Alles im grünen Bereich?
Schön geredet oder schöngeredet?
Eigentlich war es wie immer. Seit über einem halben Jahrzehnt schaffen es in Deutschland nicht mehr als geschätzte 0,25 Prozent aller HanfkonsumentInnen, öffentlich für eine Legalisierung von Cannabis einzutreten. So auch diese Jahr am 2. August zur Hanfparade 2008. Unterm Fernsehturm auf dem Berliner Alexanderplatz trafen sich gegen 13.00 Uhr nach Angaben des Veranstalters ungefähr 1000 Menschen, potentielle Teilnehmer sowie zufällig anwesende Berlin-Touristen wurden auch dieses Jahr rund um das Wahrzeichen Berlins gerne mal von der Polizei durchsucht.
Gegen 14 Uhr ging es dann los, unter dem Motto „Jugendschutz, Verbraucherschutz, Legalisierung“ setzte sich der Demozug unter den staunenden Augen zahlreicher Hauptstadtbesucher in Bewegung. Die Route führte von „Unter den Linden“ über die Friedrichstraße, um dann mit einigen Abstechern vor der Kanadischen Botschaft zu enden. Die Menge schwoll währenddessen auf ungefähr 1500 Teilnehmer an. Zwei Zwischenstops gaben den Organisatoren sowie anderen HanfaktivistInnen die Möglichkeit, die Anwesenden auf den neusten, zweifelsohne traurigen, Stand Deutscher Hanfrealität zu bringen. Leider sorgte hier ein Beitrag der „Jungliberalen“ für einen mittelschweren Eklat (siehe Seite 3: Halt‘s Maul). Die diesjährige Abschlusskundgebung geriet dann, auch dank der „Zero Tolerance“ Strategie seitens der Polizei, zur Farce. Mit Erreichen des Potsdamer Platzes, wo die Abschlusskundgebung stattfinden sollte, fingen die Ordnungshüter an, jeden potientiellen Kiffer aus der Menge zu ziehen und zu kontrollieren. Da sich durch diese unverhältnismäßige Taktik nahezu alle TeilnehmerInnen bedroht fühlten, hatte sich die Kundgebung rubbeldiekatz selbst aufgelöst, die verbleibenden Redner hatten großteils noch ein paar stark alkoholisierte Politoxikomanen als Zuhörer, die die Bitte nach ein wenig verbaler Zurückhaltung mit „Alkohol, Alkohol“ Rufen beantworteten.
Nicht erst seit diesem peinlichen Höhepunkt könnte man sich über Sinn und Zweck der Veranstaltung in der jetzigen Form Gedanken machen. Das mehr als miese Pressecho aufgrund des „JuLi“-Redebeitrages sorgte für eine mediale Bauchlandung und die bunte Truppe der TeilnehmerInnen steht heutzutage keinesfalls mehr für den „Durchschnittskonsumenten“, so wie es in den späten 1990er Jahren und um die Jahrtausendwende noch der Fall war. Damals kamen regelmäßig Zigtausende nach Berlin. Sieht man den Demozug 2008 an sich vorbeiziehen, hat man nicht gerade das Gefühl, Hanf sei in allen sozialen- und Altersschichten unserer Gesellschaft angekommen. Genau das ist aber der Fall. Es ist selbstverständlich und notwendig, dass Menschen, die sich im Alltag und durch ihr Auftreten per se zum Hanfkonsum bekennen, auch zur Hanfparade gehen. Das ist wichtig und auch gut so, die Hanfparade könnte ohne diesen „harten Kern“ gar nicht existieren. Der durchschnittliche Feierabendkiffer aber geht, abgeschreckt durch die Mischung aus repressiven Maßnahmen und dem Gefühl, sich eher auf dem Rainbow-Festival als auf einer Demonstration mit ernsthaften, politischen Anspruch zu befinden, in den meisten Fällen gar nicht erst hin.
Aber genau diese Spezies stellt die „Schweigende Mehrheit“ (Grüße an die Union) und muss (wieder) kommen, um die Hanfparde aus der „Kiffen für den Weltfrieden-Ecke“ zu holen. Ein Dilemma, das zukünftig nur durch finanzkräftige Sponsoren und damit verbunden ein absolut professionelles Auftreten aller Organisatoren geändert werden kann. Für diffuse Vorstellungen ohne ordentliches Kalkül wird sich auch 2009 nicht genug Geld auftreiben lassen, um die notwendigen zigtausend Menschen anzusprechen, denen es bedarf, ernst genommen zu werden. Vor allen Dingen, wenn für die ganzen Mühen (Laufe, Zuhören, Laufen) am Schluss statt einer Party ein Haufen dämlich glotzender Berlin-Touristen am Potsdamer Platz und zusätzlich ein eventueller Polizeigewahrsam wartet. Die Möglichkeit, die Demo mit einer Abschlußparty zu verbinden, bestand auch dieses Jahr, leider hat sie keiner beim Schopfe ergriffen.
Schafft es die Hanfparade nicht, sich weg vom lokalen Kifferevent und wieder hin zu einer bundesweiten Demonstration aller Hanfliebhaber für eine alternative Hanfpolitik zu entwickeln, wird sie ihrem eigentlichen Ziel, der Legalisierung, auch 2009 keinen Schritt näher kommen.