Mittwoch, 10. Januar 2007

Ein Pickel reicht nicht

Hausdurchsuchung bei geringer Menge nicht immer legal

Wer heutzutage in Bundesländern wie Bayern, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg oder Sachsen mit einer geringen Menge Hanf zum Eigenbedarf erwischt wird, muss im Regelfall mit einer Hausdurchsuchung rechnen. Das ist aber nicht unbedingt rechtens. In Kaiserslautern urteilte das Landgericht im Oktober, dass der Besitz einer geringen Menge Cannabis-Produkte eine Durchsuchung der eigenen vier Wände nicht rechtfertige, da die Tat nicht im Verhältnis zum Eingriff in die Privatsphäre stehe, die durch das Grundgesetzt gewährleistet ist. Zumal eine Gefährdung Jugendlicher in diesem Falle ausgeschlossen werden konnte und es auch nicht um die Weitergabe an Dritte ging (Az.: 8 Qs 13/06). Zwar hat dieses Urteil für andere Bundesländer keine bindende Wirkung, die jedoch haben zwei andere Richtersprüche des Bundesverfassungsgerichts (BVG) in Karlsruhe zum Thema Hausdurchsuchungen. Hier entschieden die RichterInnen zu Gunsten der Beschwerdeführer, bei denen die Polizei aus unterschiedlichen Gründen die Wohnungen ohne richterliche Anordnung durchsuchte. Zwar ging es hierbei nicht um Betäubungsmittel, jedoch stellt das höchste deutsche Gericht fest, dass eine Hausdurchsuchung bei Tage nicht ohne richterlichen Beschluss stattfinden darf. Genau das war, mal wieder in München, dem Kläger widerfahren. Polizei und Staatsanwaltschaft hingegen haben sicherzustellen, dass „auch in der Masse der Alltagsfälle die in der Verfassung vorgesehene Regelzuständigkeit des Richters gewahrt bleibt.“
Im zweiten Fall befanden die VerfassungsrichterInnen eine Durchsuchung der Privat- und Geschäftsräume sei nur zulässig, wenn „ein Verhalten oder sonstige Umstände geschildert werden, die alle wesentlichen Merkmale des Straftatbestandes erfüllen.“ Dies müsse so sein, „weil die Zumutbarkeit des Eingriffs auch von der Schwere der vorgeworfenen Tat abhängt“.
Hierbei ging es zwar um ein Nötigungsdelikt, zu hoffen bleibt aber auf die Signalwirkung die von diesem Urteil ausgehen könnte,. Vielleicht wird die Zahl der willkürlichen Hausfriedensbrüche aufgrund von Hanfkonsum oder wegen des Besitzes einer Kleinstmenge, besonders süddeutscher Beamte, ab jetzt rückläufig, immerhin sind diese Richtersprüche immerhin für alle RichterInnen in Deutschland bindend. Auch in Bayern müsste, zumindest rein theoretisch, ab jetzt die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Es wird also in Zukunft auch für die Polizei schwieriger als zuvor, vor Gericht eine Rechtfertigung dafür zu finden, dass beim Auffinden eines Rauchpieces gleich die ganze Bude mit dem Hinweis auf „Gefahr im Verzuge“ durchwühlt wird.
Aber, das hat uns die Vergangenheit gelehrt, die Uhren ticken in besagten Bundesländern immer noch etwas anders und es bleibt abzuwarten, welche gezinkte Karte den Ermittlungsbehörden als nächstes aus dem Ärmel fällt, damit der Spaß an der Kifferjagd weitergehen kann, die Mitte der 90er-Jahre eröffnet wurde. Schließlich lässt man sich von den liberalen Preußen vom hohen Gericht in Karlsruhe nicht gerne ins Bier spucken. Auch damals hatte das Bundesverfassungsgericht durch das Urteil zur „geringen Menge“ eigentlich die Konsumenten entkriminalisieren sowie die Polizei und Staatsanwälte entlasten wollen. Die beiden letztgenannten wollten das aber in den meisten CDU-regierten Ländern gar nicht und reagierten, Trotz sei Dank, ganz schön sauer: Seitdem gibt es mehr Kontrollen, Schweißtests, Urin- und Haarproben, Führerscheinverfahren, Hausdurchsuchungen und − wer hätte das gedacht − ein unverhältnismäßig hohes Ansteigen der Strafverfahrenerfahren wegen des Besitzes einer geringen Menge. Natürlich zur Entlastung von KonsumentInnen und Polizei. Nicht etwa weil sich die dortigen Staatsanwaltschaften und Polizeibeamten zu einem großen Teil mit allen Mitteln, legal hin oder her, gegen jedwede gesellschaftliche Akzeptanz der Hanfpflanze wehren.

Mehr unter:
www.bundesverfassungsgericht.de
www.hanfverband.de/aktuell

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