Donnerstag, 29. Juli 2010

„Ich wünsche mir mehr Geld für Prävention“

Erfolgreiches Seminarwochenende auf der Burg Hohenberg

Vom 2.-4. Juli fand in Hohenberg/Ostfranken in der gleichnamigen Burg ein Seminarwochenende zum Thema „Im Spannungsfeld zwischen Drogenpolitik und Drogenprävention. Legaler Cannabisanbau – Gefahr oder Chance?“ statt. Die wunderschön gelegene Burg ist nur einen Steinwurf von der Tschechischen Republik entfernt und liegt im Herzen der Grenzregion Euregio Egrensis (das Tschechisch-Deutsche Grenzgebiet an der Eger). Die dort ansässige Bildungsstätte organisiert und finanziert zusammen mit der „Euregio Egrensis Arbeitsgemeinschaft Bayern e.V.“ die Durchführung von grenzüberschreitenden Bildungsprojekten.

Aus der Tschechischen Republik kamen vorwiegend Gäste, die sich mit dem Thema „Cannabis“ bisher nur wenig oder gar nicht auseinandergesetzt hatten, darunter interessierte Studenten, Sozialarbeiter, Jugendbetreuer und Mitglieder der Gemeinschaft schlesisch-deutscher Freunde des Begegnungszentrums Hultschin/Ost-Tschechien. Die zahlreich angereisten Seminarteilnehmer aus Deutschland hingegen hatten sich schon alle mehr oder weniger intensiv mit dem Thema „Cannabis und Drogenpolitik“ beschäftigt und so legte Georg Wurth vom Deutschen Hanf Verband mit seinem Referat zum Thema „Cannabispolitik international & Geschichte des Cannabisverbotes; Warum ist Hanf verboten?!“ die informative Basis für alles, was in den nächsten zwei Tagen folgen sollte. Sein Referat barg selbst für langjährige Hanf-Kenner noch so mache Überraschung: Wer weiß schon, dass George Washington der Erste war, der die Gewinnung von Sensimilia-Gras (samenloses und somit besonders potentes Cannabis) dokumentiert hat?

Nach einem gemütlichen Kennenlern-Abend ging es am nächsten Morgen zeitig weiter. Moritz Rosenkranz vom Institut für Interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (kurz ISD) hielt einen kurzweiligen Vortrag über die „Funktion, Auswirkungen und Prävention des Cannabiskonsums“.
Für Rosenkranz und seine Kollegen beweisen die aktuellen Zahlen und Statistiken, dass Gesetze keinen Einfluss auf das Konsumverhalten haben und die strafrechtliche Verfolgung von Konsumenten somit gerade bei der Droge Cannabis das falsche Instrument ist, problematische Konsummuster bei Heranwachsenden zu verhindern.
Als nächster Redner durfte der Chefredakteur vom Hanf Journal, Michael Knodt, das Thema „Wie weit ist der Eigenanbau von Cannabis verbreitet und wie ‘funktioniert’ das?“ behandeln, wobei an dieser Stelle noch einmal ein herzlicher Dank an unseren guerilla growing Redakteur Kimo geht, ohne dessen Mitarbeit im Vorfeld dieser Vortrag nicht möglich gewesen wäre, der aber aus verständlichen Gründen nicht selbst vor Ort sein konnte.

Als nächster Referent war ein hoher Beamter des Drogendezernats in Hof/Oberfranken geladen: Wilhelm Rogler, von Kriminalpolizeiinspektion Hof, K 4 / Prävention, stellte die Sicht der deutschen Polizei dar. So stand es in der Ankündigung. Im Laufe seines Referates wurden zwei Dinge klar:
Er referierte über die Sichtweise der bayrischen Polizei, nicht über die der deutschen, worauf er auch immer wieder verwies, als es um Vergleiche zwischen einzelnen Bundesländern und Zuständigkeiten bei drogenpolitischen Bestimmungen ging. „Zero Tolerance“ mag in Bayern Konsens sein, die Frage, ob Bundesländer, die die „Geringe Menge“ großzügiger auslegten, sich der Mißachtung des bundeseinheitlich geltenden BtmG schuldig machten, blieb allerdings so unbeantwortet.
Die Bayrische Drogenpolitik beruht weiterhin auf den drei Säulen Prävention, Repression sowie Beratung und Hilfe, wobei man besser von einer Säule und zwei Stöckchen sprechen sollte, wenn man sich die Verteilung der finanziellen Mittel auf die einzelnen Ressorts anschaut. Repression und Angebotsreduzierung stehen weiterhin ganz vorne, während die Prävention mit Abstand den letzten Platz belegt. Selbst der Referent der Oberfränkischen Polizei wünscht sich hier „mehr finanzielle Mittel zur Prävention“.
Auch die Frage, wie dieses Konzept mit der bereits beschlossenen Heroinabgabe an Schwerstabhängige vereinbart werden kann, blieb unbeantwortet. Denn in Bayern fehlt, im Gegensatz zu anderen Bundesländern, die vierte Säule der Drogenpolitik ganz: Die nennt sich Behandlung und Überlebenshilfe und ist Grundlage für die bundeseinheitlich beschlossene Heroinabgabe an Langzeitabhängige.

Da der Veranstaltungsort nur 50 Meter von der Staatsgrenze zur Tschechischen Republik entfernt ist, lag es nahe, auch die Situation im Nachbarstaat ein wenig genauer zu beleuchten. Das tat der Chef der Tschechischen Drogenfahndung dann auch höchstpersönlich: Jakub Frydrych, Direktor der tschechischen Anti-Drogen-Behörde, erklärte die Sicht der tschechischen Polizei und stellte dabei auch die neuen Gesetze zur Entkriminalisierung von Konsumenten vor, die in der Tschechischen Republik seit dem 1. Januar 2010 gelten. Dabei wurde klar, dass Tschechien nicht das in letzter Zeit so oft beschriene Drogenparadies ist, lediglich der Besitz von Geringen Mengen zum Eigenbedarf stellt, ähnlich wie in den Niederlanden, der Schweiz, Spanien oder Portugal, keine Straftat mehr dar, wird jedoch weiterhin mit teilweise saftigen Geldstrafen belegt. So kann jemand, der in der Tschechischen Republik mit einem Rauchpiece erwischt wird, mit einer Geldbuße bis zu 570 Euro belegt werden. Kann, muss aber nicht, in der Realität kommt es auf die jeweiligen Umstände an (lest hierzu auch: „Prag ist eine Messe wert“ auf Seite 11).
Cannabis sei, so der oberste Drogenfahnder, von allen Drogen die, die die wenigsten Probleme verursache. Neben Alkohol habe die Tschechische Republik ein massives Chrystall-Speed Problem, gefolgt von harten Drogen Heroin oder Kokain. Cannabis nehme erst Platz vier auf Prioritäten-Liste der zu bekämpfenden Drogen ein, ist also, anders als in Bayern, nicht Hauptbestandteil kriminalpolizeilicher Ermittlungen.

Nachdem die Strafverfolger beider Staaten ihre jeweilige Sicht dargelegt hatten, stellte Georg Wurth zum Abschluss des Tages noch die „Auswirkungen des Cannabisverbotes und verschiedene Legalisierungsmodelle“ vor. Ein zukunftsorientierter Ausblick des von Strafverfolgern geprägten Nachmittags, der einfache und logische Alternativen zur „Geldverschwendungsmaschine Repression“ präsentierte.

Der letzte Vormittag war dann ganz dem Thema „Cannabis als Medizin“ gewidmet. Nachdem Michael Knodt (Hanf Journal) viel Wissenswertes über das in der Öffentlichkeit immer noch streitbare Thema zu berichten wusste, hatten alle Teilnehmer/innen im Anschluss die Möglichkeit, ihre Erfahrungen zum Thema zu schildern und zu diskutieren. Zwei Teilnehmer/innen des Seminars sind selbst Cannabis-Patienten und konnten den interessierten Zuhörern persönlich über ihre Erfahrungen mit Cannabis bei Epilepsie oder auch bei der Parkinsonschen Krankheit berichten.

Am Ende der Veranstaltung war allen klar, dass dieses Seminar schon längst überfällig war, um die Problematik der Hanf-Prohibition endlich dahin zu bringen, wo sie in deren Mutterland, den USA, schon längst ist: Ins Bewusstsein und den Fokus der Öffentlichkeit. Leider waren die Plätze aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl schnell ausgebucht, für die Zukunft bleibt zu hoffen, dass das Seminar-Wochenende in Hohenberg nur der Startschuss für kommende Weiterbildungsmaßnahmen in Sachen Hanf war.

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