Dienstag, 20. Januar 2009

SCHREIE EINES CANNABIS GESUNDHEITSIRRLÄUFERS

Fortsetzung von Ausgabe 12/08

2. Tag
Die Nacht über miserabel geschlafen. Den Morgen mit (inzwischen) drei verschiedenen Salben auf den dunkel geröteten Augen eingeläutet. Dann Mittelstrahlurin abgegeben. Puls messen lassen (76) und Blutdruckkontrolle (115/85). Gewicht überprüft (6 Kilo in den vergangenen 5 Wochen verloren) und jede Menge Blut für jede Menge unterschiedlicher Tests abgezapft bekommen. Danach Foto-Dokumentation des verschwollenen Gesichts.
Gegen 10 Uhr inhaliere ich erstmals einige wenige Züge eines dünnen, selbstgedrehten Spliffs. Nicht mehr als eine lächerliche Kleinstmenge, welche unter jeden Fingernagel passen würde und dennoch strikt außerhalb des Klinikgeländes verdampft werden muss, weil innerhalb ein absolutes Rauchverbot herrscht. Für Cannabis sowieso, obwohl es im Begrüßungsprospekt der Nordseeklinik heißt: „Wir bekennen uns zur besonderen Mitverantwortung für Umwelt und Natur“.
Mich interessiert derweil vielmehr, ob Krankenhäuser jemals die Natursubstanz Cannabis zur Behandlung von Siechen und Leidenden einsetzen werden. Die entzündungshemmenden Eigenschaften der Cannabinoide könnten gerade in der Dermatologie nachhaltige Ergebnisse und Verbesserungen krankhafter Hautveränderungen bringen, wenn der politisch absichtlich fehlgeleitete Irrläufer Cannabis-Gesundheit schon bald eine parteiübergreifende Korrektur seines Hürdenlaufes erführe.
Zurück in meinem Zimmer mache ich mir erneut kühlende Schwarztee-Kompressen.
Das Jucken und Brennen ist inzwischen fast unerträglich. Alles Reiben und Kratzen der betroffenen Stellen scheint die Sache noch zu verschlimmern; die diversen Salben und Cremes bringen überhaupt nichts. Keine Kühlung, keine Abschwellung, keiner Verminderung des Brennens. Null. Wegen der übel aussehenden Hautrötungen um die Augen herum nehme ich sämtliche Mahlzeiten wie ein Eremit in meinem Krankenzimmer ein, weil ich im Speisesaal von den übrigen Patienten nicht dauernd angestarrt – oder gar gefragt werden möchte, ob ich an unkontrollierbaren Heulattacken leide.
So wie gestern Nacht das Baby, dessen durchdringende Schreie den passenden akustischen Rahmen für meinen zweiten Kliniktag lieferten.

3.Tag
Wichtigster Tagestermin um Punkt 12 Uhr beim Klinikchef Prof. Dr. H., der mich auf meine Verhandlungsfähigkeit in Sachen anstehender Berufung (Selbstanzeige wg. Cannabis als Medizin) untersuchen soll. Im Vorwege habe ich im Internet gelesen, dass der Professor bereits über Interferon gamma publiziert hat, also fachlich nicht unbeleckt sein dürfte in antiviralen Behandlungen. Eher unwahrscheinlich scheint, dass er im Gegenzug darüber gelesen hat, was ich aus Patientensicht alles zur medizinischen Verwendung von Cannabis geschrieben und veröffentlicht habe.
Der dritte Tag beginnt mit der üblichen Routine: Blutdruckmessen und Puls. „Alles okay!“ Danach ist Oberarzt-Visite, in der man mir zu verstehen gibt, dass ich nur noch diese Woche in der Klinik behandelt werde und weitere Maßnahmen poststationär stattfinden müssen. Was die eigentliche allergische Reaktion an Augen, Gesicht und Hals ausgelöst hat, steht zur Visitezeit noch immer nicht eindeutig fest, aber ein 20minütiger Allergie-Test auf etwa 15 unterschiedliche Stoffe weist am späteren Vormittag aus, dass ich laut vorliegendem Ergebnis mit körperlicher Abwehr auf „Kräuter“ reagiere. Meine Nachfragen, „Küchenkräuter? Feldkräuter? Gartenkräuter? Heilkräuter?“ bleiben von der jungen Assistenzärztin unter mehrfachem Achselzucken unbeantwortet. Wenn sie mir – ebenso wenig wie alle anderen Ärzte auch – nicht beantworten kann, ob mich mein Cannabisgebrauch grundsätzlich kranker oder doch ursächlich gesünder macht, wen sollte ich dann noch guten Willens befragen können – außer mich selbst?

>>> Weiter in der nächsten Ausgabe

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