde viele sozial akzeptierte Verhaltensweisen genauso fragwürdig vor Kindern. Aber man kann ja nicht alles verbieten. Man sollte nur bewusst damit umgehen und dann muss jeder seinen eigenen Weg finden, aber das ist alles nur möglich, wenn vernünftigerweise da Aufklärung betrieben werden kann, und die kann nur betrieben werden, wenn’s nicht verboten ist. Denn dann ist da ein Tabu und eine Hemmschwelle, und dann wird das gesellschaftlich totgeschwiegen und dann vergessen wir unsere Wurzeln.

Man muss versuchen seine Vergangenheit unter Kontrolle zu bringen, die Gegenwart zu managen und eine Zukunft zu finden.

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