Montag, 30. August 2010

Über den Anbau von Coca

„In its native environment, it grows alongside plants like coffee, ginger, and banana.” (MURPLE 2002)

Das Wissen um die vegetative (per Steckling) und generative (per Samen) Vermehrung der Coca wird von den Coca-Bauern innerfamiliär weitergegeben und gelangt daher nicht so einfach an die Öffentlichkeit. Allerdings ist der Coca-Anbau auch kein großartiges Geheimnis, und ich habe eine ganze Weile recherchiert und probiert, um vorliegendes Stück schlussendlich verfassen zu können. Der Artikel dient rein wissenschaftlichen, informativen Dokumentationszwecken, nicht der Nachahmung und ist unter keinen Umständen als Aufforderung zu illegalen Handlungen zu verstehen.
Um wachsen und gedeihen zu können, benötigt die Cocapflanze Erythroxylum coca eher mediterrane bis tropische Vegetationen – vorzugsweise frostfreie Zonen. Coca wächst in den USA (Kalifornien, Arizona, New Mexico, Texas, Louisiana, Alabama, Mississippi und Florida), Europa (Spanien, Italien und Griechenland) und in Australien (Neuseeland). Neben der allgemeinen Darstellung der Coca-Kultivierung möchte ich mit dieser Arbeit untersuchen, ob Erythroxylum coca auch in weniger geeignetem Klima, dafür aber beispielsweise im Treibhaus oder in Topfkultur mit Überwinterung im Haus vermehrt und gehalten werden kann.
Falls bereits Cocapflanzen kultiviert werden, deren Samen geerntet werden sollen, so geschieht dies in unseren Gefilden vorzugsweise in den Sommermonaten. Dabei nimmt man nur Körner von zwei bis drei Jahre alten Pflanzen. Kurz bevor die Früchte ihre volle Reife entfalten, werden sie gesammelt und im Sammelkorb liegen gelassen, bis sie weich und matschig geworden sind. Dann wird das klebrige Fruchtfleisch abgewaschen, die Samen werden gründlich gereinigt und in der Sonne getrocknet. Schlechte Samen identifiziert man, indem man die geernteten Körner in Wasser gibt. Nicht verwendbare, beschädigte Samen schwimmen an der Wasseroberfläche und können abgesammelt und weggeworfen werden. Cocasamen haben nach der Ernte leider keine allzu lange Haltbarkeit. Einmal ausgetrocknet, kann das Saatgut getrost verworfen werden – es wird nicht mehr keimen. Idealerweise sollten die Samen spätestens zwei Tage nach der Ernte in frisches Anzuchtsubstrat gegeben werden. Eine aus Samen gezogene Cocapflanze erreicht normalerweise in ein bis drei Jahren die Reife.
Am besten ist es, jedes Korn in einen eigenen Topf zu setzen. Das können normale Plastiktöpfe, Torftöpfchen oder anderes Material von mindestens fünf Zentimetern Tiefe sein. Idealerweise bringt man die Samen in einem Zimmergewächshaus in ein lockeres Substrat aus Humus und Perlite ein, gewöhnliche Anzuchterde aus dem Gartenfachhandel lässt sich auch verwenden. Die Samen sollten zwischen zwei und vier Zentimetern tief in das Substrat gesetzt und alles stetig feucht gehalten werden. Das Zimmergewächshaus oder die Anzuchttöpfe bekommen einen halbschattigen Standort. Ist dieser geeignet, die Wasserzufuhr adäquat und das Substrat gut gewählt, sollten die Körner nach etwa einem Monat keimen. Die Samen lassen sich auch in Wasser oder einem mit Wasser durchnässten Zellstofftuch einweichen und damit vorquellen. Dies beschleunigt die Keimung, welche so normalerweise innerhalb von zehn Tagen geschehen sollte.
Die jungen, gerade aufgelaufenen Keimlinge brauchen nun mehr Licht. Nach Möglichkeit verschiebt man die Töpfe mit den Coca-Keimlingen entsprechend des Sonnenstandes. Indoor benötigen Pflänzchen künstliche Beleuchtung (z.B. mit Natriumdampflampen). Nun kann mit dem Düngen begonnen werden. Nach ungefähr zwei Monaten, wenn die Pflänzchen etwa zwanzig Zentimeter groß sind, können sie umgetopft oder im Beet pikiert, also umgesetzt werden, weil die Wurzel ansonsten unter dem zu geringen Platzangebot leiden könnte. Bei Beetkultur werden die Pflanzen idealerweise in etwa dreißig Zentimetern Tiefe und mit etwa einem Meter Abstand zwischen den Sträuchern angepflanzt. Entstehen Reihen, sollten zwischen diesen Abstände von etwa eineinhalb Metern eingehalten werden. Noch sind die Pflanzen klein, aber das ändert sich im Erfolgsfall natürlich.
Wenn Samen nicht erhältlich sind, kann Coca durch Stecklinge vermehrt werden. Es gibt zwei Methoden, Stecklinge zu gewinnen:
Methode A: Ein zehn bis zwanzig Zentimeter langer Trieb wird abgeschnitten und einfach in den Boden gesetzt.
Methode B: Ein Steckling von etwa zehn Zentimetern wird vom Strauch abgeschnitten, zwei Tage in ein Glas Wasser gestellt, um die Bewurzelung einzuleiten und dann in frisches nährstoffreiches Substrat gesetzt. Das Wasser kann zur Sicherheit mit Wurzelhormonen präpariert werden – das ist allerdings Geschmackssache.
Den Boden nun schön feucht halten (aber nicht zu sehr!), bis sich ein Wurzelsystem entwickelt. Diese Methode ist zumeist relativ rasch von Erfolg gekrönt, d.h. die Pflanzen wachsen gut. Allerdings werden per Steckling vermehrte Cocapflanzen in den meisten Fällen keine keimungsfähigen Samen produzieren. Obwohl Coca keine sensiblen Ansprüche an den Boden hat, mischen wir unser Substrat sorgfältig. Wir wählen zwei Teile einer kommerziellen Pflanzenerde, einen bis zwei Teile Mutterboden (am besten ein mit 50 Prozent Biokompost gemischter; gibt es auch in Baustoffmärkten) und einen Teil Perlite. Sand oder Vermiculit eignen sich nicht als Zuschlagstoffe, da diese Materialien klumpen und binden und somit den Wurzeln die Luft nehmen würden. Auch kalkhaltigen Boden kann Coca nicht vertragen. Auf den Grund der Töpfe gibt man eine ein bis zwei Zentimeter dicke Schicht Drainage aus grobkörnigem Kies (gewaschener Aquarienkies), um einen optimalen Wasserablauf zu gewährleisten. Ein typischer Coca-Bauer würde sein Feld an einer Steigung wählen, damit Wasser adäquat ablaufen kann und seine Pflanzen nicht ertrinken. Um dieses auch auf unsere Topfkultur anzuwenden, ist die Einbringung einer Drainage vollkommen ausreichend. Sobald Wurzelstränge aus den Topflöchern an der Unterseite sprießen, wird es Zeit zum Umtopfen. Man sollte darauf achten, die Wurzel während dessen nicht zu beschädigen.
Im Allgemeinen heißt es, Coca benötige eine hohe Luftfeuchtigkeit. In der Praxis erweist sich Erythroxylum coca allerdings als sehr widerstandsfähig und kann im Prinzip auch mit nicht besonders hoher Luftfeuchte leben. Das ist aber nicht alles. Coca kann durchaus auch niedrige Temperaturen ertragen, solange diese den Gefrierpunkt nicht unterschreiten. Sofern sie genügend Wasser erhalten, können Cocapflanzen auch sehr hohe Temperaturen aushalten. Allerdings treffen diese Aussagen auf kräftige, reife Pflanzen zu, nicht unbedingt auf schwache Keimlinge.
Die Pflanzungen sollten viel und oft gewässert werden. Wenn die oberen zwei Zentimeter Substrat durchtrocknet sind (mit dem Finger, einem Lineal oder einem Feuchtigkeitsmesser aus dem Gartenmarkt prüfen), kann wieder gewässert werden. Mindestens ein- oder zweimal ein Monat sollte mit einem Universaldünger oder Pflanzenkompost gedüngt werden. Im Winter werden die Pflanzen ins Haus geholt, zurückgeschnitten und nur noch halb so viel oder gar weniger gewässert.
Erythroxylum coca lässt sich also, entgegen der allgemein gängigen Ansicht, durchaus auch in Ländern mit fehlendem mediterranen, tropischen Klima, wie beispielsweise in vielen europäischen Staaten vermehren. Wenn man die Pflanzen im Haus überwintert oder gar mit Treibhaustechnik aufwarten kann, sollte es im Grunde fast überall wenigstens theoretisch möglich sein, Coca anzubauen, wenn auch nicht unbedingt in großem Stil.
In unseren Breiten bedrohen die Spinnmilbe, die Heuschrecke und einige Käfer eine mögliche Cocapflanzung. Abhilfe bei Befall von Spinnmilben schafft Nikotinlösung, eines der mächtigsten Insektizide, das wirklich alle Schädlinge vernichtet. Man nimmt etwa zehn Gramm alten Tabaks und legt die geschnittenen Blätter in ca. 250 Milliliter Wasser ein. Wenn nach ein bis zwei Stunden und nach mehrmaligem Rühren ein schwarzer Sud entstanden ist, seiht man ab und hat fertige Nikotinlösung. Diese schädigt unsere Pflanzen nicht, tötet aber Schädlinge ab und auch der Coca-Grower sollte darauf Acht geben, nicht mit der Nikotinlösung in unmittelbare Berührung zu gelangen.
Schimmelbefall ist ein eher geringes Problem. Sorgt man dafür, dass Gieß- und Regenwasser ordnungsgemäß ablaufen können, sollten Pilzkrankheiten die Pflanzen eigentlich nicht belasten.
Eine abschließende Bemerkung, verbunden mit einem praxisrelevanten Tipp, sei noch erlaubt: Cocapflanzen werden sehr hoch, Coca-Bauern schneiden ihre Pflanzen zumeist auf eine Höhe von maximal zwei Metern. Das ist auch und gerade bei uns mehr als ratsam!

Bibliografie:
Berger, Markus (2005), Cultivo de Coca, Canamo 111: 104-107
Drug Enforcement Administration (1993), Coca Cultivation and Cocaine Processing: An Overview, www.druglibrary.org/schaffer/GovPubs/cocccp.htm
Murple (2002), Coca Cultivation v1.0, www.ethnogarden.com/cocacultivation.htm
Rätsch, Christian (1998), Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen, Aarau: AT Verlag
Rottman, April (2001), Erythroxylum: The Coca Plant,
http://leda.lycaeum.org/Documents/Erythroxylum:_The_Coca_Plant.16209.shtml

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Schildower Kreis: Coca-Blätter aus der Verbotsliste streichen
1 Jahr zuvor

[…] Dieser Vorschlag ist sinnvoll und sollte definitiv von der Bundesrepublik Deutschland unterstützt werden. Bei den Coca-Blättern ist ein Kokaingehalt von lediglich 0,5 – 1% vorhanden. Zudem werden die Blätter zumeist von älteren Menschen als Kaffeeersatz gekaut. Es macht keinen Sinn, Menschen zu bestrafen, welche sich allerhöchst nur selbst schaden. Dabei zeugt es von einer besonderen Arroganz, Tabak und Kaffee von derartigen Kulturen zu übernehmen, aber Coca-Blätter zu verbieten. Es ist wissenschaftlich und logisch nicht nachzuvollziehen. Wir stehen ganz klar auf der Seite des Schildower Kreises und fordern ebenfalls die Bundesrepublik Deutschland auf, den Vorstoß von Bolivien und Kolumbien zu unterstützen. Wie wird der Cocastrauch eigentlich angebaut? Hier könnt ihr es erfahren.  […]