Montag, 3. November 2008

Hanf ist Heilmittel Nur ein doppeltes „Ja“ hilft

Neben der Volksinitiative „Pro Jugendschutz gegen Drogenkriminalität“ wird es am 30.November ein Referendum geben, bei dem es um die Revision des Betäubungsmittelgesetzes geht.

National- und Ständerat hatten vergangenes Jahr beschlossen, die staatliche Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige nach 15 Jahren auch endlich gesetzlich zu verankern sowie die medizinische Versorgung Verwendung von THC -haltigen Hanf- oder Hanfarzneien zu ermöglichen. Das heißt, dass am 30. November auch über das Schicksal vieler tausender Patienten in der Schweiz entschieden wird, denn rechte Kreise haben sogar gegen diese „Revision light“ das Referendum ergriffen, so dass diese Vorlage ebenfalls vors Volk kommt.
Bis zum heutigen Tag gibt es, trotz der bewiesenen Wirksamkeit von THC gegen diverse Krankheitsbilder, keine legale Möglichkeit, die benötigte Medizin legal zu erhalten. Zwar gibt es die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung zum Erhalt von Marinol, einem synthetisch hergestellten THC-Produkt. Allerdings wird dessen Wirkung von vielen Patienten als nicht vergleichbar mit der natürlicher Hanfprodukte empfunden, wahrscheinlich weil dem synthetisch hergestellten THC andere, noch unerforschte, Cannabinoide und Inhaltsstoffe natürlicher Hanfblüten fehlen. Außerdem ist eine Behandlung mit Marinol sechs- bis fünfzig(!)mal teurer als die natürliche Alternative und für die Betroffenen mit einen belastenden sowie sehr aufwendigem Genehmigungsverfahren verbunden. Bei monatlichen Behandlungskosten von mehreren Tausend Schweizer Franken pro Monat sollte der ökonomische Faktor beim Abstimmungsverhalten auch nicht außer Acht gelassen werden. Bei einem „Nein“ werden weiterhin Steuergelder für langwierige Ausnahmeverfahren, Rezeptgebühren und Medikamente verwendet, die einfach eingespart werden könnten. Medizinalhanf kann die Symptome akuter Erkrankungen wie Appetitlosigkeit bei Gewichtsverlust von Aids-Patienten, Übelkeit und Erbrechen bei Krebschemotherapie, Morbus Crohn, Spasmen bei einer Querschnittslähmung, Tourette, Asthma, Glaukom, postoperativer Schmerzzustände sowie diverser Auto-Immunerkrankungen lindern oder gar ganz abklingen lassen. Viele Patienten, die unter einer der oben angeführten Krankheiten leiden, können mit der für sie individuell abgestimmtem THC Dosis sogar vollkommen beschwerdefrei leben.
Die Revision des Betäubungsmittelgesetzes sieht vor, diesen Menschen den legalen Zugang zu dem benötigten Medikament zu gewährleisten, natürlich nur mit medizinischer Indikation, um die Kriminalisierung normaler und zudem kranker Landsleute zu beenden.
„ Im Einzelfall soll eine beschränkte medizinische Verschreibung von Betäubungsmitteln des Wirkungstyps Cannabis möglich werden, sowie die Möglichkeit geschaffen werden, im Falle einer Entwicklung eines Medikamentes, welches Hanf als Wirkstoff enthält, dieses bei Swissmedic registrieren zu lassen“.
Wie das konkret aussehe soll, lässt das Gesetz offen. Ob ein Patient selbst Hanf kultivieren darf, staatliche Stellen Hanf abgeben, in welcher Form die Medizin abgegeben wird (Blüten, Extrakte, Tinkturen) oder ob die Entwicklung eines Medikament mehr als eine Absichtserklärung ist, ist noch nicht entschieden.
Das Gesetz ist allenfalls der kleinste gemeinsame Nenner und baut vorrangig immer noch auf Abstinenz, kann also auf keinen Fall als besonders liberal oder „drogenfreundlich“ eingeordnet werden. Die Zugeständnisse an Konsumenten und Patienten sind eher gering, einzig der Konsum wird, der Realität folgend, für Erwachsene teilweise entkriminalisiert. Obwohl beide Kammern vor Jahren einer viel radikaleren Version fast zugestimmt hatten und die jetzige Version viele Zugeständnisse an die damaligen Gegner enthält, versuchen diese nun, selbst diese abgeschwächte Version durch das Referendum zu kippen.
Gegner der Revision stellen diese Krebspatienten mit Dröglern auf eine Stufe, wollen die seit 15 Jahren bewährte und Lebens rettende Maßnahme der staatlichen Heroinabgabe abschaffen halten an einem Gesetz fest, das die negativen Auswirkungen des Drogenkonsums in den letzten 33 Jahren erst ermöglichte. Die Gegner müssen sich vorwerfen lassen, Zustände wie im Platzspitzpark oder den Bahnhof Letten in den 1980er und 1990er Jahren wiedererlangen zu wollen. Das ist das Ergebnis einer konsequent abstinenzorientierten Drogenpolitik. Wer aus der drogenpolitischen Geschichte nicht lernen kann, ist sicher nicht befähigt, diesbezüglich die richtigen Entscheidungen für die Zukunft zu treffen.
Auch einen Vorschlag, was denn die auf Hanf angewiesen Patienten tun sollen, bleiben die Konservativen schuldig. Einen kalten Entzug wie beim Heroin kann man in diesem Falle ja schlecht vorschlagen. Allein schon deshalb ist die von ihnen geforderte Ablehnung der Revision fast schon die Aufforderung zu einer unterlassenen Hilfeleistung. Immerhin wird vorgeschlagen, Patienten mit erwiesener medizinischer Indikation, ihr dringend benötigtes Medikament vorzuenthalten.
Die Schweiz hat in den 1990er Jahren in Europa alles dafür getan, das Heroinproblem in den Griff zu bekommen und mit einer anfangs ungewöhnlichen Maßnahme internationales Aufsehen erregt. Mittlerweile sind sogar viele EU-Länder dazu übergegangen, dieses oder ähnliche Modelle anzuwenden. So wäre es an der Zeit, die wissenschaftlichen Erkenntnisse in Sachen Cannabis als Medizin auch in die Tat umzusetzen und dieses Problem endlich und unabhängig von der „Hanf-Diskussion“ zu lösen.. Ein „Ja“ zur Revision des Betäubungsmittelgesetzes ist ein „Ja“ zur Menschenwürde.

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