Mittwoch, 4. Mai 2005

Das Hanf Journal fragt nach:

Georg Wurth (Deutscher Hanf Verband) zur “10 Gramm Regelung” in Berlin.

Wir hatten in den letzten Wochen eine Menge Anfragen, wie das denn nun mit der neuen „Zehn Gramm-Regelung“ in Berlin sei. Um euch mal einen detaillierten Durchblick zu verschaffen, hat das Hanf Journal ein Interview mit Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband (DHV) geführt:
HaJo: Hallo Georg!
Georg: Hallo HaJo!
HaJo: Viele meinen, der Besitz von zehn Gramm Cannabis-Produkten sei in Berlin jetzt legal, ist das richtig?
Georg: Nein, von legal kann keine Rede sein. Der Besitz auch der kleinsten Menge bleibt weiterhin eine Straftat, es wird weiterhin jeder auch noch so kleine Fund beschlagnahmt und zur Anzeige gebracht. Es geht hier um die Frage, wie geringe Mengen für den Eigenverbrauch gehandhabt werden. Wie in allen Bundesländern kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren bei einer geringen Menge einstellen, muss aber nicht. Berlin liegt mit den zehn Gramm als geringe Menge bundesweit im Mittelfeld.
HaJo: Was hat sich dann überhaupt mit der neuen Regelung geändert?
Georg: Die Höhe der geringen Menge. Vorher wurde bis sechs Gramm Besitz immer eingestellt, zwischen sechs und 15 Gramm lag es an den Umständen, wie beispielsweise der Sozialprognose, dem Alter, den Vorstrafen usw., ob ein Verfahren eröffnet wurde. Von jetzt an sollen Anzeigen bis zehn Gramm Besitz zum Eigenverbrauch nicht mehr weiter verfolgt werden, zwischen zehn und 15 Gramm entscheiden nach wie vor die eben erwähnten Umstände der Tat und eventuelle Vorstrafen. Das heißt, die Änderung betrifft nur diejenigen, die mit sechs bis zehn Gramm Cannabis-Produkten aufgegriffen werden, ansonsten bleibt alles wie gehabt.
HaJo: Das Abgeordnetenhaus hatte eigentlich etwas anderes beschlossen, wie kam es zur Sinneswandlung?
Georg: Eigentlich hatte das Berliner Parlament beschlossen, die geringe Menge auf 15 Gramm hoch zu setzen, unter den vorher erwähnten Voraussetzungen (Alter, Vorstrafe, Sozialprognose, Umstände der Tat – Anmerkung d. Red.) sogar auf 30 Gramm. Davon war die Regierung, also der Senat, der dies umsetzen sollte, nie begeistert. Polizeiverbände, die Berliner Staatsanwaltschaft und auch einige Suchtberater, allen voran die Berliner Drogenbeauftragte Frau Koller, waren ebenfalls skeptisch und so kam es zu diesem Kompromiss. Noch etwas zur juristischen Seite, die Staatsanwaltschaft argumentiert folgendermaßen: Es gibt die Definition einer nicht geringen Menge. Die hängt nicht vom Gewicht der Cannabis-Produkte, sondern vom THC-Gehalt ab. Besitzt jemand mehr als 7,5 Gramm reinen Wirkstoff, also THC, stellt das eine schwer wiegende Straftat dar, unabhängig vom Gesamtgewicht des Cannabis’. Dafür ist eine Mindeststrafe von einem Jahr Gefängnis vorgesehen, eventuell auf Bewährung. Dies beruht auf einem 21 Jahre alten Urteil des Bundesgerichtshofs. Da das in den letzten Jahren sichergestellte Cannabis nach Polizeiangaben einen höheren Wirkstoffgehalt als früher habe, könne man den Besitz von 30 Gramm zum Eigenverbrauch nicht dulden, da eventuell die Grenze des Bundesgerichtshof-Urteils von 1984 überschritten werde könnte. Die Rechnung sehe dann folgendermaßen aus: Bei 30 Gramm Cannabis mit mehr als 25 Prozent THC werden die 7,5 Gramm reines THC überschritten, es liegt eine schwere Straftat vor. Also kommt eine Einstellung wegen geringer Menge nicht in Frage. Der Senat hat dann lieber bei 15 Gramm Schluss gemacht, wohl unter anderem, um dem Streit um den THC-Anteil aus dem Wege zu gehen.
HaJo: Stimmt es, dass das Grass immer stärker wird, also der prozentuale Wirkstoffgehalt immer höher wird?
Georg: Herausgegeben werden immer nur die Spitzenwerte, fragt man nach den durchschnittlichen THC-Werten der aufgefundenen Proben von Cannabis und Haschisch, herrscht in Berlin Schweigen. Statistiken anderer Stellen, wie des Bundeskriminalamtes oder der Europäischen Drogenbeobachtungsstelle, zeigen keinen signifikanten Anstieg des THC-Gehalts in den aufgefundenen Proben der letzten Jahre. Das ist eine Medienhysterie, die leider von Polizei, Zoll und einigen Suchtberatern gespeist wird. Natürlich gibt es in Einzelfällen sehr hochwertige Proben, die gab es aber in den Siebzigerjahren auch schon.
HaJo: Wurde mit der Regelung der Wille der Berliner Volksvertretung erfüllt?
Georg: Der konkrete Wunsch des Abgeordnetenhauses, nämlich die geringe Menge auf 15 bis 30 Gramm anzuheben, wurde offensichtlich nicht erfüllt, der Senat ist erheblich darunter geblieben. Selbst das eigentliche Minimalziel, nämlich eine Verbesserung der rechtlichen Situation für Hanf-Konsumenten, ist nicht erreicht worden. Eine Pressesprecherin des Senats teilte mir mit, dass ab Anfang Mai auch zwischen zehn und 15 Gramm nur noch in Ausnahmefällen ein Verfahren einzuleiten, das sei vorher anders gewesen. Dem gegenüber steht die Aussage von Innensenator Körting aus dem Jahre 2003, der damals sagte, dass bis 15 Gramm sowieso alles eingestellt würde. Wenn das stimmt, hat sich im Prinzip für den Berliner Konsumenten nichts geändert.
HaJo: Denkst du, dass es in Berlin in absehbarer Zeit Coffee-Shops geben wird?
Georg: Das ist wohl leider nicht zu erwarten, obwohl die Berliner Politiker das sehr intensiv diskutiert haben. Im Koalitionsvertrag steht auch, dass die kontrollierte Abgabe weicher Drogen geprüft werden solle. Leider ist das Abgeordnetenhaus zu dem Entschluss gelangt, dies nicht zu versuchen. Ich denke in den nächsten ein bis zwei Jahren wird kein neuer Vorstoß in diese Richtung mehr geschehen.
Hajo: Ich denke mal, unsere Leser wissen jetzt gut Bescheid und haben einen Grund mehr, dieses Jahr am 13.8. zur Hanfparade nach Berlin zu kommen. Vielen Dank für das Gespräch, tschö Georg!
Georg: Tschö HaJo!

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

Schnelles Login:

0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare zeigen