Freitag, 30. Mai 2008

Albert Hofmann auf seinem letzten Trip

Die Lebendigkeit und die mentale Fitness dieses uralten Mannes ließen nicht an einen Abschied für immer denken.

Seine feste Überzeugung war, dass im ganzen Universum nichts verloren geht. Auch seine Entdeckung wird für immer bleiben – und der Nachwelt der wichtigste Wunsch dieses großen Wissenschaftlers: „Durch einen Bewußtseinswandel im einzelnen Menschen die Voraussetzungen schaffen für eine bessere Welt.“

An jenem Tag im Jahr 1938 hätte sich Albert Hofmann wohl nicht träumen lassen, was er da für eine chemische Verbindung entdecken sollte. Hofmann trat nach einem Chemiestudium in Zürich 1929 in die Abteilung Naturstoffe der Baseler Sandoz-Werke ein, die er bis zu seiner Pensionierung 1971 leitete. Er erforschte zahlreiche Arzneiwirkstoffe, von denen einige bis heute Standardmedikamente sind, wie das in der Geburtshilfe eingesetzte „Methergin“ und erhielt für seine grundlegenden Forschungen zahlreiche internationale Preise und Ehrendoktorate.

Auf der Suche nach einem Kreislaufstimulans forschte er im Jahr 1938 am Mutterkorn, einem Getreidepilz, der vor allem im Mittelalter zu Massenvergiftungen geführt hatte und dem erst die Fungizide weitgehend den Garaus gemacht haben. Unter diversen Amid-Derivaten seiner Versuchsreihe für Sandoz synthetisierte Hofmann das 25. – das Lysergsäurediäthylamid.

Doch da die Substanz im Tierversuch keinerlei der gesuchten Eigenschaften zeigte, verlor Hofmann das Interesse. Bei einer Frühstückspause am 16. April 1943 wiederholte er die Synthese von LSD und absorbierte dabei versehentlich einige Millionstel Gramm, die zu erstaunlichen Bewußtseinsveränderungen führte. Auf dem Heimweg aus dem Labor erlebte Hofmann den ersten LSD-Trip der Geschichte: „Alles in meinem Gesichtsfeld schwankte und war verzerrt wie in einem gekrümmten Spiegel“, berichtete Hofmann. „Eine furchtbare Angst, wahnsinnig zu werden, packte mich, ich war in eine andere Welt geraten.“ Als die Wirkung jedoch etwas nachließ und die gewohnte Wirklichkeit zurückkehrte, schien sie strahlender, leuchtender, lebendiger. So wie ihm jetzt die Natur vorkam, hatte er es schon einmal erlebt, als 11-Jähriger bei einem Gang durch einen Sommerwald auf dem Martinsberg bei Baden. Damals war seine Neugier entstanden, dem Geheimnis dieser strahlenden Natur, deren Teil er war, auf die Spur zu kommen.

Am 19. April 1943 unternahm Hofmann den ersten bewussten Selbstversuch, den er genau protokollierte. Wie alle großen Naturforscher war auch Albert Hofmann bei seiner immer tieferen Erforschung der Bausteine der Natur auf immer größere Geheimnisse gestoßen und über die messende, rechnende Erkundung der Materie an jene Grenze gelangt, an der das Unfassbare beginnt: Geist. Keine andere Entdeckung der Wissenschaft markierte diesen Übergang von Geist und Materie so genau wie LSD. Die materielle Substanz eines Staubkorns reicht seitdem aus, um die Wahrnehmung dessen, was wir für Wirklichkeit, Materie, halten, völlig zu verändern und mit Zusammenhängen konfrontiert zu werden, die unsere Verständnisfähigkeiten überschreiten: „Wer als Naturwissenschaftler kein Metaphysiker wird ist kein Naturwissenschaftler“ – diese Aussage Albert Hofmanns war mehr als ein Bonmot und er war bis zum Schluß beides: strenger, exakter Wissenschaftler und ein metaphysischer Weiser, der in seinem philosophischen Buch „Einsichten, Ausblicke“ den Begriff Evolution auf die kürzeste mögliche Formel brachte: „Licht, Leben, Liebe.“

LSD wurde in der Nachkriegszeit zur Modedroge. Schriftsteller wie Aldous Huxley und Enthusiasten wie der Autor Ken Kesey oder der Harvard Professor Timothy Leary priesen den LSD-Trip als eine Art Königsweg zu einem neuen, geläuterten Bewusstsein. Die Beatles widmeten ihm mit dem Lied „Lucy in the Sky with Diamonds“ eine Hymne. Bald allerdings zeigten sich auch die Schattenseiten der psychedelischen Subkultur. Berichte von mörderischen Horrortrips häuften sich. Grund genug für die Behörden, die als „Wahnsinnsdroge“ gebrandmarkte Chemikalie 1967 aus dem Verkehr zu ziehen. Der von der US-Hippie-Szene ausgehende LSD-Boom hat Hofmann zutiefst missfallen, weil die für Ärzte und Psychiater so vielversprechende Substanz dadurch diskreditiert wurde. In seinem Buch „LSD – mein Sorgenkind“ hat Albert Hofmann den Weg seiner Entdeckung von der Wunderdroge zur illegalen Substanz beschrieben, deren weitere Erforschung über Jahrzehnte nur noch im Untergrund möglich war. – Forscher aus aller Welt hatten zum 100. Geburtstag Hofmanns einen Appell für einen unvoreingenommenen Umgang mit LSD und verwandten Stoffen lanciert. Erst Ende 2007 erhielt der Schweizer Psychotherapeut Peter Gasser die Erlaubnis, LSD versuchsweise wieder zu therapeutischen Zwecken einzusetzen – was Hofmann als Erfüllung seines Traums bezeichnete. Dass nach vier Jahrzehnten jetzt in der Schweiz wieder eine Genehmigung für die LSD-Therapie von Schwerkranken und Sterbenden erteilt wurde, bezeichnete er an seinem 102. Geburtstag am 11. Januar 2008 als „das größte Geschenk überhaupt.“ Über alle die Jahre des Verbots hatte er stets dafür plädiert, LSD als sakrale Substanz einzustufen und seine Verwendung im geeigneten Rahmen wieder zuzulassen. Dennoch sagte Hofmann kurz vor seinem Tod: „Die Schönheit der Schöpfung ist die beste Droge der Welt.“
Der bescheidene, bodenständige und solide Wissenschaftler, der nicht nur über ein höchst kompetentes Hirn, sondern auch über ein riesiges Herz und großen Humor verfügte, starb am 29. April in seinem Haus in Burg bei Basel im Alter von 102 Jahren.

Informationen zu Dr. Albert Hofmann’s Leben, seinem Beitrag zu Bewusstseinsforschung sowie seiner Entdeckung des psychoaktiven Botenstoffes LSD-25 unter www.mutterkorn.net.

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