Donnerstag, 2. Oktober 2008

Felix Austria?

Österreichs Entwicklung zur heimlichen Hanfhochburg

Die Meldungen überschlugen sich in den vergangenen Monaten geradezu, nachdem das Betäubungsmittelgesetz zum Anfang des Jahres revisioniert worden war.
Die Rede ist nicht nur von dem spektakulären Gerichturteil, welches einem Besitzer von zehn Kilogramm Marihuana die Freiheit beließ.
Die Verschärfung der Bestrafungen für Dealer hat hier zur Entkriminalisierung der Konsumenten von Cannabis geführt und ist definitiv der erste kleine Schritt in eine richtige Richtung. Die Stigmatisierung von Konsumenten sowie die Verteufelung einer alt eingesessenen Nutzpflanze ist in der heutigen Gesellschaft und in einer globalisierten Welt fernab jedweder Realität. Das erkennen gerade in Österreich immer mehr Bürger und sogar manch ein Politiker:
Jüngst sorgte das österreichische Institut für Suchtprävention für Aufsehen. Die UNDOC (UNO-Drogenkommision) hatte festgestellt, dass fast drei Viertel aller jungen ÖsterreicherInnen gegen eine Legalisierung von Hanf seien. Das Institut für Suchtprävention kam jedoch mit einer differenzierten Fragestellung zu einem komplett anderen Ergebnis: in dieser Studie sprachen sich nur 45 Prozent für die Beibehaltung eines totalen Verbots aus.
Auch wenn Marihuana noch immer unter das Suchtmittelgesetz fällt, wird bei Strafverfahren der Eigenanbau zur Selbstversorgung nicht als Dealerei angesehen, eine persönliche Vorratshaltung ist, anders als in Deutschland oder der Schweiz, juristisch mittlerweile akzeptiert. Auch bis zu zehn Stecklingen können pro Person erworben werden, das Anpflanzen selbst stellt auch noch keine Straftat dar, erst das Ernten könnte zur Sorge werden. Jedoch fällt nun seit dem 01.01.08 nicht die Menge der Ernte ins Gewicht, sondern die Absicht, ob man es verkaufen oder zum Eigenbedarf nutzen wollte. Auch die Zahl der AktivistInnen ist, gemessen an der Einwohnerzahl, groß: Das Hanffeuer in Wien oder die österreichische ENCOD Sektion, die ein Aktionswochenende gegen die UNDOC Dogmatiker der UNO veranstaltete, der MMM in Wien, die Initiative „Legalize!“ oder die HPÖ (Hanf Partei Österreich) bieten den vielen Hänflingen eine Plattform.
Auch die Phytopharmaindustrie hat sich diese Akzeptanz zu Nutze gemacht und verlagerte fast die gesamte Forschung und eine Menge Arbeitsplätze rund um den Hanf von Deutschland nach Österreich, da hier trotz staatlicher Auflagen nach viel versprechenden Heilmitteln gesucht werden darf.
So hat die landeseigene Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit die Möglichkeit, Cannabis zu medizinischen und Forschungszwecken anzubauen und nutzt diese auch.
Dass Österreich sich heimlich zur Hochburg des Cannabis entwickelt hat, lässt sich ebenso an der erstmalig in Wien stattfindenden Cannabismesse „Cultiva“ manifestieren.
Nicht erst seit gestern:
Gerade der geschichtliche Hintergrund beleuchtet Österreichs Stellung in Sachen Hanf: bis zum ersten Weltkrieg war Österreich der führende Hanfproduzent Europas.
Durch den Einmarsch der Nazis und die „Wiederangliederung“ wurden die deutschen Gesetze auch in Österreich wirksam. Der Hanf wurde als Rauschmittel verboten, unter den Nazis jedoch fleißig weiter angebaut, weil andere Hanfprodukte kriegsnotwendig waren.
Nach der Befreiung war Hanf wieder völlig legal!
Erst 1961 wurde er als Genussmittel aufgrund außenpolitischer Machtwünsche Österreichs erstmalig von der eigenen Regierung verboten, das Gesetz trat aber erst zwei Jahre später in Kraft.
Man weiß, dass in weiten Landesteilen bis in die fünfziger Jahre „Kraut“ gerne als Tabakersatz genutzt wurde und nur der Wunsch nach eigenen UN-Sekretären und der Verlegung des Suchtstoffkontrollrates nach Wien zur Durchsetzung des Cannabisverbotes führten. Hier wurden dann auch zwei der drei wichtigsten UN-Drogenverträge unterzeichnet.
Trotz dieser Einschränkungen ließ und lässt sich der Hanf nicht als Genussmittel vertreiben und avancierte bekanntermaßen in den sechziger Jahren zu einem Protestgewächs, mit dem Politik betrieben wurde und noch immer wird.
So wurde Anfang der neunziger Jahre die Grüne Jugend Initiative, gut zehn Jahre nach Veröffentlichung des österreichischen Standard Werkes „Von Hanf ist die Rede“, gegründet. Unterstützung fand man bei dem Piratensender „Psychoaktives Radio, der in der Sendung “Cannabis Talk“ die Vorzüge des Hanfes durch den Äther schickte.
1994 kifften anscheinend sogar angesehene Journalisten einen Joint während eines Kanzlerfestes Franz Vranitzkys´ auf Schloß Altmannshof und entfachten Diskussionen unter den anderen anwesenden Gästen aus Politik und Wirtschaft.
Zum Glück bekennen sich einige Prominente auch zu ihren Erfahrungen mit Cannabis und diese sind meist positiv. Auch wenn ein Manfred Deix sich nach einem „dicken Hammer“ übergeben musste und eine Künstlerin wie Stefanie Wagner gesteht, dass sie konsumierte habe “wie jeder damals“, aber nun lieber ohne Marihuana auskommt, gibt zum Beispiel der ehemalige Gesundheitsminister Österreichs, Harald Ettl, ähnliches von sich und war glücklich, dass er sich nie während seiner Amtszeit zu seinen Erfahrungen mit Cannabis äußern musste. Weiter geht der Karikaturist, Gerhard Harderer, der meinte, durch den Hanfblüten Rausch „gedankliche Höhenflüge“ erreicht zu haben. Multitalent Ernest Bornemann weist aus eigener Erfahrung auf die aphrodisierende Wirkung des Hanfes, vor allem im Alter, hin. Ebenso unterstützt auch der ehemalige Vorsitzende der Jungsozialisten, Karl Delfs, Marihuana an sich. Es sei wohl nur verboten „weil es so gut tut“. Für den berühmtesten lebenden Österreicher, A. Schwarzenegger, ist Marihuana ohnehin „nur ein Blatt“.
Das ist eben auch heute noch der größte Nachteil: Die Pharmaindustrie weiß, was ihr entgehen würde, wäre die medizinische Grundversorgung mit Cannabis legal. Der nächste wichtige Schritt wäre, neben der medizinischen Forschung auch sicherzustellen, dass leidenden Patienten umgehend geholfen wird.
Die geplante Versorgung dieser ist, neben der Entkriminalisierung gewöhnlicher Konsumenten, oberste Priorität. Im Sinne der Freiheit, der Menschenrechte und unserer ethischen Verantwortung.

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