Montag, 3. November 2008

Die Drogenrepression verfehlt ihren Zweck

In einem überaus ehrlichen Bericht beschrieb im März dieses Jahres der Kopf der UN-Suchtstoffkommission, Antonio Costa, der für die Überwachung der Internationalen Vereinbarungen über Drogen zuständig ist, dass das multilaterale Drogenkontrollsystem „seinem Zweck nicht gerecht werden“ würde. Er erklärte auch, wie das internationale Regime bemerkenswerte unvorhergesehene Konsequenzen erzeugt hat: florierende Schwarzmärkte weltweit.

Dass die Repression ihren Zweck nicht erfüllt, zeigen auch die Konsumentenzahlen in verschiedenen Ländern. In den Niederlanden, wo man seit Jahrzehnten Haschisch und Gras landesweit in Coffee-Shops kaufen kann, ist Anteil der Kiffer – insbesondere der jungen Kiffer – in der Bevölkerung deutlich geringer als in den Nachbarstaaten der Niederlanden. Die Repression in den Nachbarstaaten führt somit nicht zu einer Minderung des Angebots und des Konsums, obwohl dies das erklärte Ziel der Repression ist. Da die Repression ihren Zweck nicht erfüllt, gehört sie abgeschafft, da sie sich als völlig unnütz und überflüssig erwiesen hat.

Cannabiskonsum im Ländervergleich
Der Konsum von psychotrop wirkenden Cannabisprodukten ist in den verschiedenen westeuropäischen Ländern weit verbreitet, jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt. In den Niederlanden, wo seit vielen Jahren Cannabis (Haschisch und Gras) in Coffee-Shops für alle Personen über 18 Jahren erhältlich ist, konsumieren weniger Menschen psychotrop wirkende Cannabisprodukte als in Deutschland oder in der Schweiz, bei den unter 25 Jahre alten Menschen ist die Zahl der Kiffer sogar nur etwa halb so groß wie in Deutschland (12-Monats-Prävalenz bei unter 25jährigen: Niederlande 11,4%, Deutschland 22,1%, Schweiz 12%).
In den USA, wo etwa 1% der Bevölkerung hinter Gittern in Gefängnissen sitzt, liegt gemäß Angaben der Weltgesundheitsorgansation (WHO) die Lebenszeitprävalenz (mindestens einmal im Leben konsumiert) für Cannabis bei den 21jährigen bei 54,0%, in Deutschland bei 41,0% und in den Niederlanden bei 34,6%. In Deutschland und in den Niederlanden sitzen weit weniger als 0,1% (1 Promille) der Bevölkerung hinter Gittern, also zehn mal weniger als in den USA. Die übermäßige Repression in den USA hat somit keinen präventiven Effekt auf potentielle Cannabiskonsumenten.
Diese Zahlen zeigen sehr klar und deutlich, dass die Verfügbarkeit von Cannabisprodukten ohne Strafandrohung keine Steigerung der Konsumentenzahlen zur Folge hat. Der behauptete Zweck der Repression, die Verfügbarkeit zu mindern, um in der Folge den Konsum zu mindern, wird nicht erreicht. Die Repression ist eine teure Fehlinvestition, sie erreicht ihr Ziel nicht und muss als gescheitert bezeichnet werden. Die Repression erscheint vor den realen Gegebenheiten als völlig überflüssig. Sie kann, ohne dass ein Schaden für die Bevölkerung entsteht, ersatzlos abgeschafft werden. Somit ist die gesetzlich festgelegte Repression im Drogenrecht nicht im öffentlichen Interesse und auch nicht verhältnismäßig. Die Drogenrepression steht somit im Widerspruch zu Artikel 5 (Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns) der Schweizer Bundesverfassung.

Repressionskoeffizienten verschiedener Städte im Vergleich
Die Repressionskoeffizienten in den größeren Städten der deutschsprachigen Schweiz sind wesentlich größer als diejenigen der großen Städte Deutschlands. In der größten Stadt der Schweiz, Zürich, ist der Repressionskoeffizient derzeit mehr als neunmal so groß wie in der größten Stadt Deutschlands, Berlin. Die Stadt in Deutschland mit dem höchsten Repressionskoeffizienten ist Frankfurt am Main. Bemerkenswert ist überdies, dass Frankfurt am Main der wichtigste Banken- und Börsenplatz Deutschlands ist, so wie Zürich in der Schweiz; und Zürich ist die Stadt mit dem höchsten Repressionskoeffizienten in der Schweiz. Offensichtlich scheint es eine Korrelation zwischen einer hohen Konzentration von Kapital in Städten und den Repressionskoeffizienten zu geben.
In der folgenden Graphik sind jeweils eine Auswahl der größten Städte Deutschlands und der deutschsprachigen Schweiz mit den in den Jahren 2004 und 2007 registrierten Häufigkeitszahlen der Verstöße gegen das BtMG (Vergehen gegen das BetmG) aufgelistet. Die Rangfolge ist durch die Häufigkeitszahl bestimmt. Die Städte der Schweiz sind ausnahmslos vor den Städten Deutschlands positioniert.

Aktueller Cannabiskonsum in der Schweiz
In der Schweiz gaben bei der letzten Gesundheitsbefragung der schweizerischen Bevölkerung 12% der 15-24jährigen Personen an, innerhalb der letzten 12 Monate Cannabis konsumiert zu haben. Bei den 25-34jährigen waren es 6,3%, bei den 35-39jährigen 3,4% , bei den 15-39jährigen insgesamt 7,3%. Schweizer Jugendliche und junge Erwachsene kiffen weniger oft als deutsche Jugendliche und deutsche junge Erwachsene, jedoch häufiger als die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den Niederlanden, wo nicht nur der Konsum, sondern auch der Erwerb und Besitz geringer Mengen nicht strafbewehrt ist. Dennoch will die Regierung und das Parlament in der Schweiz nichts für eine Legalisierung des Konsums von Cannabis tun!
Der Bundesrat (Regierung) empfiehlt dem Parlament die „Hanf-Initiative“ für eine Legalisierung des Hanfs und der daraus gewonnenen Produkte zur Ablehnung: Der Bundesrat hat die Botschaft zur Volksinitiative „für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz“ zuhanden des Parlaments verabschiedet. Er lehnt die Initiative ohne Gegenvorschlag ab. Das Volk (die Stimmberechtigten, der Souverän) wird in einer Abstimmung, die 30. November 2008 stattfinden wird, über die Cannabislegalisierung abstimmen.
Die Initiative verlangt die Straflosigkeit des Cannabiskonsums und der dazugehörigen Vorbereitungshandlungen, eine Kontrolle des Angebotes, ein Werbeverbot für Cannabis und eine Verstärkung des Jugendschutzes. Der Bundesrat meint in seiner Botschaft, die offene Formulierung der Initiative täusche einen Handlungsspielraum vor, der aufgrund der internationalen Abkommen nicht gegeben sei, da eine Legalisierung von Cannabis gegen verschiedene UNO-Konventionen verstoße, deren Kündigung für den Bundesrat nicht in Frage komme, da diese Verträge unter anderem eine Voraussetzung für den Verbleib der Schweiz im Schengenabkommen seien.
Die Hauptgründe für die ablehnende Haltung liegen somit nicht in den Substanzeigenschaften begründet, sondern in der Bindung an internationale Abkommen. Diese Einschätzung der Gegebenheit wird durch die Tatsache bestärkt, dass dem Bundesrat die nicht gegebene Evidenz und Effizienz der Bestrafung des Konsums von Cannabis und den dazugehörigen Vorbereitungshandlungen durchaus bekannt sind. So heißt es in der Botschaft:
„Die Prävalenz des Cannabiskonsums steht gemäß internationaler Erfahrung in keinem direkten Zusammenhang mit der Bestrafung oder der Strafbefreiung des Konsums. Es lässt sich nicht nachweisen, dass Staaten mit einer eher restriktiven Cannabispolitik tiefere Konsumentenzahlen ausweisen als Staaten mit einer weniger restriktiven Cannabispolitik.
(…)
In der Schweiz ist heute trotz des Verbots der Cannabiskonsum bei Jugendlichen weit verbreitet und auch für einen nicht zu vernachlässigenden Teil der erwachsenen Bevölkerung zu einer Gewohnheit geworden. Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass die gesellschaftliche Akzeptanz des Cannabiskonsums zugenommen und der Cannabiskonsum selbst häufig ohne eigentliches Unrechtsbewusstsein erfolgt. Die Strafbefreiung des Cannabiskonsums sowie die beschränkte Tolerierung von Anbau und Verkauf von Cannabis-Produkten könnte – gestützt auf die Erfahrungen der Niederlande – eine Erhöhung des Probierkonsums bei Adoleszenten und jungen Erwachsenen mit sich bringen. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass dieser Probierkonsum bei der überwiegenden Mehrheit eine temporäre Erscheinung bliebe.“
Offensichtlich sind nicht pharmakologische, medizinische oder gesellschaftspolitische Argumente ausschlaggebend für die ablehnende Haltung zur Cannabislegalisierung gewesen, sondern internationaler Druck.

Politische Forderung
Damit der Konsum sowie die Vorbereitungshandlungen zum Konsum (Anbau, Erwerb, Besitz) von Hanfpflanzen respektive deren Blüten oder das daraus hergestellte Haschisch für den persönlichen Genuss straffrei gestaltet werden kann, muss das Betäubungsmittelgesetz geändert werden. Sollte dabei der Handlungsspielraum für die Regierung respektive für das Parlament aufgrund der internationalen Abkommen dafür zu eng sein, muss die Regierung auf eine Änderung dieser Abkommen hinwirken oder bei mangelnder Erfolgsaussicht, diese Abkommen kündigen. Die Aussichten für eine Änderung der internationalen Abkommen sind derzeit günstig, da auch die Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen (Commission on Narcotic Drugs, CND) erkannt hat, dass eine auf Repression aufbauende Drogenpolitik ihren Zweck verfehlt und nicht zur Minderung des Angebots und des Konsums führt. Dies erklärte CND-Direktor Antonio Costa auf der letzten Sitzung der Suchtstoffkommission im März dieses Jahr in Wien bei der Ausrufung des „Jahres der Besinnung“ in der Drogenpolitik.
Gewiss ist, daß frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht!

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