Mittwoch, 30. März 2011

Wie der Stoffwechsel der Leber Wechselwirkungen zwischen Cannabis und Medikamenten beeinflusst

Franjo Grotenhermen ist Vorstand und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin

Die Leber ist die Entgiftungszentrale des Organismus. Viele vom Körper aufgenommene Substanzen, wie beispielsweise Cannabinoide und Medikamente werden hier umgebaut, verändert und vor der Ausscheidung über den Darm oder die Nieren zu unwirksamen Molekülen abgebaut. Beim THC entsteht im ersten Stoffwechselschritt 11-Hydroxy-THC (11-OH-THC), das etwa genauso wirksam wie die Ausgangssubstanz THC ist. Im nächsten Schritt entsteht die THC-Carbonsäure (THC-COOH), die keine psychischen Wirkungen verursacht und daher häufig als „unwirksames“ Stoffwechselprodukt bezeichnet wird.

Diese chemischen Reaktionen werden durch bestimmte Enzyme beschleunigt, die vor allem in der Leber vorkommen. Enzyme sind Proteine, die chemische Reaktionen fördern. In der Leber gibt es für den Abbau von Medikamenten, Giften und anderen Substanzen eine ganze Gruppe spezifischer Enzyme, die so klingende Namen tragen wie CYP3A4 oder CYP2C9. Diese beiden Enzyme sind die wichtigsten Enzyme für den Abbau von Cannabinoiden. Es gibt eine Anzahl weiterer CYP-Enzyme.
Wenn zwei Substanzen das gleiche Enzym benötigen, dann kann es schon mal vorkommen, dass der Abbau langsamer verläuft, als wenn nur eine Substanz im Körper wäre. Beispielsweise führt die gleichzeitige Einnahme eines bekannten Herzmedikamentes (Diltiazem) und eines häufig verwendeten Antidepressivums (Imipramin) dazu, dass Imipramin langsamer abgebaut wird und die Blutkonzentration des Medikamentes höher ist, als bei der eingenommenen Dosis zu erwarten wäre. Vielen Ärzten ist das allerdings wenig bekannt. Bei solchen Wechselwirkungen kann es zu ungewollten Überdosierungen kommen. Bei der gleichzeitigen Einnahme vieler Medikamente kann die Situation selbst für Experten recht unübersichtlich werden.

Es ist bekannt, dass die Einnahme hoher Dosen Cannabidiol (CBD) den Abbau von THC verlangsamen kann, weil beide Cannabinoide die gleichen Enzyme zum Abbau benötigen. Bei längerer Verwendung ist das allerdings nicht mehr der Fall, weil es zu einer so genannten Enzyminduktion kommen kann. Das bedeutet, dass die Konzentration der benötigten Enzyme mit der Zeit zunimmt, sich also dem Bedarf anpasst. Dann sind genug Enzyme da, auch wenn hohe CBD-Dosen verwendet werden. Man kann sich nun vorstellen, dass es auch eine Wechselwirkung zwischen Cannabinoiden und Medikamenten gibt, wenn diese Medikamente die gleichen Enzyme zum Abbau benötigen. Beispielsweise wurde im Jahr 2002 ein Artikel über einen jungen Mann veröffentlicht, der Viagra in Kombination mit Cannabis verwendet hatte und einen Herzinfarkt erlitt. Die Autoren spekulierten damals, ob Cannabis die Wirkung von Viagra (Sildenafil) verstärkt haben könnte, weil Cannabinoide und das Potenzmittel das gleiche Leberenzym (CYP3A4) zum Abbau benötigen. Es ist allerdings wahrscheinlicher, dass es unerwünschte Wechselwirkungen auf Herz und Kreislauf (Blutdruckabfall, Steigerung der Herzfrequenz) gab, die dann zum Herzinfarkt geführt haben.

Niederländische Wissenschaftler hatten im Jahr 2007 bei 24 Krebspatienten untersucht, ob die Behandlung mit zwei Krebsmedikamenten (Irinotecan und Docetaxel), die beide zur Verstoffwechselung Enzyme der CYP3A-Gruppe benötigen, durch die Einnahme von Cannabis beeinflusst wird. Die Patienten erhielten einige Tage lang Cannabis als Tee (200 ml pro Tag), wobei ein Gramm der Droge mit einem Liter Wasser aufgebrüht worden war, und an anderen Tagen keinen Tee. Diese Studie ergab, dass die Verwendung von Cannabis keinen relevanten Einfluss auf die Ausscheidung und die Konzentration der beiden Krebsmedikamente hatte. Die Wissenschaftler folgerten daher, dass Cannabis gleichzeitig mit diesen Medikamenten eingenommen werden kann, ohne dass die Dosis angepasst werden müsste.

In einer anderen Untersuchung aus den USA aus dem Jahr 2002 geht hervor, dass das Rauchen oder die orale Einnahme von THC keinen Einfluss auf die Verstoffwechselung von anti-retroviralen Medikamenten, die bei einer HIV-Infektion verwendet werden, hatte. Die Forscher folgerten aus diesen Ergebnissen, dass die Verwendung von Cannabis bzw. Cannabinoiden wahrscheinlich nicht die Wirksamkeit anti-retroviraler Medikamente beeinflusst.

In den beiden Studien zu Krebs- und Aids-Medikamenten wurden vergleichsweise geringe THC- bzw. Cannabis-Dosen verwendet. Daher können diese Ergebnisse nicht auf einen starken Cannabiskonsum übertragen werden.

Die meisten Wechselwirkungen von Cannabinoiden mit anderen Medikamenten beruhen allerdings nicht auf einer gemeinsamen Verstoffwechselung in der Leber, sondern auf ähnlichen oder gegensätzlichen Wirkungen. Beispielsweise verstärken sich die schmerzlindernden Wirkungen von Opiaten und Cannabis, während Cannabis die durch Opiate ausgelöste Übelkeit lindern kann. Daher ist die Kombination von Opiaten und Cannabinoiden bei chronischen Schmerzen häufig sinnvoll.

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