Freitag, 5. Oktober 2007

Freispruch für 900 Gramm Cannabis

Landgericht Berlin beendet fünfjährigen Rechtstreit

Immer mehr deutsche Gericht haben, im Gegensatz zu Politikern und Ministerinen, Verständnis für die Notlage kranker Menschen, die die Symtome ihrer Krankheit mit Cannabisprodukten lindern. Die Polizei hatte vor mittlerweile fünf Jahren bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten Peter S. Sowohl mehr als 900 Gramm Cannabispflanzenteile und Haschisch beschlagnahmt als auch auch seine Cannabiszucht zerstört. Im folgenden Strafverfahren vor dem Amtsgericht im Jahr 2004 wurde ihm unerlaubter Besitz, Anbau und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgeworfen und seitens der Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe beantragt. Peter S. erklärte von Anfang an, die Pflanzen ausschließlich zur Eigentherapie aufgrund seiner HIV- Infektion, seiner Hepatitis C Erkrankung, einer Polyneuropathie (Nervenentzündung) sowie einer Bauchspeicheldrüsenerkrankung zu züchten und zu nutzen. Er verwende zur Linderung der aus der Vielzahl der Erkrankungen erwachsenden Schmerzen und zur Verhinderung von Muskelkrämpfen bis zu acht Gramm Cannabis täglich .Sein behandelnder Arzt sowie ein unabhängiger Sachverständiger konnten die Einlassungen des Angeklagten und den therapeutischen Nutzen einer Behandlung mit Cannabis beim vorliegenden Krankheitsbild bestätigten. Schon damals konnte das Amtsgericht dieser Argumentation folgen und sprach Peter S. frei.
Die Staatsanwaltschaft ging insgesamt drei mal Revision und Berufung und forderte bei letzten Prozess Ende September 2007 erneut fünf Monate Haft, die für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden sollten. Nun ist es nach über vierjährigem Prozessmarathon amtlich: Der Richter und die beiden Schöffen folgten dem Antrag nicht, sondern lehnten die Berufung ab: An der grundlegenden Strafbarkeit des Anbaus und Besitzes von Cannabis ändere seine Lage zwar nichts, jedoch sei das Verhalten des Peter S. in diesem Fall nicht rechtswidrig, weil er sich in einer Situation “rechtfertigenden Notstands” nach §34 Strafgesetzbuch (StGB) befinde. Zur Behandlung der aus seinem Krankheitsbild resultierenden Schmerzen stehe ihm kein anderes geeignetes Mittel zur Verfügung. Weil sein Leben ohne die illegale Cannabistherapie massiv gefährdet sei, müsse das Gericht Peter S. freisprechen.
Diese Urteil muss für das das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ( BfArM) wie eine Ohrfeige wirken. Die Behörde weigert sich, trotz anders lautendem Urteil des Bundesgerichthofes, nunmehr seit über zwei Jahren, Genehmigungen zur Versorgung mit medizinischem Cannabis zu erstellen (Hanf Journal 09/07). Im Gegenteil, die dem Gesundheitsministerium untergeordnete Behörde versucht sogar bei PatientInnen, bei denen die Situation “rechtfertigenden Notstands” nach §34 Strafgesetzbuch (StGB) vorliegt, dieses Recht mit merkwürdigen Praktiken zu verhindern. Die Auflagen sind im Prinzip nicht erfüllbar, schafft das ein/e PatientIn irgendwie doch, sucht sich das BfArM eine neue Finte, die Verwendung von Hanfblüten zu verhindern. Diesmal: Das medizinische Cannabisextrakt. Die Anwendung wurde Ende August zwar bundesweit das erste mal genehmigt, jedoch gibt es über dieses Mittel weder Gutachten noch Studien, die sich auf Wirksamkeit und Verträglichkeit beziehen. Auch die Art der Herstellung und die Herkunft des Rohsoffes (Cannabisblüten) bleibt vorerst im Dunkeln. Eine diesbezügliche Anfrage des Hanf Journals an das Bundesinstitut blieb im Kern unbeantwortet. Zwar gibt es für selbstgezüchtete Hanfblüten auch keine wissenschaftlichen Studien, die den Ansprüchen unserer Gesetzgeber genügen, aber selbst RichterInnen können mittlerweile verstehen, dass positive Erfahrungen seitens der PatientInnen höher zu bewerten sind und einen Notstand rechtfertigen. Ein Berliner Gericht spricht einen Morbus Crohn – Kranken frei, dem es gelingt nachzuweisen, dass sich sein Gesundheitszustand unter Anwendung von Cannabis deutlich verbessert. Ein Gericht in Thüringen verurteilt eine durch einen ärztlichen Kunstfehler zu unerträglichen Schmerzen verdammte Frau zur kleinstmöglichen Geldstrafe auf Bewährung, nachdem diese versuchsweise Cannabis angepflanzt – und sich selbst angezeigt hatte, um darauf aufmerksam zu machen, dass ihr die Kosten für das Medikament Dronabinol (synthetisch gewonnenes THC) nicht von der zuständigen Krankenkasse (AOK) erstattet werden. In Mannheim muss die Polizei beschlagnahmtes Cannabis an einen MS- Patienten zurückgeben.
Die eigentliche Aufgabe des BfarM wäre es, diesen gerechtfertigten Notstand, sofern er nachgewiesen ist, zu legalisieren. Stattdessen versuchten Dr. Schinkel und seine Glaubensbrüder- und Schwestern alles Menschenmögliche, die medizinische Verwendung von Hanfblüten zu verschleppen und die PatientInnen durch immer neue Hürden von ihrer Antragstellung abzubringen.

Mehr zum Thema: http://hanfverband.de/themen/warum_hanf.html#nr_17
http://www.selbsthilfenetzwerk-cannabis-medizin.de/
http://hanfverband.de/aktuell/meldung_1190301035.html

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