Freitag, 28. Dezember 2007

Aller Anfang is‘ gar nich‘ so schwer

In dieser Ausgabe wollen wir uns einmal einer Frage widmen, die uns in Zeiten rapide steigender Selbstversorgerzahlen oft erreicht hat.

Wie fang ich‘s am besten an? Das Angebot von Growshops ist für Neueinsteiger oft unübersichtlich, falsche Ambitionen sowie auch mangelnde oder fehlerhafte Beratung enden oft im Desaster. Deshalb erklären wir diesmal, wie man die Sache von Grund auf richtig angeht. Vom ersten Samen bis zur richtigen Lagerung nach dem Trocknen. Natürlich ersetzt diese kurze Einführung die gründliche Lektüre eines Buchs nicht, sie ist nur eine Orientierungshilfe im Bereich der „Hardware“. Das Wissen über den Umgang mit Pflanzen muss peu à peu erlernt und erfühlt werden.
Samen oder Stecklinge?
Wer sein Hobby etwas länger betreiben möchte, sollte sich zuerst einmal um die Verfügbarkeit von Stecklingen kümmern. Samen sind teuer und nicht sehr effektiv, da immer ungefähr 50 Prozent männliche Pflanzen sind. Beim ersten Durchgang geht es natürlich nicht ohne Samen, es sei denn, ein/e Freund/in hat zufällig Stecklinge übrig. Zeitgleich kann der erste Grow jedoch auch genutzt werden, um eine Mutterpflanze mit guten Eigenschaften zu selektieren.
Stecklinge und deren Mutterpflanzen benötigen andere Bedingungen als blühende Pflanzen, deshalb muss hierfür eine getrennte Räumlichkeit eingeplant werden. Für Selbstversorger reicht im Normalfalle eine einzige Mutterpflanze. Hierfür werden nicht mehr als 50×50 cm Grundfläche bei 1,50 Meter Höhe benötigt. Das macht die Unabhängigkeit anfangs ein wenig teurer und zeitintensiver, die Mühe lohnt aber aus verschiedenen Gründen:
– Wer eine Pflanze vom ersten bis zum letzten Tag „betreut“, entwickelt schneller und besser ein Gefühl dafür, was die Pflanze wann braucht und erkennt eventuelle Mängel sicherer.
– Dritte müssen vom neuen Hobby nichts erfahren,
– Stecklinge sind billiger und effektiver als Samen.
– Eine gute Mutterpflanze garantiert über lange Zeit gleichmäßige, verlässliche Erträge.

Zelt oder selbst gebaute Kammer?
Das ist individuell ganz verschieden. Für die Qualität oder die Quantität der Ernte ist es unerheblich, für welche der beiden Optionen man sich entscheidet. Je nach Lebensumständen, persönlichem Zeitaufwand und anderen Vorlieben gibt es erhebliche Unterschiede.
Die Vorteile eines Zeltes (Homebox) sind:
– schnell und einfach auf- und abbaubar,
– mobil,
– mit wenig Aufwand tarnbar,
– keine Umbaumaßnahmen in der Wohnung notwendig,
– sie ist meist günstiger als eine ordentlich gezimmerte Kammer.
Die Vorteile einer Kammer in Eigenbau sind:
– die Anbaufläche ist individuell optimierbar,
– sie kann in die Einrichtung integriert werden,
– sie kann zusätzlich schallisoliert werden,
– man kann innen zusätzliche Abstellflächen und Lagermöglichkeiten oder eine eventuelle Bewässerung von Anfang an integrieren.
Die Entscheidung hängt letztlich vom individuellen handwerklichen Geschick, den Örtlichkeiten und persönlichen Gewohnheiten (Besuch, häufiger Umzug, Kinder im Haushalt) ab.

Erde oder Hydro?
Eindeutig Erde. Erde verzeiht. Hydro bestraft. Indoorgärtnerei ist eine komplizierte Materie, anfangs ist die genaue Beobachtung und gute Pflege Herausforderung genug. Kommen dann noch Dinge wie Bewässerungsanlage, exakte pH- und Ec-Wert Kontrolle oder endlose Nährstofftabellen hinzu, verlieren Neueinsteiger erfahrungsgemäß schnell den Überblick oder die Lust. Oder beides. Als Growshopper habe ich das oft erlebt, am Ende ist dann oft der Dünger schuld…..
Aber es gibt auch seltene Ausnahmen: Neueinsteiger, die bei ihrer ersten Ernte auf Hydrokorrels 250 Gramm aus einer Mini Box mit einer 250 Watt Lampe ergärtnern. Die seltenen Vertreter dieser Spezies haben sich jedoch schon lange vor dem Start ihres Vorhabens intensiv belesen und schon den ersten Durchgang bis in kleinste Detail geplant.
„Learning bei Doing“ ist nur auf Erde möglich. Mit den Einschränkungen, dass eine penible Vorarbeit auch hier bessere Ergebnisse garantiert und das Prinzip der Autodidaktik gerade beim ersten Mal nur begrenzt Anwendung finden sollte. Auch Erde verzeiht nicht alle Fehler.

Gießen:
Automatische Bewässerung oder Handarbeit?
Auch hier ist anfänglich Handarbeit angesagt. Nur so ist der ständige Kontakt zu den Mädels garantiert – die beste Grundlage für die Entwicklung des so wichtigen „Grünen Daumens“ sowie das frühzeitige Erkennen von Mängeln oder gar Schädlingen. Der richtige Gießzeitpunkt und die richtige Menge sind ein Hauptfaktor für eine erfolgreiche Zucht. Hierbei spielen jedoch so viele Einflüsse eine Rolle, dass es unmöglich ist, ein „Patentrezept“ zu präsentieren. Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Sorte, Topfgröße, Wurzelentwicklung sind nur einige Dinge, die über den Nährstoffbedarf einer Pflanze entscheiden. Wer seine Pflanze mit der Hand gießt, entwickelt hierfür ein viel besseres Händchen als die/derjenige, die/der das von Anfang an einer Maschine überlässt. Sind die ersten Ernten erfolgreich eingebracht, kann eine automatisierte Bewässerung nachträglich leicht installiert werden.
Gute Growshops bieten auch komplette Zuchtsysteme für Erde an, die ohne viel Aufwand zu hydroponischen Systemen umgebaut werden können (Wilma System von Advanced Hydroponics oder IGS- Systeme).

Licht:
Hochdruckdampflampe oder Energiesparleuchtmittel?
Auch hier gibt es keine „beste“ Lösung. Man kann aber sagen, dass mit zunehmender Anbaufläche bei gleichen Erträgen die Anschaffungskosten für ESL (Energiesparleuchtmittel)
ungleich hoch werden und die Energieersparnis maximal zehn (herkömmliche ESL) bis 25 (Spektrumreflex) Prozent beträgt. Hochdruckentladungslampen haben immer noch die beste Lichtausbeute und Tiefenwirkung. Ihr Nachteil ist die große Wärmeentwicklung.
Bei Flächen unter einem Quadratmeter oder in warmen Räumen ist die Anschaffung eines ESL deshalb eine ernsthafte Alternative zur Hochdruckdampflampe. Wer sich für ein Energiesparleuchtmittel entscheidet, sollte darauf achten, dass:
– die richtigen Lichtspektren verwendet werden, also 2700 Kelvin (besser noch 2100 Kelvin, doch sind diese 2100 k Leuchtmittel in Deutschland gerade nicht erhältlich) für die Blütezeit und 6400 Kelvin für die Wuchphase.
– ein guter Reflektor verwendet wird, der möglichst bis zum Rand der Anbaufläche reichen sollte.
– die Leuchtmittel nicht mehr als 10cm über den Pflanzen angebracht werden. ESL haben eine schlechte Tiefenwirkung.
– die unteren Triebe, die wenig oder gar kein Licht erhalten, spätestens am Ende der Vorblüte entfernt werden.

Ab- und Frischluft:
Schneckenhaus, Rohrlüfter oder Isobox ?
Vorab muss die richtige Größe der Absauganlage für das geplante Vorhaben bestimmt werden. Bevor wir uns in unendliche Rechenformeln verstricken schaut einfach mal hier:
http://hanfjournal.de/hajo-website/artikel/2005/05/s6-advanced-technical-growing.phphttp://hanfjournal.de/hajo-website/artikel/2005/05/s6-advanced-technical-growing.php
oder nehmt das Hanf Journal aus dem Mai 2005 zu Hilfe.
Die einfachste, günstigste aber auch lauteste Lösung ist ein Rohrlüfter. Hier muss der ambitionierte Heimgärtner nur einen Netzstecker montieren- fertig. Ohne Nachbarn oft eine gute Lösung. Im Mehrfamilienhaus hilft dagegen oft nur die Installation von Schalldämpfern, schallisoliertem Schlauch und schwingenden Aufhängungen. Das wiederum relativiert den niedrigen Anschaffungspreis. Die im Gegensatz zu den Rohrlüftern leisen Schneckenhausventilatoren sind meist nicht ganz billig und müssen nach dem Kauf noch in eine Kiste montiert werden. Diese Kiste wird von innen mit schallisolierendem Material verkleidet, bevor der Schneckenhauslüfter darin montiert wird. Achtung: Eine zu kleine Kiste beeinträchtigt die Ansaug- und somit die Gesamtleistung des Lüfters. Einfach mal im Growshop Eures Vertrauens nachfragen. Einige Läden bieten den Bau solcher Kisten auch gegen Aufpreis an.
Der Rolls Royce unter den Absaugventilatoren sind die „Iso Boxen“, die mittlerweile von verschiedenen Herstellern angeboten werden. Meist aus Metall, manchmal auch aus Holz. Es handelt sich hierbei um leistungsstarke Markengeräte, die neben der sehr guten Schall- und Schwingungseigenschaften noch über die Möglichkeit einer schwingenden Aufhängung besitzen. Leiser geht nicht.
Trotzdem empfiehlt sich in Mehrfamilienhäusern ab einer gewissen Größe das Anbringen zusätzlicher Schallschutzmaßnahmen.
Sowohl die Schneckenhauslüfter als auch die Iso Boxen lassen sich problemlos mit einem entsprechenden Dimmer herunter regeln, so dass die volle Lüfterleistung nur bei sehr hohen Temperaturen benötigt wird. Bei Rohrlüftern tritt beim Dimmen größerer Modelle oft ein unangenehmes Nebenbrummen auf.

Frischluft:
Bis zu einem Quadratmeter Anbaufläche reicht meist der durch den Absaugventilator erzeugte Unterdruck, es sei denn man plant Dinge, wie eine 600 Watt Lampe in eine 1×1 Meter Homebox zu hängen.
Ansonsten sollte die Zuluft ungefähr 30-40 Prozent der Leistungsstärke der Abluft erreichen, möglichst gefiltert von draußen kommen und gleichmäßig von unten mittels einer Airsock oder eines gelöcherten Schlauchs im Raum verteilt werden.

Der Aktivkohlefilter
Beim Filterkauf sollte zuerst darauf geachtet werden, dass die Leistung des Filters mit der Lüfterleistung ungefähr übereinstimmt und der Filter den Anforderungen des Raumes standhält. Billige Filter sind meist nicht für Räume geeignet, in denen die Luftfeuchtigkeit über 60 Prozent steigt, was für die meisten Mutterkammern gilt.
Ein herkömmlicher Filter ist selbst in kleiner Ausführung schwer und sperrig und muss nach einem Jahr ausgetauscht werden. Hochwertige Filter (Carbonactive, Carboriginal) zeichnen sich durch ein geringeres Volumen, ein geringeres Gewicht sowie einer höheren Lebensdauer und dem damit verbundenen höheren Preis aus.

Der Dünger
Von vielen überbewertet. Bei richtiger Anwendung führen alle im Fachhandel angebotenen Produkte zu zufriedenstellenden Ergebnissen. Auf Erde lassen sich mit Ein,-Zwei,- oder auch Dreikomponenten Produkten beste Ergebnisse erzielen. Bei hydroponischer Zucht hat sich gezeigt, dass die besten Ergebnisse mit Zwei- oder Dreikomponenten Dünger erzielt werden. Wobei jede/r beachten sollte, dass die Angaben für die Dosierung einen sehr gutes, nicht zu hartes Wasser voraussetzen. Das ist in den meisten Gegenden, in dem ein @home Gärtner auf Leitungswasser zurückgreifen muss, nicht verfügbar. Ist das Wasser zu hart, kommt es aber bei der angegeben Dosierung schnell zur Überdüngung. Besteht die Möglichkeit ist es immer optimal, gefilteres Regenwasser, eventuell gemischt mit Leitungswasser, als Grundlage für das Gießwasser zu nutzen.
Die Anschaffung einer Osmoseanlage dient demselben Zweck, ist aufgrund des technischen und finanziellen Mehraufwands nur fortgeschrittenen Liebhabern zu empfehlen.
Auch der pH- Wert spielt bei der Nährstoffaufnahme eine wichtige Rolle. Auf Hydro ist die Kontrolle unumgänglich, auch auf Erde wirkt der richtige pH – Wert von 6,0 auf jeden Fall ertragssteigernd.
Neueinsteigern, die sich für eine Erdkultur entscheiden, reichen zur pH-Wertkontrolle ein paar Streifen Lackmus Papier oder eine entsprechende Flüssigkeit für circa sechs Euro vollkommen aus.

Booster, Zusätze, Endblütedünger
Der dosierte Einsatz dieser Produkte führt zu besseren Erträgen und angenehmen Geschmack. Anfänger sollten jedoch nicht „mischen“, also die Zusätze des Düngerherstellers verwenden, von dem auch der Grunddünger gegeben wird. Nicht immer ist die ganze Palette einer Düngerreihe notwendig, um gute Ergebnisse zu erzielen. Viele Zusätze dienen auch der Vorbeugung von Krankheiten oder dem Entgegenwirken von Mängeln. Informiert Euch vor dem Kauf genau, wozu ein solch ein Booster, Stimulator oder anderer Zusatz dienen soll. Und ganz wichtig: Fragt nach, ob der EC Wert durch die Zugabe steigt. Ist das der Fall, muss die Zugabe des Grunddüngers entsprechend reduziert werden.
Eine Woche vor der Ernte sollten die Pflanzen ausschließlich klares Wasser bekommen. So werden alle Düngerreste ausgespült.

Der richtige Erntezeitpunkt:
Sofern die Sorte bekannt ist, können die Herstellerangaben als Richtlinie herangezogen werden. Um den optimalen Erntezeitpunkt zu bestimmen, bedarf es eines Taschenmikroskops mit 30-60 fachen Zoom. Mit diesem wird eine durchschnittliche Blüte (also nicht der Top- Bud) genau unter die Lupe genommen. Anfangs sind die kleinen Harztropfen durchsichtig, im Laufe der Blüte werden sie immer milchiger. Ist die Hälfte dieser Tröpchen milchig, ist der richtige Erntezeitpunkt erreicht.
Vergesst die braunen Häarchen, die dienen nur als grobe Orientierung.
Zum Ernten werden die Pflanzen am unteren Ende des Stängels abgeschnitten und die großen Blätter entfernt. Danach werden die Blütenstände mit einer Bonsaischere von überstehenden Blattmaterial befreit, das in einem Behälter zur späteren Verwertung (Aussieben) gesammelt wird.

Das Trocknen:
Wer nicht direkt nach der ersten Ernte wieder neue Pflanzen einsetzen möchte, hat es einfach. Licht aus, Pflanzen kopfüber in die Box gehängt und Absauge eingeschaltet. Nachdem die Stiele so trocken sind, dass sie beim Brechen knacken, werden die Blüten von den Stielen geschnitten und in eine Gefrierdose gepackt. Hier trockenen die Blüten unter täglichem Wenden bis sie aromatisch und trocken genug zum Konsumieren sind. Der ganze Vorgang dauert klimaabhängig zwischen 18 und 40 Tagen.
Wer direkt nach der Ernte neue Pflanzen einsetzen möchte, darf die Mühe nicht scheuen, eine kleine Trockenbox zu bauen. Ein Schränkchen mit einem Mini-Filter und einer kleinen Absauge kosten nicht die Welt. Versuche, das einzigartige Aroma durch Geruchsneutralisatoren zu überdecken, haben schon des Öfteren mit ungebetenem Besuch geendet.

Fazit: Eine Investion von 300 bis 500 Euro, das Lesen eines Fachbuchs und ein bisschen Vorausplanung können aus genervten Konsumenten lässige Selbstversorger machen.

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