Dienstag, 30. Juni 2009

Rolys Silberscheiben des Monats Juli

Dennis Lisk: Suchen & Finden
(four music)

„Rap ist wie meine alte Jugendliebe. Ich bin nicht mehr mit ihr zusammen und doch verbindet uns weiterhin was Besonderes.“ Das geht mir genau so, aber während die Newschool des HipHop weiterhin gähnend langweilig vor sich hin prollt und sich hoffentlich irgendwann im Profilierungswahn von selbst erledigt, stelle ich vergnügt fest, dass immer wieder einer der Oldschool-Aktivisten die Lust empfindet, zu singen anstatt zu rappen. So geht es auch Denyo, der kurz vor der Jahrtausendwende eines der legendärsten HipHop-Alben in Deutschland mitgeschrieben hat. Neben seinen intelligenten, schlagfertigen Solo-Rap-Alben „Minidisco“ und „The Denyos“ rockt Denyo als MC und DJ solo oder zusammen mit DJ Mad die Clubs in Deutschland, Österreich und der Schweiz und wäre sicherlich bereit für die Re-Union seiner legendären Band. Doch nun tritt Beginner Denyo aka Dennis Lisk erstmal in die Fußstapfen Cluesos und veröffentlicht mit „Suchen & Finden” ein Singer-/Songwriter-Album, das in seiner neuen Wahlheimat Berlin drei Jahre lang in Zusammenarbeit mit dem Produzenten Moses Schneider (u.a. Beatsteaks, Tocotronic etc.) entstanden ist. „Ich steh halt auf diese Liedermacherei, schöne, simple Songs, mit Gitarre und Gesang.“ Ein Geschichtenerzähler war er ja schon immer, und glücklicherweise hat er sich auch als Sänger diesen besonderen Flow und seinen Wortwitz bewahrt, so dass er auch mit melancholischen oder ernsthaften Texten nie ins Kitschige abdriftet. Ganz weit vorne sind „Navigation“, „Lass los“, „Blick nach vorn“, „Wo auch immer“, „So und nicht anders“, „Irgendwann“ und „Gerne hier“ – absoluter Lieblingssong ist „Gefährlich“. Aufrichtige, seelenvolle Musik, wie ich sie liebe. Mein Soundtrack für den Sommer 2009.
www.myspace.com/dennislisk
www.fourmusic.com


Black Eyed Peas: The E.N.D.
(interscope)

Von Album zu Album haben sie sich verändert wie kaum eine andere Band. Das mögen viele nicht. Die ersten beiden Alben „Behind The Front“ und „Bridging The Gap“ waren schon klasse, doch seit im Jahre 2002 die Sängerin Stacy Ann Ferguson zu der Band von Will.i.am, Apl De Ap und Taboo hinzustiess und diese mit „Elephunk“ 2003 ihr drittes Album veröffentlichte, würde ich mich erst als Fan der Black Eyed Peas bezeichnen. Mit „Monkey Business“ gelang ihnen 2005 der absolute Durchbruch, der Partybouncer „My Humps“ ist bei mir auch heute noch fester Bestandteil so mancher Session und Fergies Debutalbum „The Dutchess“ (2006) ist extrem heiss. Inzwischen schlug die Black Eyed Peas Single „Boom Boom Pow“ direkt auf Platz#1 der iTunes-Charts und als Teaser des nun erschienenen Album „The E.N.D.“ massiv ein. Beim Recherchieren bin ich auf einen amüsanten Verriss gestossen, in dem der Rezensent über „uninispirierten, ausgelutschten, langweiligen Rotz“, „gequirlte Sinnentleertheit“ und Fergies „verzweifeltes Streben nach einer lasziven, verführerischen Erscheinung“ quatscht. Klar ist es nicht „next level shit“ und intellektuell klingt sicherlich auch anders. Aber mir war jetzt auch neu, dass bei Partysmashern mit 1-2-3-4-Bummbumm-Beats textliche Raffinessen im Vordergrund stehen. Und ja, Jay-Z höchstpersönlich hat Autotune für tot erklärt, aber wen interessiert das? Produzenten wie MSTRKRFT, die französische House-Legende David Guetta oder Keith Harris sorgen hier zweifellos für Enthusiasmus. Mit einem zaunpfahlartigen Augenzwinkern des Akronyms „The E.N.D.“ wird deutlich, dass die Energie dieser Formation nicht verloren geht: The Energy Never Dies. Abgesehen davon halte ich Fergie für die erotischste Granate nördlich der Alpen! Ring-A-Ling :-p
www.myspace.com/blackeyedpeas
www.blackeyedpeas.com
www.blackeyedpeas.de


Mike Oldfield: Tubular Bells
(mercury records)

Im Jahre 1972 setzte sich der damals 19jährige Mike Oldfield hin und komponierte ein Stück Musikgeschichte. Es trug den Namen „Tubular Bells“ und umfasst in voller Länge 50 Minuten puren Musikgenuss. Das besondere war, dass Mike Oldfield fast alle Instrumente selbst eingespielt hatte. Nur beim Chor ließ er sich von seiner Schwester Sally Oldfield ein wenig unterstützen. Im Sommer 1973 veröffentlichte Oldfield das gleichnamige Album. Verkauft wurde es in einem damals in einem kleinen Londoner Plattenladen, der gleichzeitig als Label fungieren sollte. „Tubular Bells“ wurde das erste Album dieses Labels, dessen Name Virgin Records bald in aller Munde weltweit sein sollte. Mit diesem Konzeptalbum, dessen Klavier-Intro im Horrorfilm „Der Exorzist“ wirkungsvoll zum Einsatz kam, gelangte auch Mike Oldfield zu Weltruhm (wochenlang Nummer 1 der UK-Charts und weltweit über sechzehn Millionen verkaufte Kopien). Das stilprägende Werk des Progressive Rock ebnete den Weg für eine neue Stilrichtung, der man später das Etikett „New Age“ anheftete. In den Jahren nach diesem Bestseller war sein Output ziemlich überflüssig, zwei Dekaden danach glückte ihm jedoch mit Tubular Bells II (1992) und Tubular Bells III (1998) die Rückkehr an die Spitze der Hitparaden. Nun erscheint das epochale Erstlingswerk nach der Neuauflage 2003 mit dem Untertitel „The 2009 Stereo Mixes by Mike Oldfield“ und klingt so frisch und bombastisch wie damals das Original. „Mike Oldfield’s Single“ und das traditionelle „Sailor’s Hornpipe“ gibt’s ebenso klanglich perfekt als Zugabe. Mit Pink Floyd oder Alan Parson konnte ich nie etwas anfangen, da habe ich mich lieber von Tangerine Dream, Kraftwerk oder eben Mike Oldfield berauschen lassen. Und jetzt läuten die Röhrenglocken wieder …
www.myspace.com/michaeloldfield
www.tubularbells2009.com
www.mikeoldfield.org


Pépé Bradock:
Confiote de Bits / A Remix Collection Compilation
(bbe records)

Seit seiner Debut-12“ „Un Pépé En Or“ (1997) begleitet mich Julien Auger aka Pépé Bradock, auch der Nachfolger „Un Pépé En Or Vol.2“ und sein erstes Album „Synthese“ (1998) überzeugten mit ausgeprägt sommerlichen Qualitäten zwischen Deep House, Drum&Bass, HipHop, kitschigen Gospel-Ansätzen und traditionell verhafteten Jazz-Stücken. Weit weg vom handelsüblichen Design der selbsternannten Photoshop-Design-Spezialisten stechen seine fantastischen, provokativen Artworks für die sich mit David Nicolas (Numero Six) einer der interessantesten Zeitgenossen in der Pariser Grafiker- und Animations-Szene verantwortlich zeichnet, immer wieder sofort ins Auge. Auch in seiner Soundästhetik ließ sich Pépé Bradock nie von etwas anderem als seinen eigenen Vorstellungen leiten und lenken. Mit seinem 11-minütigen TechHouse Track „Deep Burnt“ katapultierte er sich Ende der 90er Jahre auch in der Oberliga der DJs, auf seinem eigenen Label Atavisme veröffentlichte Pépé zuletzt die EP „Intrusion“. Auf der nun vorliegenden Doppel-CD „Confiote de Bits“ findet sich eine brilliante Auswahl seiner vielgerühmten Remixe, die er in den mehr als zehn Jahren seiner Tätigkeit produziert hat. Meine Higlights sind die Neuinterpretationen von „I Am Your Mind“ (Roy Ayers), „Angola“ (Cesaria Evora) „You, My Baby & I“ (Alex Gopher) und „I Am Falling“ (Charles Webster), „Today” (Zero 7) und „Subharmonic Atoms” (Namlook). Insbesondere die naturalistische Klangarchitektur weg von stilistischer Fixierung ringt mir immer wieder tiefste Bewunderung ab. Diese Remixes üben einen Charme aus, dem man sich nicht entziehen kann.
www.myspace.com/atavisme
www.atavisme.com
www.bbemusic.com


V.A. Peter Kruder Private Collection
(g-stone)

Mit seinem Kumpel Dorfmeister führte er die Wiener Schule zu Weltruhm. Ihr wegweisender Mix für die DJ-Kicks-Reihe, die „Conversions“ und „The K&D Sessions“ höre ich auch heute noch ebenso gerne wie das Album seines Solo-Projekts „Peace Orchestra“. Nun hat sich Peter Kruder in seinem Wohn- und Schlafzimmer umgeschaut und dort ortsspezifische Lieblingssongs entdeckt. Herzlich willkommen zur „Peter Kruder Private Collection“, einer äusserst interessanten Zusammenstellung von einzigartiger, inspirierender Musik, die Kruders ganzes Leben und seine eigene Musik umfasst und beeinflusst hat. Los geht’s mit einem supermelancholischen Track aus der besten Zeit von Talk Talk. Mit Tortoise, einer statisch-dissonanten Klangwand von The Observatory und etwas Easyjazz von Milt Jackson with the Ray Brown Big Band folgen weitere obskure Popsongs, Klassiker und experimentelle Instrumentals und werden mit persönlichen Notizen der Künstler versehen, die von der Bedeutung der Tracks für ihr eigenes musikalisches Schaffen erzählen. Pierre Moerlen’s Gong versprüht eine gute Dosis Fusion und Tom Waits mag es perkussiv, während Jan Hammer und Bernard Hermann großartige Filmmusik liefern. Dazu gibt es noch angenehmen Space Funk von Stargard, eine kleine Nachtmusik von Craig Armstrong, Artpop von Japan, verspielte Electronica von Chateau Flight sowie zwei schicke hauseigene Werke. „In meiner Welt sind das absolute Meisterwerke, die in Museen ausgestellt und auf den besten Soundanlagen der Welt gespielt werden sollten. Das ist No. 1 der „G-Stone Master Series”, weitere werden folgen“, sagt Peter Kruder. Eine geschmackvoll edle Exkursion durch die Zonenrandgebiete populärer Musik für Connaisseure des Zeitlosen.
www.myspace.com/gstonerecordings
www.g-stoned.com

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