Sonntag, 17. Dezember 2006

Claudias Welt – Genug ist nicht genug

Gewohnheiten soll man ändern bevor sie gefährlich werden. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Aussage zwei steht somit
naturgemäß der Durchführung von Aussage eins im Weg. Der Wahrheitsgehalt der beiden Stehsätze kann leicht im jeweiligen Bekanntenkreis und gewiss auch an einem/r selber nachgeprüft werden.

Umso bewundernswerter dann die berühmten Ausnahmen von der Regel: Menschen, die durch innere Weiterentwicklung an den Punkt kommen, da sie ihr gewohntes Verhalten überdenken und ohne
äußere Notwendigkeit dazu bereit sind, es zu verändern. Ich habe das große Glück so einen Menschen zu kennen und von ihm lernen zu dürfen.
Jahrelang schon verfolge ich seinen Weg. Einst „Permakulturist“ mit stetigem Vorrat, unterschied er sich sogar zu dieser Zeit von vielen anderen Dauer-Grünen in meinem Bekanntenkreis durch das stetige Bemühen, sich nicht von der Sache dominieren zu lassen,
sondern es als wenn auch intensives
so doch nur als Hobby im Griff zu behalten. Kreuzungen, Ertragsmaximierung, Kompetitionen mit anderen Growern standen im Kontext zum leidenschaftlichen Interesse, dass er seiner Wesensart gemäß auch bei anderen Dingen an den Tag legte, nie in dogmatischem Bezug zu cannabischen Weltanschauungen, die die Pflanze zum Mittelpunkt des Universums erklärten. Anstatt sich wie leider so viele immer mehr hinter die grüne Hanf-Röschenhecke zu flüchten, behielt er (auch außergrüne) Sozialkontakte und andere
Freizeitaktivitäten bei, verlor seine Lebensplanung und die Freude daran nie aus den Augen, blieb verlässlich, pünktlich und auch nüchtern lustig.
Nach und nach hielten Reflexionen Einzug in unsere geliebten Abende der Doppelkonferenz, etwa über die schmale Grenze zwischen Gewohnheit und Abhängigkeit, die Bedeutung der Selbstbelohnung und ihrem Bezug zum lustfeindlichen System, in dem wir leben, oder über Alternativen zu den Dingen, die man bisher als normal
für sich angesehen hatte. Nach außen hin änderte sich in dieser Zeit vielleicht eher wenig, doch ich merkte, dass da ein Samen in ihm angefangen hatte zu keimen und war gespannt, wie sich die Sache
entwickeln würde.
Über Monate hinweg arbeitete es in ihm, wohl oft unbemerkt von ihm selber.
Das Thema hatte alle Zeit der Welt, sich organischdynamisch zu entwickeln, auch deshalb, weil er weder sich selber
Druck machte noch welchen auferlegt bekam. Immer schärfer hoben sich die äußeren Umstände vom Ursachenhintergrund ab, immer genauer gelang es ihm, die wahren Beweggründe für das Kiffen zu
formulieren und sie somit auch konstruktiver hinterfragen zu können.
Die Suche nach lebbaren Alternativen wurde für ihn konkret, da er sich durchaus bewusst war, diese zu brauchen, um nicht in alte
Verhaltensmuster zurückzukippen, sollte er den Schritt in die rauchfreie
Zone wirklich in Angriff nehmen. Gefährliche Aktivitäten wie
Play Station spielen oder Internet surfen verlangten, zumindest in
der Anfangsphase, nach körperlich aktivem Ersatz, um den Zigaretten-
Konsum nicht in die Höhe schnellen zu lassen und somit nur von
einem Genussmittel zum nächsten zu wechseln.
Der Versuchsballon vulgo zwei Wochen Urlaub ohne verlief für ihn
selber überraschend easy. Dass die Praxis seiner Theorie solchen
Vorschub leistete verlieh ihm
wie mir schien eine enorme
Ruhe im Hinblick auf das
Ende seines grünen Lebensabschnittes.
Im Kopfkino
funktionieren sämtliche Zukunftsszenarien ja bekanntlich ohne
gröbere Probleme – wenn allerdings die Durchführung als logische
Fortführung der geistigen Vorbereitung erlebt wird, gibt einem/r
das dann doch ein geschüttelt Maß an Selbstvertrauen.
Nun ist es soweit. Die letzte Ernte ist im Auslaufen, Nachschub wird
es keinen mehr geben. Bleibt alles anders, bleibt alles spannend. Und
ein schönes Detail am Rande, dass sich dadurch, dass dieser äußere
Teil von ihm wegfällt, gar nicht viel verändert. Sucht, Laster, Gewohnheit,
Bedürfnis, Wunsch – in letzter Konsequenz verschiedene
Abstufungen einer selbst gewählten Einschränkung der individuellen
Freiheit des Seins. Den Weg aus seiner/ihrer ganz persönlichen
Abhängigkeit muss jede/r selber gehen. Die Idee, wie und das
Vertrauen, dass es gehen kann, die kann man sich glücklicherweise
von solchen Menschen wie ihm abschauen. Hasta la victoria siempre.

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