Montag, 8. September 2008

Acid, Mao und I Ging

Erinnerungen eines Berliner Haschrebellen

Der 2003 verstorbene Video-Pionier Michael Geißler hat seine Erinnerungen zu Papier gebracht, und der extra dafür von Miriam Spies gegründete Gonzo-Verlag hat sie nun unter Mithilfe von Melanie Zöllner, mit einem Vorwort von Werner Pieper und einem Nachwort von Peter Pannke gedruckt. Michael Geißler, 1942 in Berlin geboren, war ein Linker innerhalb der 68er Bewegung, Weltreisender, 1. Vorsitzender des Zentralrats der umherschweifenden Haschrebellen („Ein Gag – wir waren alle erste Vorsitzende!“), Revoluzzer, Magier, Mystiker, Geschichtenerzähler, Lebenskünstler und Visionär. Auf der Suche nach alternativen Lebensformen lebte er in Kommunen in Berlin, Sardinien und an anderen Orten und engagierte sich bei sozialen Projekten wie der Gründung von alternativen Kinderläden. Gemeinsam mit den V.A.M.-Future-Kids, eine der ersten alternativen Mediengruppen in Deutschland, produzierte er seit 1969 rund 370 dokumentarisch-spielerische Videoarbeiten, die heute im ZKM in Karlsruhe aufbewahrt werden. In diesem prosaischen Zeitgeist-Portrait stehen Geschichte und Geschichten untrennbar nebeneinander. Ohne dabei zu glorifizieren berichtet er – mal nachdenklich, mal selbstironisch, mal nostalgisch – mit seiner Berliner Schnauze vom Leben in Kommunen, der Arbeit der Kinderläden, ersten Drogenerfahrungen, Politaktionen und der sexuellen Revolution, von Knasterfahrungen, (Spaziergänger-)Demonstrationen, der ersten LSD-Küche Berlins und von langen Reisen nach Indien, Italien und zu sich selbst. Seine frivol-psychedelischen Erzählungen lassen einen oft zugleich verständnisvoll schaudern und hysterisch lachen, allerdings mag ich seine politisch-unkorrekten Ausreisser und dieses frauen- bzw. schwulenfeindliche 68er Männergeschwätz von „freier Liebe“ überhaupt nicht, vor allem wenn man sich selbst als „Feminist“ bezeichnet, während andere ihn „Porno-Geißler“ nannten. Nicht nur in dieser Hinsicht schien der Mann auf dem Stand eines Sommers zwischen 1967 und 68 hängen geblieben zu sein. Und was dieses Buch mit Mao und I Ging zu tun hat, habe ich nicht begriffen, da Mao lediglich als Poster auf dem Kommuneklo erwähnt wird. Insgesamt aber ganz amüsante Zeitgeschichte …
Verlag: gonzo verlag (Mai 2008)
Broschiert: 264 Seiten
ISBN: 978-3-9812237-0-5
Bestellung: gonzoverlag@googlemail.com
Infos: www.myspace.com/gonzoverlag

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