Medikamente auf Cannabisbasis bald in der Apotheke?
Sativex, ein Mundspray aus natürlichem Cannabis, wurde Anfang des Monats in Großbritannien und Spanien zugelassen
Die Entwicklerfirma GW-Pharmaceuticals, die Sativex in Zusammenarbeit mit Bayer in Großbritannien auf den Markt bringt, stellt das Medikament aus Cannabisblüten her, die an einem geheimen Ort auf der Britischen Insel angebaut werden. In anderen europäischen Ländern soll Sativex dann von dem Pharma-Riesen Almirall vertrieben werden, wenn es einmal zugelassen ist. Zeitgleich erwägt die Bundesregierung, Fertigarzneien aus Cannabisextrakt verkehrs- sowie verschreibungsfähig zu machen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt:
Jahrelang wurde diese Forderung vehement abgelehnt, kam sie doch von Patientenvereinigungen oder und anderen finanzschwachen Gruppen und Interessensvereinigungen ohne oder mit zu kleiner Lobby.
Ein Weltkonzern findet andere Mittel und Wege, die eigenen Interessen durchzusetzen und so scheint es, als mache die Bundesregierung nun endlich Ernst.
Hinzu kommt, dass das Verwaltungsgericht in Köln die DAK Ende Juli diesen Jahres dazu verurteilt hat, einem Atoxie-Patienten trotz fehlender Verkehrsfähigkeit Dronabinol (THC-Tropfen) zu erstatten. Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig.
Natürliches Cannabiskraut fiele selbstverständlich nicht unter diese neue Regelung, selbst wenn es wie in den Niederlanden so gezüchtet wird, dass es mit einem standardisierten Fertigpräparat vergleichbar ist, jedoch weitaus kostengünstiger. Die Behandlung mit Sativex ist in Kanada, wo das Medikament seit 2005 verfügbar ist, immer noch um ein Vielfaches teurer als das Cannabiskraut, das man als Patient entweder selbst anbauen oder von der dortigen Gesundheitsbehörde beziehen kann.
Dieser Schritt beweist wieder einmal, dass die Bundesregierung die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien nur dann akzeptiert, wenn deren Ergebnisse zum politischen Programm passen. Die Studien zu Sativex sind eindeutig, in Kanada ist es bereits seit 2005 zugelassen. Nachdem das vereinte Königreich und Spanien dem deutschen Hersteller nun auch Grünes Licht gegeben haben, könnte eine Verweigerungshaltung der Bundesregierung zu einer Klage von Bayer führen. Die wird jetzt verhindert, indem das entsprechende Gesetz so geändert wird, dass der Sativex-Hersteller zufrieden ist, natürliches Cannabiskraut für Patienten aber immer noch illegal bleibt. Weder das Interesse am Wohl der Patienten noch wissenschaftliche Erkenntnisse tragen hier zur Meinungsbildung bei, Marktanteile, Patentrechte und Profite werden weitaus höher angesiedelt. Eine für alle einfach und billig anzubauende Pflanze stört da nur.
Cannabis ist auch vom medizinischen Aspekt betrachtet eine der am besten erforschten Pflanzen, 2008 lagen einer Veröffentlichung der Fachzeitschrift „Medicinal Research Reviews“ bereits über 15.000 Studien oder wissenschaftliche Arbeiten zu Cannabis oder zu Cannabinoiden vor, nach Angaben von NORML-Direktor Paul Armentano sind es mittlerweile über 20.000.
Dennoch: Sativex brauchte nach der Zulassung in Kanada weitere fünf Jahre und weitere Studien, um auch in zwei EU-Ländern zugelassen zu werden, Dronabinol gilt trotz höchster Dringlichkeit immer noch nicht als verkehrsfähig. Die Verantwortlichen verweisen regelmäßigsich auf angeblich nicht vorhandenen Studien. Die aber gibt es, allein seit 2005 gab es 37 kontrollierte Studien zu therapeutischen Einsatz von Cannabinoiden*: Neun davon belegen eine Linderung von Spastiken bei Multiple Sklerose, vier eine Symptomlinderung und Appetitsteigerung bei HIV/AIDS, weitere vier dokumentieren die Linderung von chronischen Schmerzen, zwei behandeln die Wirkungen von Cannabis bei Darm-Fehlfunktionen. Außerdem gab es zwei Studien zu Cannabis bei Übelkeit und Erbrechen, zwei zu Cannabis und Schizophrenie, eine zu Hanf bei Grünem Star sowie zwei zu weiteren Indikationen.
Alle diese Studien belegen einen medizinischen Nutzen von natürlichem Cannabiskraut und werden in Europa weitest gehend ignoriert. Eine kalifornische Doppel-Blind Studie zu „Cannabis bei Neuropathie“, die viel versprechende Ergebnisse erzielt hat, sieht in Cannabis bei diesem Krankheitsbild gar ein hochgradig wirksames Medikament mit geringen Nebenwirkungen.
Auch eine Reihe neuere Studien zur Wirksamkeit von Cannabis gegen die Vermehrung von Tumorzellen oder die Wirkung von CBD bei Alzheimer hat in den USA bei Medizinern große Beachtung gefunden, während ein Großteil der Ärzteschaft hierzulande noch darüber grübelt, ob man einem Krebs-Patienten im Endstadium THC-haltige Tropfen verschreiben darf, ohne Ärger mit der Kasse zu bekommen.
Fehlende Studien sind lediglich eine Schutzbehauptung derer, die vom Verbot der natürlichen Cannabismedizin profitieren oder sie allein aus weltanschaulichen Gründen weiterhin illegalisieren wollen. Diese beiden Gruppierungen bilden die unheilige Allianz, die deutsche Cannabinoidpatienten seit Jahren über Maß leiden lässt. In den Staaten der USA und Kanada, in denen es bereits seit einigen Jahren ein Gesetz zur medizinischen Verwendung von Cannabis gibt, haben die Verantwortlichen erkannt, was in Europa mit wenigen Ausnahmen noch verhindert wird: Cannabinoidmedizin funktioniert nur, wenn ein/e Patient/in wählen darf, ob sie/er auf künstliche Cannabinoide, Fertigpräparate aus der Pflanze oder natürliches Cannabis zurückgreifen darf.