Freitag, 5. September 2008

Wie viele Patienten profitieren von einer Therapie mit Cannabis?

Es ist nicht möglich, genau anzugeben, wie viele Patienten in Deutschland von einer Therapie mit Cannabis oder einzelnen Cannabinoiden profitieren würden. Dennoch gibt es einige interessante Zahlen, die gute Anhaltspunkte für die medizinische Verwendung von THC (Dronabinol) und Cannabis in Deutschland und einigen anderen Ländern geben.

Dronabinol
Dronabinol ist der internationalen Freiname für das in der Cannabispflanze vorkommende THC. Es ist ein natürliches Cannabinoid, das gelegentlich fälschlich als synthetisches THC bezeichnet wird, weil es auch synthetisch hergestellt werden kann. Jährlich werden von zwei Unternehmen in Deutschland für die Abgabe in deutschen Apotheken etwa 7 kg Dronabinol hergestellt. So steht es in einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahr 2006. Hinzu kommen weniger als 0,5 kg an importiertem Dronabi¬nol. Bei einem angenommenen Tagesbedarf von 15 mg Dronabinol werden jährlich von einem Patienten etwa fünf Gramm Dronabinol benötigt, sodass unter dieser Annahme mit 7,5 kg Dro¬nabinol etwa 1500 Patienten kontinuierlich versorgt werden können. Dies entspricht etwa 0,0019 % der Bevölkerung Deutschlands (80 Millionen Einwohner) oder 19 Patienten pro 1 Million Einwohner.

Der Dronabinol-Verbrauch in den USA belief sich nach offiziellen Angaben im Jahr 2005 auf 312,5 kg, sodass unter der Annahme eines Jahresbedarfs von fünf Gramm pro Patient 62.500 Patienten versorgt werden können. Dies entspricht etwa 0,021 % der Bevölkerung (USA: 290 Millionen Einwohner) oder 210 Patienten pro 1 Million Einwohner.

Die Versorgung der US-amerikanischen Patienten mit dem Cannabiswirkstoff Dronabinol ist damit mehr als zehnmal so gut wie die Versorgung deutscher Patienten. Um eine gleiche Versorgungsdichte wie in den USA zu erzielen, müssten nicht 7,5 kg, sondern 80 kg Dronabinol von deutschen Apotheken abge¬geben werden, um 16.000 Patienten versorgen zu können. Der Grund für die schlechtere Versorgung in Deutschland liegt auf der Hand: Die deutschen Krankenkassen erstatten die Behandlung mit dem Medikament meistens nicht. Bei monatlichen Kosten zwischen 250 und 400 EUR können es sich die meisten Patienten nicht leisten, das Präparat selbst zu bezahlen.

Cannabis
In Kanada und 12 Staaten der USA ist die medizinische Verwendung von Cannabis mit einer ärztlichen Empfehlung bzw. Verordnung erlaubt. In einigen Staaten der USA müssen sich die Patienten bei den jeweiligen staatlichen Gesundheitsministerien registrieren lassen, um von der Strafverfolgung durch die staatlichen Behörden ausgenommen zu werden. In Kanada werden Erlaubnisse durch das Gesund¬heitsministerium erteilt.

In Kanada (Einwohnerzahl: 33 Millionen) besitzen 2432 Personen eine Erlaubnis zum Besitz von getrocknetem Marihuana nach den Marihuana Medical Access Regulations (MMAR) sowie 1692 Personen eine Erlaubnis zum Anbau von Marihuana für medizinische Zwecke für sich selbst oder einen bestimmten Patienten. Danach besitzen 0,0074 % der Bevölke¬rung oder 74 von 1 Million eine Erlaubnis zum Besitz von Cannabis für medizinische Zwecke. Nach Umfragen verwenden die meisten Patienten in Kanada Cannabis ohne eine ent¬sprechende Erlaubnis von Gesundheitsministerium, da die medizinische Verwendung von Canna¬bis im Allgemeinen nicht strafrechtlich verfolgt wird. So ergab eine Umfrage der kanadischen Aids-Gesellschaft, die 2007 veröffentlicht wurde, dass viele Aids-Patienten Cannabis zu medizinischen Zwecken verwenden, jedoch 86 Prozent der Befragten erklärten, illegalen Cannabis zu verwenden. Ein Grund, den die Befragten angaben, war der bürokratische Aufwand für die Antragstellung beim Gesundheitsministerium. In Deutschland ist der bürokratische Aufwand zur Erlangung einer Ausnahmeerlaubnis für die medizinische Verwendung von Cannabis bei der Bundesopiumstelle allerdings noch um ein Vielfaches größer.

In Oregon dürfen nach Angaben des staatlichen Gesundheitsministeriums auf seiner Webseite 19.646 Personen Cannabis für medizinische Zwecke besitzen. Dies entspricht bei einer Einwohnerzahl von 3,4 Millionen 0,58 % der Bevölkerung oder 5800 von 1 Million.

Danach verwenden zwischen etwa 0,01 und 0,5 % der Bevölkerung Cannabis aus medizini¬schen Gründen oder würden ihn verwenden, wenn dies möglich wäre, was für Deutschland 8000 bis 400.000 Patienten entspricht. Die Zahlen, die sich durch eine Übertragung des Umfangs der medizinischen Cannabisverwendung in Oregon auf deutsche Verhältnisse ergeben (400.000 Patienten) geben den realen Bedarf vermutlich noch am ehesten wieder.

Dr. med. Franjo Grotenhermen ist unter anderem Vorstand Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, ausserdem Editor im Magazin “Cannabis and Cannabinoids. Pharmacology, Toxicology and Therapeutic Potential”, welche auf Deutsch, Englischu nd Spanisch erscheinen, sowie “Cannabis, Straßenverkehr und Arbeitswelt”, und Autor von “Hanf als Medizin”

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