Freitag, 4. November 2005

Fenster auf – Geld raus

Wie wissenschaftliche Studien missbraucht werden

Wissenschaftler forschen viel. Bei Cannabis-Studien erweckt es manchmal den Anschein, dass die notwendige Objektivität außen vor bleibt und sich die Motivation des jeweiligen Auftraggebers einer Erhebung in deren Ergebnis niederschlägt. Wie sonst ist es zu erklären, dass in den letzten Monaten diverse Studien zu folgenden – manchmal sogar widersprüchlichen – Ergebnissen kamen: Amerikanische Wissenschaftler fanden heraus, dass Cannabis die Sauerstoffversorgung des Gehirns negativ beeinflusst ( Februar 2005), einen Monat später kommt eine neuseeländische Forschergruppe zu dem Schluss, Cannabis-Konsum könne das Risiko für Schizophrenie erhöhen. Im vergangenen Monat nun weisen kanadische Biologen nach, dass Cannabis die Bildung neuer Hirnzellen anregt (Oktober 2005) und medizinisch gegen Depressionen eingesetzt werden könnte. Außerdem soll Marijuana-Konsum der Arterienverkalkung (April 2005)vorbeugen, Darmkrankheiten bekämpfen (August 2005) und der Rauch sei längst nicht so krebserregend wie der von Zigaretten (Oktober 2005).

Verwirrt? Kein Wunder, eine klare Linie ist hier nicht zu erkennen, jeder kann sich mal hier, mal da bedienen, um seinen/ihren subjektiven Standpunkt wissenschaftlich zu manifestieren: Ärzte, Psychologen, Suchtberater und vor allem die Politik. Absprachen, interdisziplinäre Koordination oder Zusammenarbeit ist hier anscheinend nicht erwünscht, jeder kocht sein eigenes Süppchen. Das geht nun seit 40 Jahren so, der einzige rote Faden, der sich durch die Jahrzehnte der Hanf-Forschung zieht ist: sobald sich aus wissenschaftlich-medizinischer Sicht ein allzu positives Bild des Hanfs abzuzeichnen scheint, lassen Abhandlungen, die eine Legalisierung strikt ablehnen, nicht lange auf sich warten. Auf der Strecke bleiben dabei unter anderem: MS-Kranke, Krebs- und Aidspatienten, und die Kleinigkeit von mittlerweile vier Millionen Hanf-RaucherInnen in unserem Land.

Grüße an Herrn Prof. Dr. Rainer Thomasius, den deutschen Anslinger des 21. Jahrhunderts. Ein Biologe, der einige Jahre für ein bekanntes Unternehmen jahrelang im Bereich Medizinal-Hanf geforscht hat, äußerte gegenüber dem Hanf Journal, dass „in Deutschland aufgrund der politischen Situation keine vernünftige Grundlagenforschung möglich sei“. Wie soll sich dann ein Mensch, vor allem der Jugendliche, Unerfahrene unter diesen Umständen ein objektives Bild über Hanf machen?

Ist es nicht viel eher so, dass durch das Märchen , Hanf sei aufgrund seines gesellschaftlichen Gefährdungspotenzials weiterhin zu verbieten, die eigentlichen Gefahren des Hanf-Konsums gar nicht angesprochen werden? Ein junger Mensch, der ab und zu Hanf raucht, merkt sicherlich früher oder später, dass die Informationen, die von staatlichen Stellen stammen, zumindest in großen Teilen nicht zutreffen. Im schlechtesten Falle ließe das für sie/ihn die Schlussfolgerung zu, dass die staatliche Drogenaufklärung sowieso lügt und deshalb wird das, was über andere Drogen gesagt wird auch nicht stimmen. Und so wird Hanf mal wieder zur Einstiegsdroge.

Momentan dienen wissenschaftliche Studien nur denen, die daraus politisches Kapital schlagen wollen. Eine Studie, die ganz einfach untersucht, welche Folgen legaler Cannabis-Konsum und -Handel gesamtgesellschaftlich hätte, ist nicht in Sicht. Dabei wäre es gerade dafür an der Zeit, da bis dato immer nur Teilaspekte einer möglichen Legalisierung durch Untersuchungen manifestiert wurden. Werden die Verantwortlichen auf solche Studien, die es beispielsweise in den Niederlanden schon gibt, angesprochen, heißt es immer, diese Ergebnisse seien nicht auf Deutschland übertragbar. Was wiederum nicht heißt, dass nun irgend jemand mal auf die Idee käme, den Sachverhalt wissenschaftlich genauer klären zu lassen.

Denn die Wahrscheinlichkeit , dass das Ergebnis einer solchen Untersuchung eine Umorientierung in Sachen Prohibition vorschlagen würde, ist sehr hoch, aber bei den momentanen politischen Machtverhältnissen überhaupt nicht konsensfähig. Man würde sozusagen eine Studie in Auftrag geben, bei deren Ergebnis der Gesetzgeber höchstwahrscheinlich auf Widerstand in den eigenen Reihen stoßen würde. Und so etwas macht natürlich keiner. Deshalb bleibt alles wie es ist – widersprüchlich und menschenfeindlich.

Ob da die Angst vor unangenehmem Zahlenwerk eine Rolle spielt, kann jeder selbst entscheiden. Fest steht, dass die ökonomischen Folgen mit Sicherheit eine nicht zu unterschätzende positive Wirkung auf die Volkswirtschaft hätten. Dies zu ignorieren scheint bei deutschen Politikern jedoch stiller Konsens zu sein. Anders ist diese unverschämte Missachtung eines riesigen Potenzials für unser Land nicht zu erklären. Der angerichtete volkswirtschaftliche Schaden beträgt jedes Jahr mehrere Milliarden Euro.

Zwar wird in Deutschland mal wieder an der Verwendung von Cannabis als Medizin geforscht, diesmal in Zusammenhang mit rheumatischen Erkrankungen. Wahrscheinlich so lange, bis man endgültig bewiesen hat, dass es hilft. Und dann wird die Forschung wieder eingestellt, ins Ausland verlagert und auf Dronabinol (synthetisches Cannabis der Chemoindustrie) verwiesen. Wie gehabt. So geschehen bei der Münchener Firma Südhanf Ende letzten Jahres (Hanf Journal 3/2005).

Ach ja, nach Angabe einer Instituts-Mitarbeiterin wird die für Anfang des Jahres angekündigte Studie des Max-Planck-Instituts über die Rechtspraxis der Verfolgung von Cannabis-Delikten nach monatelangem Hinauszögern wahrscheinlich doch noch Ende des Jahres veröffentlicht. Wir sind gespannt darauf, was drinsteht.

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