Dienstag, 12. Januar 2010

Ganjaman

Reflektiert noch besser als schwarz/weiss Folie

Wer in Deutschland Reggae hört, kennt Ganjaman. Und Reggae hören ja viele unserer Exzessiv-Zuschauer und Hanf Journal-Leser. Und da wir ja auch immer fleissig versuchen, gerade den deutschsprachigen Reggae zu pushen, hat sich Ganjaman unseren Fragen offen und ehrlich gestellt.

Ha Jo: Wie bist du dazu gekommen, in Deutschland Reggae zu machen?
Ganjaman: Ich bin in den 80ern in einem besetzten Haus gross geworden, in Schöneberg. Da ist viel Reggae gelaufen. Und ich hab’ relativ früh angefangen, Musik zu machen, also Instrumente zu spielen und hab’ dann irgendwann mal im Alter von 13 Jahren jemanden kennengelernt, der damals das einzige Soundsystem betrieben hat und Mitte / Ende der 80er schon jamaikanischen DJ Style in Berlin gemacht hat. Ich hab’ dann meinen ersten Plattenspieler und die ersten Instrumental Platten gekauft und hab’ angefangen zu chanten, also Phrasen zu übernehmen. Das war so mein persönlicher Einstieg, den Fokus auf Reggaemusik zu legen und vor allem zu singen, weil ich bis dato eigentlich nur Instrumente gespielt hab’. Mir persönlich war’s immer ein Anliegen, die Inhalte zu transportieren. Und für mich war immer klar, dass eigentlich Reggae die einzige inhaltliche Instanz ist, die dem Antiimperialismus noch etwas entgegengesetzt in Anbetracht der breiten Masse von Unterhaltungsmusik. Und vor allem sind Reggae und Dancehall die einzige Musik gewesen, die sich unabhängig der grossen Industrie weltweit verbreiten konnte und die als Musik immer den Anspruch hatte zu übermitteln und Botschafter zu sein. Natürlich ist es meine Muttersprache, ich kann mich viel klarer ausdrücken als im Englischen, deswegen ist es irgendwann wichtig gewesen, gewisse Inhalte deutsch zu interpretieren.

Ha Jo: In Jamaika gibt’s ja teilweise Probleme mit dem Export ihrer Reggaekultur, weil da auch einige Artists sehr homophob sind. Wie siehst du das?
Ganjaman: Im Prinzip ist es ja nicht so, dass ein paar wenige Künstler ihre Meinung nach aussen tragen, sondern wir reden ja von einer Gesellschaftsform, die erstmal extrem christlich geprägt ist, also sei es in Jamaika oder auch in vielen afrikanisch-kolonialisierten Ländern, wo Homosexualität per Gesetz verboten ist. Gerade Rasta ist eigentlich die Subkultur in Jamaika, die auch immer noch nicht die 100%ige gesellschaftliche Akzeptanz hat. Ich habe mir zum Beispiel zu Weihnachten einen christlichen Gottesdienst angekuckt und ich konnte im Nachhinein verstehen, warum bestimmte befreundete Künstler sich geweigert haben, da mitzugehen. Und es ist so, dass die gesamte Familienstruktur darauf aufbaut. Tatsache ist, dass das einfach die Gesellschaft oder ein Teil dieser Gesellschaftsstruktur ist, die erklärt, warum Menschen überhaupt ein Problem mit Homosexualität haben. Weil es in dieser Gesellschaft gar keinen Boden dafür gibt, weder Akzeptanz noch Toleranz, da die Menschen extrem christlich geprägt und bibeltreu sind und das natürlich aus deren Blickwinkel einfach nicht funktioniert.

Ha Jo: Jetzt kommen wir mal wieder zu etwas Lustigerem. Du kommst gerade von Tour. Hast Du noch ein Projekt in der Tasche?
Ganjaman: Ja, es kommt ein neues Album Anfang nächsten Jahres (also 2010, Anm. der Red.), so Februar oder März. Dann gibt’s auf jeden Fall noch so ein paar Veröffentlichungen, auch gerade im deutschsprachigen Bereich. Ich mach’ viel Tontechnik und ich mastere auch relativ viel. An den Wochenenden spiel’ ich regelmässig das ganze Jahr über Soundsystem-Shows und bin eigentlich die ganze Woche über bei mir zuhause im Studio.

Ha Jo: Und dann natürlich die grosse G-Frage. In deinem Namen „versteckt“ sich ja auch das Wort „Ganja“. Aber wir haben ja gesehen, der Ganjaman reduziert sich nicht auf Hanf, aber du hast ja sicher auch eine Meinung dazu. Wie stehst Du denn zu einer Legalisierung von Hanf unter strengsten Jugendschutzvorgaben?
Ganjaman: Ich denke, es ist grundsätzlich notwendig zu entkriminalisieren, nicht nur bei Hanf. Wir haben einfach mal einen völlig falschen Umgang mit Drogen und Drogenpolitik, aber es ist ein globales und auch ein gesellschaftliches Problem, was auch mit unserem Bewusstsein und dem Umgang mit jeglichen Substanzen zu tun hat. Zucker ist zum Beispiel die Droge schlechthin, die relativ selten thematisiert wird, wovon wir aber alle irgendwie abhängig sind – und unsere Kinder. Ich denke, wir haben ein völlig falsches Verständnis und einen falschen Umgang mit dem Thema Sucht, und wir schaffen Ängste in unseren Kindern, die so früh produziert werden. Die Ängste haben mit Existenzängsten zu tun, und Existenzängste fangen bei uns, in unserer Gesellschaft, an dem Punkt an, an dem unsere Eltern sagen, dass wir uns im Kindergarten anpassen müssen. Dann sagt man uns in der Grundschule, wir müssen gute Zensuren haben und wir müssen den Vorgaben der Lehrer entsprechen, sonst bekommen wir keinen Abschluss. Bekommen wir keinen Abschluss, bekommen wir keine Ausbildung. Bekommen wir keine Ausbildung, bekommen wir womöglich keine Wohnung. Und wenn wir kein Geld bekommen, können wir zum Schluss noch sterben. Das heisst, es passieren zwei Dinge: Zum einen wird uns Angst gemacht vor etwas, das noch gar nicht passiert ist, nämlich Ausbildung, Job, usw. – und zum anderen wird uns vor etwas Angst gemacht, dass eh unausweichliche Konsequenz unseres Seins ist, nämlich unser Ableben. Weil: wir könnten ja vermutlich noch sterben (Ganjaman schmunzelt). Dadurch haben wir grundsätzlich einen relativ skurrilen Umgang mit Nahrungsmitteln, mit Medizin und aber letzten Endes natürlich auch zum Beispiel mit Alkohol. Alkohol ist in unserer Gesellschaft völlig etabliert und es gehört zum guten Ton, auch als kleines Kind mal zu Silvester anzustossen. Das heisst, die Einstiegsdroge ist nicht etwa Hanf oder Nikotin. Nein, denn jeder einzelne von uns hat definitiv von seinen Eltern irgendwann einmal ein Glas Sekt zu Silvester in die Hand bekommen, als es hiess: Jetzt bist du alt genug, jetzt können wir anstossen. Also ist die Einstiegsdroge immer noch Alkohol. Um den Bogen zu finden: Unabhängig von der Nutzpflanze Hanf, die uns natürlich als Kulturpflanze seit Jahrtausenden begleitet, die natürlich eine viele grössere Integration in unserer Gesellschaft auf allen Ebenen braucht, ist es ganz wichtig, dass wir uns dem Thema als Kulturpflanze nähern. Es gibt keinen Grund, weder Hanf noch Marihuana zu kriminalisieren, da jeder von uns weiss, dass die Auswirkungen selbst bei grösstem Missbrauch nicht ansatzweise so verheerend sind wie bei Alkohol. – Wenn wir im Vorfeld einen anderen Umgang mit uns selbst gelernt hätten, also viel mehr Selbstrespekt und viel weniger Zweifel hätten, bräuchten wir doch gar nicht so viel Angst zu haben. Warum ist Hanf illegal? Weil es bestimmte Prozesse fördern und einleiten kann, die bestimmten Menschen in diesem System nicht unbedingt sehr förderlich oder hilfreich sind bei der Monopolisierung und Manifestierung von noch mehr Macht. Wer raucht, wird anfangen anders zu denken, denn es ist sicherlich ein Gefühlsverstärker. Du hast eine gewisse Wahrnehmung im Kontext zu deiner Umgebung. Ich werde extrem viel reflektieren, weil ich zwangsläufig natürlich relativ sensitiv bin für bestimmte Aspekte. Ich kenne niemanden, der Marihuana konsumiert und nicht in Reflexion mit seiner Umgebung ist.

Das Interview findet ihr demnächst auf unserem Exzessiv Kanal … und wenn das neue Album von Ganjaman vor der Veröffentlichung steht, verlosen wir sicher auch noch ein paar Exemplare.

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