Mittwoch, 27. April 2011

Haschischschmuggel als Hindernis

Oder die Chancen Marokkos ein bedeutender Staat zu werden.

Dies ist eigentlich die Story über einen marokkanischen Journalisten, der seit zwei Jahren im Gefängnis sitzt, da er gegen den Haschischschmuggel und seine begleitende Korruption protestierte. Offiziell wurde von der marokkanischen Regierung zwar eine Korruptionsbekämpfung angesagt, jedoch wird der Antidrogenkampf von den lokalen Autoritäten in Rif, einem vom Schmuggel betroffenen Ort, nur vorgespielt. Und demjenigen, der sich wagt, gegen diese Leute zu protestieren, wird der Mund verboten.

Chakib Al-Khavari ist ein marokkanischer Journalist, bekannt als Aktivist für Rechteanerkennung der berberischen Amazigh-Minderheit, die in dem Rif Gebirge lebt. Seit vielen Jahren verlangt er die Hanflegalisierung, da Hanf seit Urzeiten von Berbern angebaut wird und dann zur Produktion von Arzneien und für Industriezwecke, ähnlich wie der technische Hanf, verwendet wird. Gleichzeitig ist er für seinen Kampf gegen Missbrauch des Hanfs, also die Haschischproduktion, bekannt, von der die lokale Korruption lebt, und so zu Not und Elend seiner Heimat beiträgt.
Chakib wurde im Februar 2009 festgenommen, weil er auf die Korruption von marokkanischen Angestellten und Polizeioffizieren, die in seiner Region für den Drogenkampf verantwortlich sind, hinwies. Die Vorgehensweise der Polizei und der Jurisdiktion verstieß in diesem Fall gegen alle marokkanischen Gesetze – die lokalen „Prominenten“ bestraften Chakib daher beispielhaft, um weitere potenzielle Nachfolger, die ihre unlauteren Absichten verderben möchten, abzuschrecken.
Im Mai wurde Chakib aufgrund ausgeklügelter Beweise zu drei Jahren und zur Strafe von 68 000 EUR wegen Beamtenbeleidigung und Devisenvergehen in der Höhe von 225 EUR, verurteilt. Sein Anwalt wusste bis zum Eintreten des Gerichtssaals nicht, was die eigentliche Beschuldigung war, konnte sich also auf die Verteidigung nicht wirklich vorbereiten und konnte die erforderlichen Zeugen nicht einladen usw. Es war eindeutig ein Possenstück und kein anständiger Gerichtsprozess.
Chakibs Feinde wurden jedoch selbst mit dieser harten Gefängnisstrafe nicht zufriedengestellt. Diese Leute verfolgen ihn seit seiner Gefangenschaft. Man ließ ihn sogar nach einiger Zeit in ein Gefängnis verlegen, das weit weg von seiner Heimat lag, damit seine Großeltern ihn nicht regelmäßig besuchen konnten. Er wurde für seinen Mut bestraft, jedoch hat man seinen Widerstand nicht gebrochen. Chakib verlor bloß sein Vertrauen in das korrupte Gerichtssystem, das den lokalen Stammführern und geschmierten Polizisten und Soldaten in die Karten spielt. Er gibt nicht auf, lehnt jedoch ab, Taten zu gestehen, die er nie beging. Genau das müsste er aber tun, um um Gnade bitten zu können.

Rund um die Welt verlangen jetzt Chakibs Unterstützer von König Mohamed VI. dessen Freilassung und fordern die Revision des ungerechten Gerichtsprozesses. Der marokkanische König wurde in den letzten Monaten oft in dieser Angelegenheit angesprochen, nicht nur von Einzelpersonen und weltbekannten Organisationen, sondern auch von vielen marokkanischen Aktivisten und dortigen Menschenrechtschutzorganisationen.
Normalerweise werden solche, nach Gerechtigkeit rufenden Stimmen ignoriert, diesmal scheinen sie ihre Zuhörer gefunden zu haben. Die marokkanischen Vertretungsbehörden in Europa (die Prager Botschaft wurde auch informiert) reagieren nämlich ungewöhnlich begeistert auf diese Bittbriefe, sogar scheinen sie bereit zu sein, in dieser Angelegenheit der Gerechtigkeit Genüge zu tun.

Angesichts der Unruhen, die in letzten Wochen die arabische Welt ergriffen haben, liegt die Erklärung dafür nahe. Der marokkanische König Mohamed VI. bestieg den Thron im Jahr 1999, und seitdem modernisiert er sein Land langsam aber effektiv. Er führte eine ganze Reihe Reformen ein, genehmigte politische Parteien und kultivierte die politische Szene insofern, dass sein Königreich zur Einführung der Demokratie und freier Wahl reifte. Es war kein einfacher Weg. Denn er trat der Tradition von arroganten Gouverneuren und lokalen Stammführern entgegen, aber König Mohamed wird im Unterschied zu den meisten anderen arabischen Führern dafür von seinem Volk wirklich geliebt, und das Volk bietet ihm eine starke Unterstützung an. Dadurch gelang es ihm, bis jetzt, die Reformen erfolgreich durchzusetzen. Somit konnte sich das auf arabische Verhältnisse ungewöhnlich arme Marokko auch ohne Öl, Erdgas und andere Rohstoffquellen in der letzen Dekade modernisieren und ökonomisch ausbauen.

Obwohl Marokko nicht über das in der arabischen Welt so gewöhnliche „schwarze Gold“ verfügt, hat das Land einen anderen Schatz – seinen Monarchen, der in direkter Linie zum Propheten Mohamed liegt. Diese Tatsache garantiert ihm nicht nur ein riesiges Ansehen in der Sunnit-islamischen Welt, sondern es könnte im Endeffekt einen größeren Wert darstellen als das gesamte Gold der Welt. Ähnlich wie sein berühmter Namensbruder, so ist auch der marokkanische König ein erfolgreicher und weiser Reformator, der von der arabischen Welt bereits seit seiner Krönung als aufgeklärter Herrscher verehrt wird.

Und dies scheint einen wirklich guten Grund zu haben. Zu Beginn dieses Jahres überraschte der marokkanische König sein Volk und die ganze arabische Welt mit einer beispiellosen Tat. In seiner Festansprache verkündete er unerwartet die geplanten Reformen deutlich zu beschleunigen und eine neue Verfassung erstellen zu lassen, die anschließend dem landesweiten Referendum vorgelegt wird. Er versprach seine Macht teilweise an die gewählte Vertretung zu übergeben, wodurch sowohl die individuelle als auch die kollektive Freiheit verstärkt werde. Er werde die Gerichtsbarkeit unabhängig machen (das heißt, in Zukunft sollte es zu ähnlichem Unrecht, wie Chakib heute durchmachen muss, nicht mehr kommen).

Der König appellierte an seine Marokkaner, eine Bürgergesellschaft aufzubauen; er bat auch Frauen in der regionalen Verwaltung zu kandidieren. Er entnahm den lokalen Führern Kompetenzen und diese wurden durch gewählte Selbstverwaltungen ersetzt, wodurch Chakibs Feinden schlechte Zeiten bevorstehen. Er entschied auch über massive Machtdezentralisation und über die Unterstützung der Ausbildung ökonomischer Entwicklung unterentwickelter Regionen, wie es in Rif der Fall ist. Das Beste an der ganzen Sache ist allerdings, dass er offiziell die marokkanischen Berber Amazigh anerkannte, und sie als Bestandteil des Nationalerbes erklärte. Etwas wofür Chakib sein ganzes Leben lang kämpfte.
Der aufgeklärte marokkanische König handelte sehr weise – als er auf dem arabischen Horizont ein Gewitter ahnte, trat er auf das Gaspedal und fuhr davon. In Marokko wurde zwar auch, ähnlich wie in anderen arabischen Ländern demonstriert, allerdings mit dem Unterschied zu diesen ohne Blutvergießen. Und die Leute in den Straßen jubelten und verehrten ihren König.

Wenn ich an der Stelle vom Königsratgeber wäre, würde ich ihm noch eine weise Tat empfehlen – Chakib Al-Khayari freizulassen! Denn gerade solche tapferen und moralisch reinen Menschen werden von den Amazigh in Rif gebraucht, damit ihre Region dem Wunsch des Königs entsprechend aufblühen kann. Und Chakibs Traum, aus dortigem Hanf Arzneimittel anstatt Haschisch herzustellen, könnte bald in die Tat umgesetzt werden. Marokko hat nämlich große Chancen, die Genehmigung zum Hanfanbau für diese Zwecke zu erhalten. Die industrielle Unterentwicklung der Rif Region würde somit zu ihrem rentablen Vorteil werden, denn man würde nur schwer solch einen fruchtbaren und zum Hanfanbau geeigneten Boden in anderen Regionen finden. Die Bewohner Rif´s kennen sich im Hanfanbau aus, sollten sie sich jedoch mit der Verarbeitung zu Arzneimitteln nicht zu helfen wissen, würden viele mit dem nötigen Know-How zu der Sache beitragen. Marokko würde dadurch nicht mehr als Drogenexporteur bekannt sein, sondern durch die Hanfarzneimittel internationales Prestige gewinnen und könnte zur Wohlstandsgesellschaft werden.

Chakib Al-Khayari ist berberischer Abstammung und die Region, in der er lebt (Gebirge Rif), ist einerseits durch ihre industrielle Unterentwicklung sowie andererseits durch die ausgezeichnete Qualität des lokalen Hanf berühmt. Die Anbautradition dieser Pflanze reicht bis tief in die Vorzeit zurück, weit bevor Nordafrika von Arabern und vom Islam erobert wurde. Die Berber haben zum Hanf eine uralte Bindung. Was Chakib an der Sache störte, ist, dass aus dem in Rif angebauten Hanf Haschisch erzeugt wird, das dann nach Europa geschmuggelt wird. Dies sei einer der Gründe, warum Marokko weltweit wenig geachtet würde.

Der Schmuggel, der jährlich auf tausend Tonnen Haschisch abgeschätzt wird, kommt allerdings nur einer engen Kaste lokaler Führer und Staatsbeamter zugute, da diese von den Schmugglern bestochen werden. Bürger in Rif kommen in diesem Geschäft zu kurz. Ihre Existenz war in der armen und industrieverlassenen Region ohne Verkehrs- und andere Infrastruktur noch nie einfach. Denn dort baut man zwar Hanf für die Haschischherstellung an, reich wird man durch den Verkauf allerdings nie. Ganz im Gegenteil – die Bewohner werden durch die Anwesenheit der Drogenmafia schwer bestraft. In Form der Verbreitung harter Drogen in ihren Landgemeinden und in Form der brutalen Polizeirazzien in ihren Feldern, die von der korrupten Polizei durchgeführt werden und zwar mit umso größerer Begeisterung, je laxer sie gegen die Schmuggler eingreifen. Die Entwaldung zwecks Flächenverbreitung für den illegalen Hanfanbau schadet auch der dortigen Landschaft sehr, die empfindlich auf Bodenerosion reagiert, und ihre Biodiversität reduziert.
2008 trat Chakib in einer Filmreportage zusammen mit dem Bürgermeister einer nahen Ortschaft von Rif auf. Sie zeigten französischen Journalisten eine Anlegestelle mit Schmugglerbooten an der marokkanischen Küste. Sie machten sich zusammen auf den Weg zur Regionalpolizeizentrale, um die Behörde auf diese Boote aufmerksam zu machen. Die Polizisten fuhren zwar mit, sobald sie allerdings die Schmugglerbucht in Sicht bekamen, fingen sie an zu behaupten, ihr Boot sei zu weit gefahren, und dürfe nicht weiter. Danach erklärten sie, es sei dort zu wenig Wasser, sie fürchteten, ihr teures Polizeiboot könnte beschädigen werden und zum Schluss drehten sie schweigend um und kehrten zu der Polizeizentrale zurück ohne gegen die Schmuggler eingegriffen zu haben.

Einen Monat vor der Festnahme sendete Radio Netherlands Worldwide ein Interview mit Chakib, das auf Arabisch geführt wurde. Chakib äußerte sich zu einer damals euphorisch gefeierten Festnahme von mutmaßlichen Drogenschmugglern, bezeichnete sie aber als einen großen Betrug, und sagte, dass die wahren Schmuggler die ganze Region beherrschen und ihre langen Finger würden bis zur Regierung vorgreifen. Er nannte sogar einen Drogenbaron aus einem Dorf in Rif, der von sich behauptete, er verfüge über so viel Macht innerhalb des Dorfes, wie König Mohamed VI. in Rabat, der Hauptstadt Marokkos.

Weitere Informationen über Chakib finden Sie auch unter:
www.amazightv.net/uitzending/1028_interview-met-chakib-al-khayari-over-cannabis-in-de-rif.html
www.dailymotion.com/video/x6r44w_enquete-exclusive-nador-maroc-le-de_news

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Endlich mal eine gute Nachricht

Uns erreichte direkt zum Redaktionsschluß die aktuelle Nachricht, dass der marokkanische König Mohamed der VI, knapp 200 inhaftierten, politischen Gefangenen in Marokko ein Gnadengesuch gestattet. In einigen Fällen wurden Haftstrafen direkt beendet, in anderen wurden die zuvor angesetzten Strafen verringert. Zu den 96 Gefangenen, die direkt in die Freiheit entlassen wurden, zählt auch Chakib El-Khyari, der wegen der Beschuldigungen, Beamten seien in den Drogenhandel involviert, zu drei Jahren Haft und hohen Geldstrafen verurteilt wurde.
Lang lebe der König!

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