Mittwoch, 18. Juli 2007

Ein Interview mit Mr. Nice aka Howard Marks

Howard Marks, Jahrgang 1945, geboren in Kenfing Hill (Wales), war Physikstudent in Oxford. Er arbeitete als Agent des MI6, kollaborierte mit der Mafia und der CIA, nutze über 40 Tarnnamen. 1988 wurde er in Spanien von der DEA verhaftet, in die USA ausgeliefert und zu 25 Jahren Hochsicherheitshaft verurteilt. 1995 vorzeitige Abschiebung nach England. 1996 erscheint seine Autobiographie “Mr. Nice”, die ihn zum Kult-Autor der Cannabis-Legalisierung machte.
Wir veröffentlichen Auszüge aus einem Interview, das Dominik baur mit Howard Marks im April in einem Berliner Hotel führte.

Welche ökonomische Bedeutung hat der Drogenmarkt?
Wenn man den Umsatz von Geld als Maßgröße für die Wichtigkeit nimmt, reden wir von einer ähnlichen Größe, wie bei Öl, Autos oder Waffen. Drogen sind wirtschaftlich so bedeutend wie Waffen, Autos oder Öl.

Was hat sich seit den 70er/ 80ern auf dem Haschischmarkt getan?
Die Struktur ist im wesentlichen die Gleiche. Auch der Preis pro Kilo hat sich seitdem kaum verändert, wenn man das mal mit anderen Konsumartikeln vergleicht. In England ist alles mindestens Doppelt so teuer wie damals. Drogen dagegen sind sehr stabil. Der größte Unterschied der sich ausmachen lässt, ist die Dominanz von Skunk oder Marijuana. Und etwa die Hälfte von allem, was in England geraucht wird, ist “Homegrow”, also im Land angebaut. In Deutschland ist es, denke ich, ähnlich. Das macht den großen Unterschied darüber, wohin das Geld gegangen ist. Daher haben heute nicht mehr die Schmuggler-Organisationen das ganze Geld, sondern andere Organisationen ebenfalls.

Welche anderen Organisationen?
Vertriebs-Organisationen, die mehr mit Menschen zu tun haben, die das Anbauen betreiben, als mit solchen, die Schmuggeln. Der Vertrieb ist viel schwerer abzugrenzen, wenn das Business größer wird, als wenn es kleiner ist. Man muss da reinwachsen, wohingegen Schmuggeln ein sehr plötzlicher Vorgang ist.

Welche Länder sind am meisten durch Drogen beeinflusst?
Amerika.

Was machen also die Geheimdienste auf dem Drogenmarkt?
Sie benutzen ihn, um Mittel, die sie einsetzen wieder an sich zurück fließen zu lassen, anstatt das ganze Geld nur zu verballern. Sie machen Geld durch Drogen, um Antiterrormaßnahmen zu finanzieren. Auf die gleiche Art machen Terroristen Geld aus Drogen, um ihre Terrorkriege zu finanzieren. Drogen finanzieren Regierungen, Revolutionäre und Konterrevolutionäre. Praktisch finanziert es sie alle.

Wie verdienen Regierungen Geld damit?
Durch den Verkauf, oder dadurch Importe zu belangen … Indem sie jemanden wie mich als Geschäftsmann anstellen.

Können Sie sagen, sie hätten Profite für die CIA gemacht?
Oh ja, manchmal hab ich sie sogar korrekt gezahlt.

Wie läuft so was? Kommen die auf einen zu?
Ja, sie haben den Kontakt aufgenommen. Ich kannte ein paar Leute, die für den CIA arbeiteten. Es kann beides sein, in meinem Fall kamen sie auf mich zu.
[In den 80ern schmuggelte Howard Marks mehrere tonnenschwere Ladungen Haschisch auf Schiffen der CIA von Pakistan über Vancouver in die USA. Anm. der Red.]

Und wie war das mit der IRA?
Meine Verbindung zur IRA war nur über eine Person namens Jim McCann, der behauptete, er wäre ein Mitglied der IRA. Vielleicht war er es. Aber die IRA sagte, er wäre kein Mitglied gewesen. Jedenfalls hat er Waffen für die IRA geschmuggelt und er schmuggelte auch für mich.

Welchen Einfluss hat die UN?
Die sorgt einfach dafür, dass Drogen illegal bleiben. Sie sagen: “Wenn ihr ein Mitglied der Vereinten Nationen (UN) sein wollt, müsst ihr Drogen illegal halten.” Das ist ihre einzige Funktion. [1961 verabschiedete die UN die “Single Convention on Narcotics” mit der Anbau und Handel von Drogen u.a. auch Cannabis weltweit verboten wurden. Sie führte damit die Politik des US-amerikanischen “Marjiuana Tax Act” von 1937 und der Genfer Konferenz von 1925 fort. Anm. d. Red.]

Sie sagten vorher, Terroristen würden sich aus Drogengeldern finanzieren. Würde dann eine Legalisierung nicht weniger Terror bedeuten?
Nein, glaube ich nicht. Das ist keine Frage der Finanzierung, die wirklich eine Gefahr für uns darstellt. 9/11 hat schließlich nicht viel gekostet.

Warum ist generell eine Kontrolle des Drogenmarkes so schwierig?
Weil Menschen Drogen nehmen wollen. Es gibt nun mal eine enorme Nachfrage. Solange man die Nachfrage nicht beseitigt, entweder durch Aufklärung oder indem man jeden umbringt, der Drogen haben will, wie man es einmal in China getan hat, solange wollen die Leute ihre Drogen. Es ist unmöglich zu verhindern, dass Drogen angebaut werden, weil sie natürlich nachwachsen. Die Menschen wollen sie anbauen. Die Züchter wiederum wollen verschiedene Sorten anbauen. Man wird das Problem nicht in den Griff bekommen, solange man nicht zu den Mitteln eines ultra-extremen Polizeistaats greift, der wirklich jeden umlegt, der Drogen nimmt.

Können den Drogen wirklich die öffentliche Ordnung stören?
Das haben sie bereits dadurch, dass sie illegal sind. Die Prohibition hat die öffentliche Ordnung schwer gestört. Die Prohibition ist keine Kontrolle und sollte auch nicht mit Kontrolle gleichgesetzt werden. Es ist eben die Außerkraftsetzung der Kontrolle, die zu unkontrolliertem Hausierhandel mit verfälschten Substanzen außerhalb der Reichweite der Gesetzes führt. Selbst wenn man es ganz bewusst angehen würde, wäre es schwierig eine Politik zu gestalten, die physisch gefährlicher, und auf den Einzelnen stärker kriminalisierend wirkend und sozial noch zerstörerischer wäre. Die Prohibition ist ein extrem gefährliches soziales Experiment, das so schnell wie möglich abgebrochen werden sollte.

Was bleibt also nach 80 Jahren Drogenprohibition?
Der Effekt ist offensichtlich desaströs. Die Prohibition hat nicht funktioniert. Sie sind aufgeschmissen. Es hat nie richtig funktioniert und es wird nie funktionieren. Die Auswirkungen sind verheerend: Menschen gehen ins Gefängnis, verlieren ihre Jobs, es gibt Tote.

Was würde also eine Legalisierung bedeuten?
Dass es weniger Gangster gäbe, alles wäre besser. Der Drogenkonsum könnte reguliert werden. Qualitätskontrollen für sicheren und sauberen Drogenkonsum, legale Steuereinnahmen, Arbeitsplätze und wirklicher Jugendschutz wären möglich. Aber das geht nicht, wenn Sie an die UN denken.

Wie können also die Konsumenten die Macht auf dem Drogenmarkt zurückgewinnen?
Indem sie eine Regierung wählen, die bereit ist aus der UN auszutreten. Das wäre der einzig logische Schritt für ein Land, das Drogen legalisieren möchte. Momentan wäre dies die einzige Möglichkeit, um aus den Verträgen, die Drogen verbieten, herauszukommen. Das wiederum ist eine Position, die keine politische Partei bisher anbietet. Und das ist der Grund warum es immer noch nicht legal ist.

Gilt es überhaupt eine Möglichkeit wie man erreichen kann, dass weniger Menschen Drogen konsumieren?
Nein, es sieht nicht so aus, als wäre es so. Menschen scheinen Drogen zu mögen. Ich sehe keinen Grund warum man sie dazu bringen sollte, sie nicht zu mögen. Jede Drogenpolitik ist sinnlos. Aber das ist nicht der Fehler der Regierungen, weil sie an die UN-Deklarationen gebunden sind. Und das macht alles keinen Sinn.

Vielen Dank für das Gespräch

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