Montag, 5. Dezember 2005

Mütter an ihren Grenzen

Seit gut drei Monaten gehen Mütter in Berlin-Kreuzberg gegen Drogen-Dealer auf Streife. Doch mehr als wohlmeinende Presseartikel, die an dem eigentlichen Problem vorbei gehen, werden sie nicht erreichen.
Der Berliner Bezirk Kreuzberg ist weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Er ist als links verschrieen, wartet an jedem 1. Mai mit Krawallen auf und gilt – wegen seiner vielen Migranten – als Multi-Kulti-Kiez. Denkt ein Berliner an einen typischen Drogen-Umschlagplatz, ist das Kottbusser Tor nicht weit. Drogen sind hier öffentlicher als in vielen anderen Bezirken. Beim Spazieren über den Mariannenplatz hört man eher „Sstst, Haschisch?“ als „Guten Tag“. Und da in diesem Bezirk –gerade um den Mariannenplatz – viele Menschen türkischer Abstammung leben, fragen dort auch überdurchschnittlich viele türkische Mitbürger.

Dass in den letzten Jahren das Alter der Drogen-Konsumenten gesunken ist, ist keine überraschende Feststellung mehr – viele Probleme bringt es trotzdem mit sich. Denn wer konsumiert, benötigt auch einen Dealer. Das gilt auch für Minderjährige, egal ob in München oder in Berlin. Und in beiden Städten findet es statt, in Berlin – und hier wieder vor allem im Kreuzberg – nur nicht so versteckt wie in München. Und so ist es nur logisch, dass die Berliner Eltern es schneller merken, dass ihre Kinder regelmäßig gefragt werden, ob sie nicht Drogen konsumieren oder wegen ihrer Strafunmüdigkeit nicht gleich verchecken wollen. Dass dies besorgte Eltern in Angst und Panik um ihr Kind versetzt, ist in Zeiten der Drogen-Volksverdummung nicht weiter verwunderlich. Wenn eine Mutter mitbekommt, dass ihr Kind auf dem Schulweg viermal nach Drogen gefragt wird, ist das zu viel. So gesehen ist die Gründung der Initiativen „Mütter ohne Grenzen“, die nun seit August durch Kreuzberg ziehen und Dealer mit Taschenlampen beleuchten, nur eine folgerichtige und eigentlich gut gemeinte Aktion.

Erreichen werden sie aber mit ihrer Patrouille nichts. Tageszeitungen wie die „taz“ oder die „Berliner Zeitung“ berichten zwar schon triumphierend, dass die Mütter auf ihrer ersten Tour über 20 Dealer und bei ihrer zehnten nur noch einen trafen. Dass es der Polizei aber genauso geht und dass die Dealer einfach an Orte gehen, zu denen die Mütter nicht kommen, steht in keiner Zeitung. Prinzipiell werden in den Zeitungen die Geschehnisse nur dargestellt, hinterfragt werden sie nicht. Das ist aber auch nicht überraschend, denn eigentlich gibt es nur einen Weg, den Jugendschutz auch im Drogen-Bereich wieder einzuführen und die Drogenverkäufer von den Straßen wegzuholen: Die Legalisierung. Hätten wir Drogen-Fachgeschäfte, in denen studiertes Personal, das auch die Folgen des Konsums abschätzen kann und nicht von der einzeln verkauften Substanz abhängig wäre, würden Zehnjährige hören, dass sie einfach noch ein paar Jahre warten sollten, bis sie mit dem Rauchen/Snifen/Spritzen anfangen.

Es gibt keine Alternative zur Legalisierung. Nur mit dieser können Rahmen und Regeln gesetzt werden. Ein illegalisierter Dealer auf der Straße hält sich an kein Jugendschutzgesetz. Warum auch, er macht sowieso etwas Illegales und eine Erlaubnis, die er verlieren könnte, hat er nicht. Auch wenn die Mütter in Kreuzberg noch so viele Unterschriften gegen Dealer sammeln, werden sie es nicht erreichen, dass die Menschen keine Drogen mehr konsumieren möchten. Vielleicht findet alles ein bisschen versteckter statt. Es gibt keine einzige Studie, die belegen würde, dass mehr Repression zu weniger Drogen-Handel führt. Die Aktion der Mütter in Kreuzberg ist redlich. Sie ist auch gut, denn Kinder sollten möglichst spät beginnen Drogen zu konsumieren. Nur leider ist die Aktion vollkommen nutzlos, denn die Law-and-Order-Doktrin, die auch diese Mütter verfolgen, haben uns erst in diese missliche Lage gebracht.

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