Donnerstag, 30. Oktober 2008

Jamaica, home of the Ganja- ein Reisebericht

Es ist gegen Mitternacht in einer kleinen Fischerbar im Süden Jamaikas. Der Mond ist noch nicht aufgegangen, und während der Himmel von Sternen übersät funkelt, versuche ich am Strand die Umrisse der Fischerboote im Dunkeln auszumachen.

Das Rauschen der Wellen höre ich mittlerweile gar nicht mehr, genau wie den Chor von tausend Zikaden, die im Hintergrund zirpen. Einige rote Punkte glühen in der Dunkelheit, manchmal leuchten sie hell auf gefolgt von einem unterdrückten Husten, dann hat gerade ein Fischer einen ordentlichen Zug an seinem Spliff genommen.

Der Geruch der Seeluft wird vom Duft des würzigen Ganja aus dem bergigen Hinterland der Insel überlagert, einem Aroma das einen auf Jamaika fast überall begleitet. Plötzlich drückt mir jemand einen etwa 10 cm langen Stengel voll dicker Blüten in die Hand: ,,Roll a spliff, man. Enjoy Jamaica.“. Das lässt man sich nicht zwei mal sagen, also sammle ich so gut es in der Dunkelheit geht die Samen raus und schnippse sie ins Gebüsch, wickle ein Rizzla um das Gras und zünde es im Kampf gegen den ständigen Wind an.

Währenddessen unterhalte ich mich mit den Fischern, die heute Nacht noch raus fahren werden, in der nächsten Nacht kommen sie dann wieder und wir verabreden uns, später den Fang zu besichtigen. Die meisten Leute aus dem Dorf gehen bereits gegen zehn ins Bett, auch die Bars in denen man neben Red Stripe Bier, Cola und Wasser auch Rizzla Papers, Feuerzeuge, Moskitospray, Chips und mehr bekommt, schließen spätestens um elf. Konnte man also bis dahin die Zeit mit einem Dominospiel verbringen, bleiben dem an lange Abende gewöhnten Berliner dann nur noch die Fischer. Inzwischen ist der Besitzer der Bar aufgetaucht und hat Musik angemacht: Von einem mächtigen Bass getragen weht Bob Marleys Gesang durch die laue Nachtluft:,,There‘s a natural mystic blowing through the air – I won‘t tell no lie. If you listen carefully now you will hear: There‘s a natural mystic blowing through the air.“

Ich ziehe an meinem Spliff und lausche dem Rauschen der Wellen, das sich unter die Musik mischt, die direkt neben mir aus von zwei Hurricanes etwas ramponierten, aber durchaus noch respektablen Boxen schallt, beobachte den Mond, der hinter den Bergen aufgeht. Der Strand wird langsam in ein silbriges Licht getaucht. Ich beschließe, dass dies einer der schönsten Orte auf Jamaika, dem schönsten Ort der Welt, ist.
Portmore bei Kingston, circa zwei Uhr morgens. Ich stehe vor einer gigantischen Boxenwand die das akustische Rückgrat eines Soundclash bildet, der seit einigen Stunden im Gang ist. Um mich herum 5000 begeisterte Zuschauer, die Stimmung gleicht der bei einem Wrestlingkampf und dank ein paar Japanern, die schräg vor uns standen, waren wir nicht einmal die einzigen ,,Weißen“.
Das Publikum, Studenten, Nachwuchsgangster, barfüßige und gut beschuhte Jamaikaner, sang gleichermaßen fast das komplette ohrenbetäubende Dancehall-Programm der konkurrierenden Soundsystems euphorisch mit, unterbrochen von wilden Diskussionen sowohl auf der Bühne als auch davor.
Und immer wieder tauchten Rastas auf, die einem ein Bündel von etwa einem halben Kilo Ganja vor die Nase halten und freundlich ihr ,,High Grade“ anpriesen. Das Ganja in Kingston ist wohl das teuerste auf der Insel, für einen Stengel mit ca. 3 oder 4 Gramm zahlt man derzeit mindestens 100 J$, das entspricht etwa einem Euro. Günstiger hat man es auf dem Land, Westmoreland Ganja ist auf der ganzen Insel bekannt und man bekommt dort nicht nur sehr gute Qualität sondern auch vernünftige Preise von circa zehn Euro für ca. 50-100 Gramm je nach Qualität und Verkäufer. Das ist alles andere als Bushweed, es gibt Rastas, die den ganzen Tag in ihren Feldern damit beschäftigt sind, beste Qualität zu sichern. Dank der rechtzeitigen Entsorgung von männlichen Pflanzen produzieren sie Sensimilla, also ohne Samen. Gegossen wird (abgesehen vom tropischen Regen) mit Quellwasser aus den Bergen. Solches Ganja kann zwar manchmal bis zu zehn Euro für ungefähr 15 Gramm kosten, ist sein Geld aber definitiv wert. Nicht nur Anfänger lässt ein Purspliff mit feinstem Collie Weed in der sanft-heißen jamaikanischen Sonne erst einmal aus den Latschen kippen. Es ist aber nicht alles High Grade wo High Grade drauf steht, vorm Kauf sollte man das Ganja ruhig genau unter die Lupe nehmen. Auch wenn es Ganja praktisch an jeder Ecke gibt, sollte man vorsichtig sein: Es ist illegal und gerade in Touristenhochburgen wie Negril werden immer wieder gern Touristen durchsucht, die dann die Wahl haben, der Polizei so um die 500 US$ zu zahlen oder in eins der wenig komfortablen jamaikanischen Gefängnisse zu kommen. Gerade mit Mietwagen gerät man häufiger in eine der vielen Straßenkontrollen. Mit Route Taxi oder Bus ist man vergleichsweise sicher, zumal Linksverkehr auf den chaotischen Straßen der Insel nicht unbedingt zum selbst fahren einlädt. Zu bedenken ist auch die recht hohe Kriminalität. Vor allem in Negril sollte man abends nicht mehr allein an den Strand gehen, die Kriminalität in Kingston betrifft allerdings vor allem Bandenkriege in den West Kingstoner Ghettos, mit denen man als Besucher eigentlich nicht in Kontakt kommt.

Schuld ist die Armut – die der Menschen, die nichts zu essen haben, und die des sozialen Systems, dem es nicht möglich ist, allen Kindern eine Schulbildung zu ermöglichen.
Montego Bay, nachmittags. Langsam wird es ernst, ich muss wieder nach Hause. Herbst, das kann und will ich mir bei etwa 34°C im Schatten noch nicht so richtig vorstellen. Jetzt lasse ich mir etwas Zeit, kaufe noch ein Red Stripe und einen Observer, eine der drei großen Tageszeitungen, und setze mich kurz auf eine Bank. Bisher wurde ich gemessen an dem, was man alleinreisend mit Dreadlocks sonst so erlebt, recht normal behandelt, erst später bei der Zwischenlandung in Punta Cana hat man noch mal zwei Hunde vor mir hin gestellt, die mich beschnüffeln sollten. Über Brüssel zu fliegen ist wohl doch noch entspannter als über die USA, wo mir von Sonderbehandlungen und detaillierten Gepäckuntersuchungen berichtet wurde, die selbst wenn man vernünftigerweise kein Ganja bei sich hat, gerade für Träger mühsam gepackter Rucksäcke dennoch immer wieder ärgerlich sind. So fliege ich nun zurück und habe bei neun Stunden Flug genug Zeit nachzurechnen, wann ich mir den nächsten Flug erlauben kann..

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