Mittwoch, 19. Juli 2006

PIMP MYSELF FOR DEMO

Alle Jahre wieder zieht eine Hanfparade durch die Berliner Innenstadt. Und alle Jahre wieder gibt es Leute, die jammern, dass es auf einer Hanfparade nicht wie beim Karneval in Rio aussieht. Kaum schicke Kostüme, nur wenig nackte Haut und überhaupt  alles viel zu leise, grau und irgendwie deutsch.
Dabei kann jede(r) mit ein paar kleinen Tricks die Demo um farbenfrohe Momente oder südamerikanische Leidenschaft bereichern. Oft reicht schon ein nettes Kostüm um zum Zentrum eines Fotografentornados zu werden. Anderen liegt es eher, die Demo mit ein paar flotten Sprechchören sichtbar oder besser hörbar zu machen. Was geht und was ihr lieber lassen solltet, verraten wir euch auf dieser Seite.

Transparente und Schilder
Erinnert ihr euch an die gute alte Zeit? Damals als auf den Demos Ho –Chi Minh und Lenin unübersehbar waren? Woran lag das noch mal? Ach ja, die waren ja auf jeder Menge Transparenten zu sehen. Nun fehlen der Hanf-Szene die Köpfe. Ihr wisst schon. Die mit den dicken Büchern, die keiner liest und den vielen Toten im Namen des Fortschritts. Das bedeutet aber nicht, dass ihr keine Transparente mitbringen könnt. Im Gegenteil. Ein gutes Transparent ersetzt ein dutzend herkömmliche Teilnehmer – mindestens!
Es muss ja auch nicht kompliziert sein. Schon ein einfaches Hanf-Blatt ist ein Hingucker. Oder schnappt euch einen alten Karton, nen Besenstiel dran genagelt und nun noch eure Botschaft aufpinseln – fertig! Wer es lieber etwas größer mag, muss auch nicht verzweifeln. Mamas bestes Bettlaken macht sicher auch auf der Demo eine gute Figur. Denkt bei großen Transparenten daran, Luftlöcher reinzuschneiden! Und keine Sorge, wenn ihr euer Kunstwerk nicht immerzu alleine tragen wollt. Nette Transpiträger findet man auf der Hanfparade allemal.

Musik und Gesang
Da wo man singt, da lass dich ruhig nieder – böse Menschen kennen keine Lieder! Es muss ja nicht gleich eine Wagneroper sein, ein kleines Trommelsolo macht auch Eindruck. Wer musikalisch ist oder einfach gern Krach macht, sollte sich auch auf der Hanfparade nicht unnötig bremsen. Natürlich könnt ihr auch einen ganzen Sack voller Trillerpfeifen oder Rasseln mitbringen. Die müsst ihr aber verschenken! Ein Verkauf solcher Untensilien auf den Straßen in Berlin ist nämlich verboten.
Wer sich die Mühe gemacht hat ein bekanntes Lied mit neuem Text zu versehen, sollte den auch ein paar Mal kopieren und auf die Hanfparade mitbringen. Sonst kann ja keiner mitsingen. Auch solltet ihr euch nicht in die unmittelbare Nachbarschaft eines Paradewagens stellen. Die sind mit Sicherheit lauter als ihr und haben wenig Verständnis ,wenn ihr sie bittet mal die Musik auszumachen 😉

Sprechchöre und Slogans
Die Lösung für alle, die wenn sie singen, immer Ärger kriegen. Sprechchöre sind einfach zu lernen und können große Wirkung haben. Außerdem muss man dafür nichts mitbringen. Und spontan geht es auch! Einfach ein zwei Sätze ausgedacht und den neuen Slogan auf der Demo ausprobiert. Wenn nach dem dritten Versuch immer noch keiner mitgrölt war’s wohl nix, hat aber auch nix gekostet. Richtig gut sind Slogans, bei denen die Demo einem Anstifter antworten kann. Also etwas in Richtung „Was wollen wir? – Legalisierung! Wann wollen wir sie? – Jetzt!“ Wenn jetzt noch der Rhythmus stimmt, steht einer Predigerkarriere nichts mehr im Weg.
Bitte denkt bei der Wahl der Worte daran, dass euer Slogan eventuell um die Welt geht. Mangelhafte Grammatik alla „Gebt das Hanf frei!“ ist eine Sache. Faschistische, schwulenfeindliche, sexistische oder beleidigende Parolen haben auf der Hanfparade aber definitiv nix verloren. Wir sind ja schließlich nicht im Fußballstadion! Auch zu Straftaten solltet ihr nicht aufrufen.

Kostüme und Verkleidungen
Ok, jetzt wird’s etwas arbeitsintensiver. Ein gelungenes Kostüm bringt aber auch ne Menge Spaß. Ob nun als Joint oder Hanf-Blatt, im Sträflingsanzug oder als Kleingärtner, ob als breiter Berliner Bär oder kiffender Bundesadler – sich zu verkleiden macht nicht nur Laune, es zeigt auch allen, dass ihr euch Gedanken gemacht habt. Dabei muss es nicht immer gleich ein Ganzkörperkondom sein, auch ein witziger Hut sorgt für Aufregung und nette Bilder.
Bitte denkt beim Verkleiden daran, dass die Hanfparade neun Stunden dauert! Also lieber den leichteren Stoff nehmen, auch wenn er nicht soo toll aussieht. Achtet auf die Belüftung, sonst endet der Berlin-Besuch noch mit einem Kreislaufkollaps im Krankenhaus. Oder sucht euch eine(n) Freund(in), um euch beim Kostümtragen zu unterstützten. Dann könnt ihr immer mal die Plätze tauschen und seht die Demo aus unterschiedlichen Blickwinkeln.
Bitte achtet darauf, dass man auch mit Kostüm euer Gesicht erkennen kann bzw. verkleidet euch so, dass ihr wenn nötig den Kopf abnehmen könnt. In Deutschland gibt es nämlich ein Vermummungsverbot und manche Polizisten sind da sehr genau!
Kostüme sind nix für Medien- und Menschenscheue! Wer also lieber kein Bild von sich in der Tageszeitung vom nächsten Tag finden will, sollte sich das mit dem Verkleiden noch mal überlegen.

Aktion
Einfach nur demonstrieren ist euch zu langweilig? Irgendwie muss mehr Action auf die Hanfparade? Na dann macht doch ne eigene Aktion in der Demo.
So gab es auf der Hanfparade 2003 eine Gegendemo innerhalb der Demo. Ein paar lustige Niederländer hatten sich als Dealer, Pharmaproduzenten und Staatsanwälte verkleidet und haben gegen die Legalisierung protestiert, weil sie ihre Arbeitsplätze vernichten würde. Eine andere Hanfparade wurde durch eine Gruppe in Schwarz bereichert. Diese Trauergemeinde trug die Legalisierung in Form eines überdimensionalen Pappsarges zu Grabe und wollte damit auf die sinkenden Teilnehmerzahlen und das schwindende Medienecho hinweisen.
Aktionen müssen aber nicht immer von vielen geplant werden. Auf die Hanfparade 2002 brachte z. B. einfach jemand eine Kiste voller Sträflingskleidung mit. Freiwillige, die sich die Kostüme überzogen, waren schnell gefunden. Kaum einer, der an der Sträflingsaktion Beteiligten hatte damit gerechnet, dass sein Besuch der Demo einen bleibenden Eindruck hinterlassen würde. Dennoch waren die Zeitungen am nächsten Tag voller grinsender Sträflinge und die Hanfparade um einen unvergessenen Moment reicher.

Extreme Ideen  extreme Wirkung?
Wenn schon kleine Aktionen solch eine Wirkung haben, was bringen dann erst große?
Statt im Kostüm lieber gleich nackt auf die Demo? Oder einfach mal den Rucksack voller Joints packen und sie „verteilen“? Moment! Allen jenen, den gerade ähnliche Gedanken durch den Kopf gehen, ein paar Hinweise.
Bei aller Freude am kreativen Demonstrieren solltet ihr nicht vergessen, dass jede eurer Aktionen auch Auswirkungen auf alle anderen hat. Wer Hasch oder Grass dabei hat und sich damit erwischen lässt, rechtfertigt die Schikanen der Polizei. Wer die Todesstrafe für alle Drogenjäger fordert, muss sich nicht wundern, wenn die Betroffenen bei ihm etwas weniger zimperlich sind. Denkt bitte auch daran, dass wir euch nicht vor Strafverfolgung schützen können.

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