Teil 1: Gemeines Schilfrohr, Rispengras
lat: Phragmites australis (Cav.) Trinius ex Steudel
Botanische Familie:
Gramineae (Poaceae), Süßgräser
Vorkommen:
Weltweit; häufig in Mitteleuropa an Ufern von Gewässern, Flachmooren und Riedwiesen.
Aussehen:
Phragmites australis ist ein bis zu vier Meter hohes, aufrecht wachsendes Sumpfgrasgewächs mit bis zu 50 Zentimeter langen und bis zu zwei Zentimetern breiten Blättern. Das Schilfrohr blüht von Juli bis September. Der Samen reift während der Winterzeit. Phragmites australis wirft ebenfalls während des Winters seine Blätter. Die Pflanze trägt eine vielblütige Rispe mit violetten Ährchen.
Violette Ährchen
Wirkstoffe:
N,N-Dimethyltryptamin (N,N-DMT), 5-MeO-Dimethyltryptamin (5-MeO-DMT), Bufotenin und Gramin im Wurzelstock.
Die stark wirksamen psychedelischen Substanzen N,N-DMT, 5-MeO-DMT und Bufotenin gehören zur Gruppe der Tryptamine (Indolalkaloide) und sind nahe mit Psilocybin, Psilocin und Baeocystin verwandt. Der Inhaltsstoff Gramin weist eine dem N,N-DMT strukturelle Ähnlichkeit auf, ist aber ein nicht psychoaktives Alkaloid, das u.a. auch in der Gerste vorkommt.
Geschichte:
In Ägypten diente Phragmites australis schon in der Antike als Nutzpflanze. Man stellte aus dem Schilfrohr Getränke, Matten, Musikinstrumente, Nahrungsmittel, Pfeile und Pfeilschäfte, Zellulose und vieles mehr her. Außerdem diente das Schilfrohr als Dachabdeckung. Die Serí-Indianer Nordmexikos benutzen die hohlen Rohrstengel als Tabakpfeife, die Navajo fertigen Gebetsstangen daraus. Überhaupt ist den Navajo die Pflanze heilig. Phragmites australis soll, von einem Heiligen gesandt, das Volk vor der Großen Flut gerettet haben. Mensch und Tier stieg in den hohlen Stengel, welcher darauf gen Himmel wuchs.
Medizinisch wurde die Wurzel des Schilfrohrs recht vielseitig verwendet. Bei den Navajo dient ein Aufguss der pulverisierten Wurzel als Brechmittel bei Haut- und Magenkrankheiten. Außerhalb der indianischen Verwendung wurde Phragmites australis volksmedizinisch angewendet als Pflaster und Diuretikum (auch in Europa) sowie bei Husten, Lungenproblemen, Schluckauf und verschleimten Bronchien. Von einer historischen Verwendung als Entheogen ist trotz der potenten Inhaltsstoffe nichts bekannt. Neuzeitlicher Gebrauch als Ayahuasca-Analog.
Exkurs:
Was ist Ayahuasca? Und was ein Ayahuasca-Analog?
Ayahuasca, der berühmte entheogene Schamanentrunk aus dem Amazonasgebiet, sollte eigentlich bekannt sein. Für originäres Ayahuasca wird, neben verschiedenen psychotropen und nicht psychotropen Pflanzenzusätzen, in der Hauptsache Banisteriopsis caapi (eine Lianenart) mit Blättern von Psychotria viridis (Chacruna) kombiniert. Dabei spielt P. viridis die Rolle des DMT-Lieferanten. Banisteriopsis caapi mit seinem Hauptalkaloid Harmin (aus der Gruppe der Harman-Alkaloide), wird benötigt, um den Wirkstoff DMT (N,N-Dimethyltryptamin) für die orale Aufnahme zu aktivieren. DMT würde anderenfalls vom körpereigenen Monoaminooxidase-Enzym (MAO) sofort blockiert.
Vereinfacht gesagt: Die Harman-Alkaloide der Liane Banisteriopsis caapi hemmen die Monoaminooxidase, das körpereigene Enzym wird temporär „ausgeschaltet“, und das in Psychotria viridis enthaltene DMT kann seine Wirkung entfalten. Ohne Beigabe der Liane würde DMT sofort vom körpereigenen Monoaminooxidase-Enzym unterdrückt und keine Wirkung freisetzen. Allerdings hat die Hemmung dieses Enzyms einige entscheidende Nachteile: MAO-Inhibitoren (= Hemmer) dürfen nicht zusammen mit vielen Lebensmitteln und anderen Drogen eingenommen werden. Lebensbedrohlich sind Kombinationen innerhalb 12 Stunden vor und nach der Einnahme von MAO-Hemmern mit: Alkohol, Amphetaminen, Ananas, Antihistaminika (Allergie-Medikamente), Asaron (z.B. enthalten im ätherischen Öl des Kalmus Acorus calamus und des Matico-Pfeffers Piper angustifolium u.a.), Bananen (vor allem sehr reife), Beruhigungsmitteln, Dill-, Petersilie- und Fenchelöl, Ephedrin, Käse, Koffein (Cola, Guarana, Kaffee, Kakao, Tee, u.ä.), Tranquillanzien, Meskalin (Peyote, San Pedro u.a.), Macromerin (Donana-Kaktus = Coryphantha spp.), Muskatnuß, Sauerkraut, Schokolade, Sherry, Tryptophane, Tyrosin (in Fisch, Geflügelleber, Pferdebohnen, Chianti …) u.a.
Wo weder Banisteriopsis caapi noch Psychotria viridis verfügbar sind, können andere DMT- bzw. Harmalaalkaloid-haltige Gewächse Verwendung finden. Solche Pflanzen werden Analoga genannt, weil sie genau jene Inhaltsstoffe liefern, die in der Originalzubereitung verwendet werden.
In unserem Fall würde das Ayahuasca-Analog folgendermaßen aussehen: Phragmites australis als DTM-Quelle, Peganum harmala-Samen als MAO-Inhibitor. P. harmala-Samen lassen sich leicht über den ethnobotanischen Fachhandel beziehen.
Verwendung:
20 bis 50 Gramm des Wurzelstocks (Radix Arundinis vulgaris) werden etwa 15 Minuten ausgekocht und mit etwa drei Gramm Steppenrautensamen versetzt. Der Sud wird getrunken. DOCH VORSICHT!! Diese Rezeptur ist ein hochpotentes Ayahuasca-Analog! Wer es partout nicht lassen kann, sollte unbedingt mit einer minimalen Dosierung beginnen.
Wirkung:
DMT muß entweder geraucht, intravenös gespritzt oder geschnupft werden, um wirksam zu sein. Soll eine DMT-haltige Pflanze oral aufgenommen, also getrunken oder gegessen werden, muss das im menschlichen Körper vorhandene MAO-Enzym kurzzeitig blockiert werden (s.o.).
DMT ist ein sog. kurzwirkendes Tryptamin. Es erzeugt kurze, heftige Trips, welche in etwa mit LSD-Reisen verglichen werden könnten. Diese gehen allerdings oft mit unangenehmen physischen Symptomen (Zittern, Zuckungen, Krämpfen) einher. Geraucht oder geschnupft hält die Wirkung fünf bis fünfzehn Minuten an, bei oraler Applikation bis höchstens fünfundvierzig Minuten. Ansonsten ist ein DMT-Trip von stark visuellem Charakter. DMT-Reisen sind von schrilleren, farbigeren und schillernderen Halluzinationen geprägt, als dies bei LSD-25 oder Psilocybin der Fall ist. DMT ist kreuztolerant zu LSD-25.
Gefahren & Nebenwirkungen:
Auslösen einer latent vorhandenen Psychose, Diarrhoe (Durchfall), Erbrechen, Hypertonus (erhöhter Blutdruck), innere Unruhe, Kopfschmerz, Mydriasis (Pupillenerweiterung), Panikattacken, Tachykardie (Anstieg der Herzfrequenz), Tachypnoe (Anstieg der Atemfrequenz), Übelkeit, übermäßige Speichelproduktion und Zittern.
Rechtslage:
N,N-DMT ist in Deutschland, der Schweiz und in den USA als Betäubungsmittel eingestuft und somit eine illegale Substanz. Die ebenfalls machtvollen psychedelischen Verbindungen 5-MeO-DMT und Bufotenin hingegen, sind nicht erfasst oder verboten. Der Besitz von 5-MeO-DMT könnte allerdings geahndet werden, wenn die rechtliche Auslegung auf eine Verwendung als DMT-Analog pocht. Die Pflanze Phragmites australis ist weltweit legal und nicht als Drogenpflanze bekannt.
Literatur:
BERGER, MARKUS, Handbuch für den Drogennotfall, Solothurn 2004
DeKorne, J., Aardvark, D., Trout, K., Ayahuasca Analogues and Plant-Based Tryptamines, The Entheogen Review Book 2000
OTT, JONATHAN, Pharmacotheon, Jonathan Ott Books 1993
OTT, JONATHAN, Ayahuasca Analoge – Pangaeische Entheogene, Löhrbach 1995
Rätsch, Christian, Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen, Aarau 1998
Schuldes, Richard E./Hofmann, A., Pflanzen der Götter, Aarau 1998
SHULGIN, ANN & ALEXANDER, TiHKAL – The Continuation, Transforming Press 1997
Tscharntke, T., Tritrophic interactions in gallmaker communities on Phragmites australis: testing ecological hypotheses. In: Price, P.W., Mattson, W.J., Baranchikov, Y. (eds.): The ecology and evolution of gall-forming insects, USDA Forest Service, North Central Forest Experiment Station, St. Paul, MN, General Technical Report NC-174: 73-92; 1993
Tscharntke, T., Connections of insect population dynamics with community structure in Phragmites-habitats. In: P.J. den Boer, P.J.M. Mols, J. Szyszko (eds.): Dynamics of Populations, Agricultural University Warsaw, 37-44; 1993 Pflanzen unserer Heimat